Moskau stellt Weichen für bessere Infrastruktur
Evgeny Novikov, technischer Berater beim Moskauer DIT, stand uns beim MWC in Barcelona Rede und Antwort.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Ganz Deutschland spricht von Digitalisierung und Smart Cities. Schaut man näher hin, so gibt es hier und da ein paar interessante Projekte, die von Ort zu Ort unterschiedlich sind. Viele Gemeinden in Deutschland scheinen noch unschlüssig zu sein oder sind auf teure Beratungsunternehmen angewiesen. Oft scheitern digitale Projekte schlicht an mangelndem Geld für Technik und/oder Personal.
Stadt Moskau hat eigene IT-Abteilung
Evgeny Novikov, technischer Berater beim Moskauer DIT, stand uns beim MWC in Barcelona Rede und Antwort.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Die Stadt Moskau, Hauptstadt der russischen Föderation, ist da deutlich weiter. Sie verfügt über eine eigene Informationsabteilung (DIT = Department of Information Technology), mit entsprechendem Personal und technischen Möglichkeiten. Auf dem Mobile World Congress haben wir uns mit Evgeny Novikov, einem der Berater beim Moskauer DIT, unterhalten.
Gibt es schon 5G in Moskau?
"Wir haben im Rahmen einer Vereinbarung mit zwei der großen russischen Mobilfunknetzbetreiber Megafon und Beeline die 5G-Technik getestet, auch um es bekannter zu machen. Um 5G weiter zu bringen, war die Unterstützung der Regierung notwendig, weil die dafür geplanten Frequenzen teilweise noch für Raumfahrt und Militär vorgesehen waren." So werde 5G voraussichtlich auf 3,6 bzw. 26 oder 29 GHz laufen. Jeder Mobilfunkbetreiber wählt seinen eigenen Technik-Lieferanten. So arbeitet Megafon mit Nokia, MTS führt Gespräche mit Ericsson, während Beeline die Technik von Huawei am Start hat. Darüber hinaus gibt es auch Gespräche mit russischen Lieferanten, die nach Möglichkeit einbezogen werden sollen.
Ballungsgebiet Moskau: 12 - 20 Millionen Menschen
In der Großstadt Moskau leben "offiziell" 12 Millionen Menschen. Es sind aber viele Pendler unterwegs, die von außerhalb kommen, sodass man mit etwa 20 Millionen Menschen rechnen muss, die sich regelmäßig in der Stadt aufhalten.
"Wir haben den Nahverkehr verbessert, beispielsweise durch den Ausbau der Mobilfunkversorgung in der Metro (U-Bahn)". Geplant ist eine vollständige 4G-Versorgung des Untergrunds, die Verträge sind schon unterschriftsreif. In den Metro-Stationen gibt es heute schon "Free WiFi" (kostenloses WLAN) - auch in den Tunneln. 3G/4G-Mobilfunkversorgung besteht schon auf den Bahnhöfen. Geplant ist es, diese Mobilfunkversorgung auch in die U-Bahn-Tunnels hineinzubringen. Moskaus Mobilfunkstrategie für den Untergrund ist es, die Metro zwar durchgehend zu versorgen. Dabei lege man weniger Wert auf maximale Datengeschwindigkeit, sondern mehr auf durchgehende Netzversorgung, um Basisdienste wie Kurzmitteilungen oder auch ein Telefonat zu ermöglichen.
Kostenloses WLAN: Touristen bevorzugen SIM-Karten
Die Moskauer U-Bahn ("Metro") gehört zu den größten der Welt. Die meisten Stationen liegen etwa 20-30m unter der Oberfläche. Auf allen Linien haben Passagiere Zugang zum freien WLAN, sogar in den Tunnels.
Foto: Moskau DIT
Moskau hat übrigens ein sehr großes "Free City WiFi" (kostenloses städtisches WLAN)-Netz auf öffentlichen Plätzen. Bei der Auswertung der Nutzungsprotokolle kam aber heraus, dass Touristen weniger via WLAN (englisch WiFi) ins Netz gingen, sondern über eine SIM-Karte, die sie kurz zuvor in Moskau erworben hatten. Der einfache Grund: russische SIM-Karten sind für Touristen sehr günstig zu bekommen, die heimischen Netzbetreiber verlangen hingegen weitgehend unerschwingliche Tarife, wenn man beispielsweise mit seiner deutschen Mobilfunkkarte in Russland telefonieren oder surfen möchte.
Die Beobachtung des Nutzungsverhaltens zeigt, dass die Leute während er Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmittel gerne elektronische Bücher lesen, die sie entweder aktuell übers Netz laden (online) oder schon vorher heruntergeladen haben (offline)
Heimarbeiter entlasten Infrastruktur - Hilfe für Netzbetreiber
Moskaus DIT begrüßt es, wenn Heimarbeiter von zu Hause arbeiten können, beispielsweise durch gute Internetversorgung bis in die Wohnungen. Leute, die zu Hause arbeiten können, müssen nicht im Stau stehen, um ins Büro zu kommen, und können ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten.
Damit der Netzausbau in der Stadt vorankommt, gibt es Sonderkonditionen für Netzbetreiber, wenn sie öffentliche Gebäude für ihre Sendeanlagen nutzen. Die DIT-Abteilung der Stadt Moskau hat vorsorglich schon 4500 Leer-Masten auf den Häusern aufgebaut, welche die Netzbetreiber dann für ihre Mobilfunk-Antennen nutzen können. Aktuell wurden von allen drei Netzbetreibern rund 65.000 Basisstationen aufgebaut, in 5 Jahren könnten es 130.000 sein, welche Moskau mit 3G und 4G versorgen werden.
Moskau: Smart City mit Pilotfunktion
Die Kommandozentrale der Smart City Moskau, hier laufen alle Verkehrsinformationen zusammen.
Foto: Moskau DIT
Vieles was in Moskau ausprobiert oder ausgerollt wird, gilt als Pilotprojekt für andere Städte des Landes. "Wir haben es geschafft, die Planungsphase von neun auf zwei Monate zu drücken. Wir können jetzt auch auf Beschwerden über mangelhafte Netzqualität schneller reagieren. Smart City ist für uns eine wesentliche Verbesserung der Lebensqualität. Die Infrastruktur wird verbessert. Die FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft hat dabei viel bewegt. Überall wo Gebäude renoviert wurden, wurde gleich Glasfaser mit verlegt."
Die Moskauer Verwaltung entwickelt Service Modelle und baut die Technik auf. Bisher wurde viel Hardware selbst gekauft. Neuere Wirtschaftlichkeits-Modelle sehen künftig "Serviceleistungen" vor. Dann wird die Stadt nicht mehr jede Überwachungskamera einzeln kaufen, aufbauen und betreiben, sondern an einen Dienstleister pro geliefertes Bild bezahlen.
Moskau-DIT international vernetzt
Der Besuch auf dem MWC ist für das Moskauer DIT sehr wichtig, um sich mit Kollegen auszutauschen und Informationen zu sammeln, welche Möglichkeiten es gibt und wohin die Entwicklung laufen wird. Hier in Barcelona treffe man alle wichtigen Spieler des Marktes. "Letztes Jahr wusste noch keiner so genau, was 5G eigentlich ist." Hier habe sich viel bewegt.
Durch die bessere Infrastruktur ist Moskau für Touristen wesentlich attraktiver geworden. Der Moskauer Bürgermeister möchte das unbedingt weiter ausbauen. Statistiken haben ergeben, dass zahlenmäßig die meisten Touristen in Moskau aus China gekommen sind. Aber auch Gäste aus Europa oder den USA und anderen Ländern der Welt sind willkommen.