Notrufe 110 & 112: Bessere Ausfallsicherung wäre möglich
Seit heute Morgen sind oder waren die Notrufnummern 110 und 112 teilweise gestört.
Dark Vectorangel - Fotolia.com
Heute startet die närrische Saison und viele Laternenumzüge denken an St. Martin. Manchen könnte die Freude am Feiern vergangen sein, denn heute Morgen meldeten TV- und Rundfunk-Nachrichten, dass offenbar bundesweit in verschiedenen Ortsnetzen und Regionen die Notrufe 112 und 110 ausgefallen sei. Die Störung ist inzwischen wieder behoben.
Wo erfahre ich, ob der Notruf funktioniert?
Wie erfährt man sonst, ob der Notruf aktuell funktioniert oder nicht? Wenig bekannt dürfte die Internet-Webseite warnung.bund.de sein, wo man solche Meldungen abrufen kann, Informationen gibt es auch über Warn-Apps wie KATWARN (für iOS oder Android oder NINA (für iOS, für Android).
Notruf nicht selber testen!
Seit heute Morgen sind oder waren die Notrufnummern 110 und 112 teilweise gestört.
Dark Vectorangel - Fotolia.com
Auf gar keinen Fall sollten besorgte Bürger "Testanrufe" zur 110 oder 112 versuchen. Das kann andere lebenswichtige Anrufer blockieren oder verzögern. Der Missbrauch von Notrufeinrichtungen ist im übrigen strafbar.
Was tun wenn?
Wenn der Notruf gestört ist, kann in vielen Orten die Rettungsleitstelle des Roten Kreuzes unter der Ortsvorwahl+19222 erreicht werden, allerdings sind diese Nummern nicht in jedem Ortsnetz geschaltet. Vom Handy muss dabei immer die Ortsvorwahl gewählt werden. Vom Festnetz kann es in größeren Orten ausreichen, alleine die 19222 zu wählen. Es empfiehlt sich, in "ruhigen" Zeiten sich über die örtlichen Telefonnummern zu informieren, gerade Polizei-Dienststellen haben in jedem Ortsnetz eine andere Rufnummer, die man im örtlichen Telefonbuch oder unter www.telefonbuch.de im Netz findet.
Was ist passiert?
Die Probleme mit dem Notruf sind nicht neu, bereits vor wenigen Monaten gab es eine bundesweite Störung. Über die genauen technischen Ursachen war seinerzeit nur wenig zu hören. Insider erklärten damals schon gegenüber teltarif.de, dass es sich dabei um die Geburtswehen eines gravierenden Systemwechsels der Telefonie-Plattform auf NIMS (Next Generation IP Multimedia Subsystem) bei der Telekom handeln könnte. Es habe damals nicht nur die Notrufe 110 und 112, sondern auch bei der Telekom gehosteten Sonderrufnummern (0800, 00800 - kostenlos und 0180 - zu abgestuften Tarifen) und weitere Sonderrufnummern getroffen. (0700 und 0900 bietet die Telekom nicht mehr an.)
Notrufprobleme auch in der Schweiz
Ein schwacher Trost: Die Deutsche Telekom ist mit diesen Problemen nicht allein. Beispielsweise in der Schweiz kam es kürzlich zu einem Ausfall der Notrufnummern, was in der Schweizer Politik zu bohrenden Fragen an den Marktführer Swisscom führte.
Alternatives Routing für Notrufnummern?
Gemeldet hat sich bei uns Sascha Brückner vom TK-Netzbetreiber TELEflash. Sein Unternehmen kann nach eigenen Angaben neben den großen Netzbetreibern Vodafone und der Telekom auch Notruf-Anschlüsse anbieten und schalten. Brückner betont, dass die Notrufabfragestellen im Netz der TELEflash bei jedem Ausfall problemlos erreichbar gewesen seien. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen habe derzeit der Landkreis Euskirchen seine Notrufabfragestelle bei TELEflash angeschlossen. Man sei aber bereit und technisch in der Lage, andere Leitstellen anzubinden. Sein Problem seien zuständige Ansprechpartner, die das wirklich entscheiden dürften. Diese seien entweder unbekannt oder nur schwer zu erreichen.
Notrufkennungen für Einzugsbereich
Brückner plädiert dafür, dass die Bundesnetzagentur es ermöglichen solle, für einen Einzugsbereich auch zwei Notrufkennungen zu veröffentlicht. Dadurch könnten die Ursprungsnetzanbieter bei einer Störung selbstständig die andere Kennung und damit anderen Anbieter verwenden.
Während der Teilnehmer weiter wie gewohnt die 110 oder 112 wählt, werden diese Gespräche im Hintergrund zu "geheimen" Rufnummern mit der "Verkehrslenkungs-Vorwahl" 01982 weitergeleitet. Normale Telefonkunden können diese Vorwahl nicht erreichen, denn sie ist zur Direktwahl gesperrt und dient nur als interne Routing-Rufnummer für die beteiligten Netzbetreiber.
Kurzfristige Änderungen möglich - Anbindung per Satellit
Brückner argumentiert, dass bei einer Störung an der Anlage der jeweiligen Leitstelle, diese bei TELEflash direkt im Kundenportal ein Umrouten auf eine andere Abfragestelle aktiviert werden könne. Dies sei innerhalb weniger Sekunden aktiv.
Selbst beim Jahrhundert-Hochwasser in Euskirchen sei die über TELEflash angebundene Leitstelle noch relativ lange am Netz gewesen. Für die Zukunft will TELEflash die Leitstellen zusätzlich auch via Satellit anbinden. Dies werde aktuell bereits in Euskirchen getestet.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die Telekommunikationswelt ist im Umbruch. Alles soll von proprietärer (oft fest verdrahteter) und teurer Spezial-Hardware, für die es irgendwann keine Ersatzteile mehr gibt, auf Softwarelösungen umgestellt werden. Doch spätestens beim Notruf hört der Spaß auf, der muss einfach funktionieren, auch unter extremen Bedingungen.
Da der Druck zur Virtualisierung nicht mehr aufzuhalten ist, müssen sich die Verantwortlichen auch damit anfreunden, alternative Wege als "Plan B" bereit zu halten.
Hoheitsaufgaben nach Verkauf der Telekom-Bundesanteile?
Aktuell wird in Berlin diskutiert, den Staatsanteil der Telekom an der Börse komplett zu verkaufen. Spätestens dann stellt sich die Frage, wer künftig die Hoheits- und Sicherheitsaufgaben der Telekom auch in schwierigen Lagen zuverlässig übernehmen kann und will? Mit Kostenrechnern, für die einzig und alleine nur Rendite und Gewinnsteigerungen und sonst nichts zählen, ist das nicht zu machen.
Update 14.30 Uhr: Telekom bestätigt Software-Problem
Ein Sprecher der Telekom, die weite Teile der technischen Infrastruktur für den Notruf bereitstellt, bestätigte der deutschen Presseagentur (dpa) auf Anfrage, dass es heute Morgen um 4.30 Uhr bei Routine-Wartungsarbeiten zu einer Störung der Erreichbarkeit der Notruf-Leitstellen in verschiedenen Regionen Deutschlands gekommen sei. Um 5.40 Uhr seien jedoch alle Leitstellen wieder uneingeschränkt erreichbar gewesen, betonte man in Bonn.
"Ursächlich für die Störung war vermutlich die Einbringung einer neuen Software, die zuvor ausführlich getestet worden war und keinerlei Auffälligkeiten gezeigt hatte. Einen Hackerangriff können wir aktuell ausschließen", teilte ein Telekom-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur mit. "Die detaillierte Analyse dauert an."
Hinweise auf einen Cyberangriff lagen auch dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nicht vor. Die Telekom habe die Störung gemäß den gesetzlichen Bestimmungen dem BSI und der Bundesnetzagentur gemeldet.
Ende des Updates
Die Corona Warn-App kann jetzt auch Luca-Standort-Codes lesen.