Streaming

Amazon krempelt den Streaming-Markt um

Premi­umin­halte sind kosten­pflichtig. Diese goldene Regel der Strea­ming-Branche ist passé. Mit Amazon Studios und MGM im Rücken bringt der Versand­händler hoch­wer­tigen Content gratis ins Wohn­zimmer. Netflix & Co. geraten unter Druck.
Ein Kommentar von Björn König

Amazon Studios-Chefin Jennifer Salke will nach der MGM-Übernahme im Streaming angreifen Amazon Studios-Chefin Jennifer Salke will nach der MGM-Übernahme im Streaming angreifen
picture alliance / Jordan Strauss/Invision/dpa
In den vergan­genen Jahren stiegen die Preise für Strea­ming-Abos konti­nuier­lich an. Bei der Preis­erhö­hungs­welle war vor allem Netflix ganz vorn dabei. Mit bis zu 20 Euro im Monat liegt dieses Angebot zwar immer noch unter den Kosten vieler TV-Kabel­anschlüsse in den USA, doch der Abstand wird zuse­hends kleiner. Damit könnte aller­dings bald Schluss sein, denn der Druck Premium-Content güns­tiger oder sogar für Zuschauer kostenlos werbe­finan­ziert anzu­bieten, steigt deut­lich an. Das liegt vor allem an Amazon.

Bruch mit Bran­chen­gesetzen

Para­mount vermarktet seine aktu­ellen Premium-Inhalte gegen eine vari­ierende Monats­gebühr über Show­time bzw. Para­mount+. "Low Budget"-Produk­tionen oder ältere Streifen finden sich hingegen beim werbe­finan­zierten AVoD-Dienst Pluto TV. Derar­tige Geschäfts­modelle geraten nun unter Druck, denn Amazon wird den eigenen AVoD-Dienst "Freevee" mit Premium-Inhalten seiner Amazon Studios und aus dem Port­folio des eben­falls kürz­lich erwor­benen Studios MGM füllen.

Amazon Studios-Chefin Jennifer Salke will nach der MGM-Übernahme im Streaming angreifen Amazon Studios-Chefin Jennifer Salke will nach der MGM-Übernahme im Streaming angreifen
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Einen Vorge­schmack gab es bereits: Das Spin Off der erfolg­rei­chen Amazon-Serie "Bosch" kommt nicht etwa zu Prime Video, sondern landet direkt bei Freevee. Eine Premium-Origi­nal­serie in Erst­aus­strah­lung bei einem werbe­finan­zierten Streamer? Das gab es in dieser Form bislang noch nicht. Und wahr­schein­lich ist es nur ein Vorge­schmack auf das, was man noch im Köcher hat. Amazon Studios-Chefin Jennifer Salke hat bereits deut­lich gemacht, dass man mit Freevee und hoch­wer­tigen Origi­nals an die Strea­ming-Spitze wolle.

SVoD unter Druck

Den neuen Gegen­wind von Amazon dürften neben etablierten Bran­chen­größen auch deut­sche Mitbe­werber wie die ProSiebenSat.1-Tochter Joyn spüren. Dort bietet man zwar auch ein AVoD-Modell an, dieses ist jedoch in weiten Stre­cken bislang eher eine Zweit­ver­wer­tung von TV-Content aus dem linearen Programm der Sender­gruppe. Zudem handelt es sich auch nicht um einen reinen AVoD-Dienst, sondern ein kombi­niertes Modell mit kosten­pflich­tiger SVoD-Option.

Nun aber stehen beide Geschäfts­modelle unter Druck: SVoD-Dienste können nicht weiter beliebig die Preise erhöhen, wenn es Premium-Content beim Wett­bewerb gegen Werbung gratis gibt. Und AVoD-Dienste wie Pluto TV oder Joyn werden vor allem bei Inhalten quali­tativ nach­legen müssen, wenn sie nicht von Amazon verdrängt werden wollen. Diese Entwick­lung könnte das gesamte Geschäfts­modell der Branche noch­mals umkrem­peln.

Ist die Entwick­lung finan­zierbar?

Wirt­schaft­lich gesehen wäre ein Premium-Streamer auf dem Level von Netflix wohl nur schwer allein durch Werbung finan­zierbar. Amazon verfügt aber im Gegen­satz zum Wett­bewerb über ganz andere Möglich­keiten zur Quer­sub­ven­tio­nie­rung seiner Dienste. Auch mit Prime Video muss Amazon kein Geld verdienen, der Versand­händler versteht diesen Service eher als "Bonbon" bzw. Zugabe, um seine Prime-Versand-Flat­rate für poten­zielle Kunden attrak­tiver zu gestalten.

Dass nunmehr durch Freevee eine riesige Preis­sen­kungs­welle bei Strea­ming-Diensten ins Haus steht, erscheint also zumin­dest kurz­fristig eher unwahr­schein­lich. Vorstellbar wäre aber auf jeden Fall, dass bestehende Mitbe­werber für das eine oder andere "Leucht­turm-Projekt" mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Shows oder günstig vom Fließ­band produ­zierte Inhalte werden auf jeden Fall in Zukunft als Allein­stel­lungs­merkmal nicht mehr reichen.

"Freevee": Kosten­loser Strea­ming-Dienst von Amazon.

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