USA: Start von 5G auf 3,7 GHz erneut verschieben?
Mobilfunkbetreiber in den USA wollen ab Anfang Januar schnellere 5G-Netze auf 3,7 GHz einführen. Aus der Luftfahrtindustrie gibt es Proteste. Das berichtet das in Düsseldorf erscheinende Handelsblatt unter Berufung auf die Wirtschaftsnachrichtenagentur Reuters.
Im Streit über die Gefährdung der Luftfahrt durch 5G-Mobilfunknetze haben sich offenbar die beiden größten Flugzeughersteller der Welt zu Wort gemeldet. Dave Calhoun, Vorstandsvorsitzende von Boeing, und sein Kollege Jeffrey Knittel, US-Chef des Erzrivalen Airbus, forderten die US-Regierung auf, die geplante Einführung von 5G-Mobilfunk im C-Band-Spektrum (bei 3,7 GHz) der Netzbetreiber AT&T und Verizon ab dem 5. Januar 2022 wegen Sicherheitsbedenken (erneut) zu verschieben.
Angst vor Interferenzen
Blick in das Cockpit des brandneuen Boeing 777. Das Demo-Flugzeug wird von einer Pilotin geflogen, das Cockpit steckt voll mit Technik.
Foto: Picture Alliance/dpa
„5G-Interferenzen könnten die Sicherheit des Flugbetriebs beeinträchtigen und enorme negative Auswirkungen auf die Luftfahrtindustrie haben“, warnen in einem gemeinsamen Brief der Spitzenmanager an US-Verkehrsminister Pete Buttigieg, die Nachrichtenagentur Reuters berichtete darüber.
Europäische Flugsicherheitsagentur interessiert
In Europa interessiert sich die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) schon länger dafür, ob 5G die in der Luftfahrt genutzten Funkhöhenmesser stören könnte. Die 5G-Frequenzbänder in Europa liegen aber nicht so nah an dem von Flugzeugen genutzten Frequenzbereich wie das in den USA geplante. Bisher seien in Europa keine Vorfälle bekannt oder aus vorliegenden technischen Daten von Flugzeug- und Ausrüstungsherstellern abzuleiten, erklärte eine EASA-Sprecherin. Gleichwohl werde die Situation weiter genau beobachtet, betont man bei der EASA. Die Behörde tausche sich zudem mit der US-Luftsicherheitsbehörde FAA über deren Bedenken aus. Auch die Deutsche Flugsicherung (DFS) erklärte, bisher sei es nicht zu einer Störung der Bordelektronik gekommen.
Worum geht es?
Die Frequenzen des sogenannten "C-Band-Spektrums" liegen im Prinzip zwischen 4 und 8 GHz. Die US-Mobilfunk-Industrie spricht bei C-Band über 3,7 bis 4,2 GHz, aktuell geht es hier um 3,7 bis 3,98 GHz. Zum Vergleich: Die Mobilfunkbänder n77/78 liegen in Europa zwischen 3,5 und 3,8 GHz, wobei 3,7-3,8 GHz in Deutschland nur für Campusnetze genutzt wird.
Die US-Frequenzen würden sich mit den von Radarhöhenmessern genutzten Frequenzen überschneiden, wie sie in vielen Flugzeugen eingesetzt werden. Wenn auf der Frequenz eine Mobilfunkanlage sendet, könnte die Funktion der Bordinstrumente beeinträchtigt werden. Die Höhenmesser senden ein Funksignal aus und schauen, wie es durch Echos zurückkommt. Daraus kann die Flughöhe ermittelt werden. Wenn aber auf diesen Frequenzen noch andere Signale zu finden sind, stimmen die Werte nicht exakt genug oder es gibt vielleicht sogar keine Messung. Da die in den Flugzeugen verbaute Technik im Grunde schon etwas "älter" ist, haben die verwendeten Empfänger schlechtere Filter, d.h. sie sind nicht trennscharf genug. Ein ähnliches Problem gibt es in Deutschland mit dem Eisenbahn-Mobilfunk GSM-R und dem öffentlichen Mobilfunk. Die älteren Eisenbahn-Empfänger sind nicht trennscharf genug. Deswegen wurden diese Geräte kürzlich ausgetauscht.
US-Vorschrift zu Radar-Höhenmessern
Die US-Luftfahrtbehörde FAA hatte bereits Anfang Dezember eine Vorschrift veröffentlicht, die den Einsatz der Radarhöhenmesser in der Nähe von C-Band-Netzen als "unsicher" definiert. Das würde bedeuten: Flugzeuge mit der weit verbreiteten Technik dürften an Flughäfen mit C-Band-Netz daher künftig nicht mehr landen.
Breitbandige 5G-Netze nehmen zu
Nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern auch in den USA sind bereits großflächig 5G-Netze in Betrieb. In den USA ist der Frequenzbereich im C-Band ab 3,7 Gigahertz bislang kaum genutzt worden. Auf diesen hohen Frequenzen sind die Reichweiten ziemlich gering, dafür gibt es ordentlich Bandbreite und damit hohe Übertragungsgeschwindigkeiten oberhalb von einem Gigabit pro Sekunde, was die Sache attraktiv macht.
Die Idee ist daher, diese C-Band-Frequenzen vor allem in Ballungsräumen einzusetzen, beispielsweise in Innenstädten, wo viele Menschen auf kleiner Fläche in Zukunft große Datenmengen gleichzeitig übertragen möchten. Große Flughäfen in Innenstadtnähe könnten für diese Technik interessant sein. Die höheren Frequenzen wären aufgrund ihrer Bandbreite nicht so leicht und so schnell überlastet.
Einführung von 5G auf 3,7 GHz in den USA bereits verschoben
Das Thema ist nicht neu: AT&T und Verizon hatten die Einführung der neuen Frequenzen im Rahmen dieser Sicherheitsbedenken bereits um einen Monat auf den 5. Januar 2022 verschoben. Die Zeit sollte genutzt werden, um Lösungen zu installieren, welche Überschneidungen der Funkfrequenzen und damit Gefahren für die Flugsicherheit minimieren sollten. Diese Maßnahmen scheinen den Flugzeugherstellern offenbar nicht weit genug zu gehen.
Der US-Mobilfunkverband CTIA betonte, "5G ist sicher" und warf der Luftfahrtindustrie vor, Angst zu schüren und Fakten zu verdrehen. Die US-Pilotenvereinigung findet, dass die Diskussion in einer Sackgasse stecke. Das sei ein großes Problem für Passagiere, Spediteure und die amerikanische Wirtschaft.
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