verschlafen

NRW-Bürger haben das Nachsehen bei neuen Funkfrequenzen

Landesregierung sieht nur wenig unterversorgte Orte im eigenen Land
Von Thorsten Neuhetzki

Die Sieger der aktuell in Mainz laufenden Mobilfunk-Frequenzversteigerung ersteigern sich nicht nur die Rechte, ein bundesweites Funknetz aufbauen zu dürfen, sondern auch die Pflicht, mit den ersteigerten Frequenzen im 800-MHz-Bereich (Digitale Dividende) vorrangig die ländlichen Regionen zu erschließen. Um festzulegen, welche Orte bevorzugt versorgt werden müssen, gibt es bei der Bundesnetzagentur ein Dokument mit 244 eng bedruckten Seiten. Die Informationen in diesem Dokument stammen nach Auskunft der Bundesnetzagentur von den Ländern. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dabei gerade einmal eine Seite eingereicht - offenbar ein großes Versäumnis, denn die Liste ist verbindlich und damit entscheidend für den künftigen Netzausbau.

Nach Recherchen des Westfalen-Blattes in Zusammenarbeit mit der teltarif.de-Redaktion fühlte sich bei den zuständigen Regierungsstellen zunächst niemand zuständig. Erst nach mehrtägigen Nachforschungen bestätigte ein Sachbearbeiter, man habe diese Liste an die Bundesnetzagentur gegeben. Datenbasis dafür sei der Breitband-Atlas der Bundesregierung gewesen. Für die betroffenen Bürger des Landes, in dem in einigen Wochen die Landesregierung neu gewählt wird, dürfte das jedoch oftmals nicht nachvollziehbar sein, denn gerade Regionen abseits des Ruhrgebietes sind oft nur punktuell mit Breitband-Internet versorgt.

Zudem hat die Liste offenbar eine zweifelhafte Datenbasis: So heißt es im Beispiel Borgholzhausen in der Liste, die "halbstädtische" Region habe 3484 Haushalte. Die Stadt selbst sieht dieses ganz anders: 5109 Haushalte geben die Ostwestfalen auf ihrer Webseite an.

Wirtschaftsministerium sieht NRW gut mit Breitband-Internet versorgt

Sendemast Neues Netz auf 800-MHz-Frequenzen
Foto: E-Plus
Orte, in denen definitiv nur im Kerngebiet, nicht aber in umliegenden Ortschaften Breitband-Internet vorhanden ist, tauchen in der Liste jedoch nicht auf. So ist aus dem kompletten Bereich Ostwestfalen mit Borgholzhausen gerade einmal eine Stadt in der Liste zu finden. Dabei ist die Region, abgesehen von Städten wie Bielefeld, Minden und Gütersloh, sehr ländlich geprägt. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums NRW erklärte auf Anfrage, Nordrhein-Westfalen sei mit breitbandigem Internet gut versorgt, sofern man von Bandbreiten im Bereich von 1 bis 2 MBit/s spreche. "Nachholbedarf" gäbe es allerdings, wenn man von Bandbreiten zwischen 50 und 100 MBit/s spreche. In der Praxis sieht dieses allerdings anders aus, viele wären dankbar für einen Anschluss mit 1 MBit/s Bandbreite.

Versorgung in NRW wäre für die Mobilfunker quasi nicht verpflichtend

Dass die Mobilfunkunternehmen dennoch eine Versorgung in den betroffenen Regionen vornehmen, scheint zunächst unwahrscheinlich. Denn eine derartige Versorgung hilft ihnen nicht bei der Einhaltung der Lizenzbedinungen. In den Zuteilungsregeln heißt es:

"Ein Frequenzzuteilungsinhaber ist verpflichtet, bei der Frequenznutzung im Bereich 800 MHz in allen Bundesländern einen Versorgungsgrad von mindestens 90 Prozent der Bevölkerung der von den einzelnen Bundesländern benannten Städte und Gemeinden (vgl. hierzu anliegende Listen, Beilagen) ab dem 01.01.2016 zu erreichen. Der Versorgungsgrad bezieht sich auf die gesamte Bevölkerung aller benannten Städte und Gemeinden je Bundesland."
Eine weitgehend flächendeckende Versorgung wäre also für die Unternehmen nur nach kaufmännischen Gesichtspunkten interessant, wenn sich entsprechend viele Kunden finden würden.

Landesregierung setzt auf Nachverhandlungen

Ostwestfalen im Breitband-Atlas Ostwestfalen im Breitband-Atlas: Viele weiße Flecken
Screenshot: teltarif.de
Genau hier liegt aber anscheinend die Hoffnung der Landesregierung. Gegenüber dem Westfalen-Blatt äußerte man sich dahingehend, dass man auf Nachverhandlungen mit den Netzbetreibern setze. Diese sollen das Netz ausbauen, auch wenn es ihnen in Bezug auf die Lizenzbedingungen nichts bringt.

Die Mobilfunker geben sich derzeit noch zurückhaltend, was die Ausbaupläne angeht. "Vor Ende der Auktion können wir uns nicht zu konkreten Ausbauplanungen in einzelnen Regionen äußern", sagte Telekom-Sprecher Philipp Blank gegenüber teltarif.de. Aktuell konzentriere man sich darauf, entsprechende Frequenzblöcke zu ersteigern. Wie man danach in den Ausbau gehe, könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Daher konnte er auch keine Aussagen zu Regionen treffen, die nicht in der von der Bundesnetzagentur festgelegten Liste stehen. Blank betonte aber, dass die Telekom schon länger gezielt in ländliche Gebiete investiere: "Die 'Digitale Dividende' ist eine wichtige Ressource für eine ökonomisch vertretbare Versorgung von abgelegenen und bislang nicht mit Internetzugang versorgten Gebieten, deshalb ist diese Auktion für den Breitbandausbau so wichtig."

Weitere Artikel zur digitalen Dividende