"Woke"-Vorwürfe

Zu "woke"? US-Medienkonzerne reagieren auf Kritik

Nicht erst durch Elon Musk wurden Vorwürfe laut, dass sich die US-Unter­hal­tungs­indus­trie zum Sprach­rohr von Zeit­geist und "Woke"-Bewe­gung entwi­ckelt habe. Die Kritik ist offenbar vor allem bei Netflix und Warner ange­kommen.
Von Björn König

In der US-Traumfabrik ist die politische Debatte um Wokeness voll im Gang. In der US-Traumfabrik ist die politische Debatte um "Wokeness" voll im Gang.
picture alliance/dpa/EPA
Come­dian David Chapelle machte in seiner Show Witze auf Kosten der Trans-Commu­nity. Das löste in der Netflix-Zentrale unter Mitar­bei­tern schnell kontro­verse Debatten aus. Doch wer nun etwa erwartet hätte, dass Chapelles Auftritt herbe Konse­quenzen nach sich zieht, wurde eines Besseren belehrt. Das Netflix-Manage­ment stellte direkt und unmiss­ver­ständ­lich klar: Wenn Mitar­bei­tern Inhalte nicht passen, können sie sich direkt einen neuen Job suchen. Eine über­raschend eindeu­tige Ansage von einem Strea­ming-Dienst, welchem in der Vergan­gen­heit von promi­nenten Persön­lich­keiten wie Elon Musk vorge­worfen wurde, zu "woke" zu sein.

Kritik an Holly­wood

In der US-Traumfabrik ist die politische Debatte um Wokeness voll im Gang. In der US-Traumfabrik ist die politische Debatte um "Wokeness" voll im Gang.
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Netflix ist kein Einzel­fall. Die Debatte um den poli­tischen Zeit­geist ist in den US-Studios mitt­ler­weile voll im Gange, sogar CEOs nehmen dazu Stel­lung. Ein weiteres Beispiel ist Warner Bros. Disco­very, dessen Konzern­chef David Zaslav gilt ähnlich wie Musk in Holly­wood als "Anti Woke CEO". So will er vor allem beim Warner Bros. Disco­very-Nach­rich­ten­sender CNN wieder für ein ausge­gli­che­neres Meinungs­bild sorgen. Das Network stand seit langer Zeit in der Kritik, poli­tische Posi­tionen aus dem links­libe­ralen Lager zu vertreten.

Auch Disney-Chef Bob Chapek bläst in Florida scharfer Gegen­wind vom repu­bli­kani­schen Gouver­neur Ron DeSantis ins Gesicht. So drohte der Poli­tiker Disney bereits mit dem Entzug seiner Selbst­ver­wal­tungs­rechte für den Vergnü­gungs­park Disney World wie auch mit der Strei­chung steu­erli­cher Vorteile. Der Mickey-Mouse-Konzern steht ganz beson­ders in der Kritik, weil er mitt­ler­weile selbst eigene klas­sische Trick­filme mit Warnungen versieht, dass Inhalte aus heutiger Perspek­tive nicht mehr poli­tisch korrekten Maßstäben entsprä­chen.

Entwick­lung in Deutsch­land

In Deutsch­land gibt es keine vergleichbar großen Medi­enkon­zerne wie in den USA, dennoch läuft die Debatte über "Woke­ness" im Unter­hal­tungs­pro­gramm hier­zulande glei­cher­maßen, wenn auch in klei­nerem Maßstab. Vor allem öffent­lich-recht­liche Fern­seh­sender werden stets mit dem Vorwurf konfron­tiert, Seri­enpro­duk­tionen wie Tatort & Co. als Beiboot poli­tischer Botschaften zu miss­brau­chen. Das Thema war kürz­lich ebenso Gegen­stand eines Inter­views mit Tatort-Regis­seur Tom Bohn in der "Neuen Zürcher Zeitung".

Dennoch, im Gegen­satz zu den USA bleibt es in Chef­etagen deut­scher Fern­seh­kon­zerne vergleichs­weise ruhig. Ob man zunächst die US-Diskus­sion abwarten will oder sich vor einer klaren eigenen Posi­tion scheut, ist derzeit schwierig einzu­schätzen. Früher oder später werden TV- und Medi­enma­nager aber auch in der euro­päi­schen Enter­tain­ment-Branche Farbe bekennen müssen.

Kommentar: Unter­hal­tung oder Message?

Man darf sich nichts vorma­chen: Poli­tische und gesell­schaft­liche Debatten werden mit zuneh­mender Schärfe geführt. Wer hier als Medi­enkon­zern in den Ring steigt, kann im Prinzip keinen Blumen­topf gewinnen. In poli­tischen Formaten sind kontro­verse Debatten sogar explizit gewünscht, Serien und Filme sollten aber vor allem unter­halten. Wenn weite Teile der Gesell­schaft den Eindruck bekommen, dass selbst ein Krimi am Sams­tag­abend zum Poli­tikum wird, wenden sich noch mehr Zuschauer ab.

Die aktu­elle Debatte in den USA dürfte daher nur der Anfang sein. Was in Holly­wood passiert, färbt erfah­rungs­gemäß mittel- bis lang­fristig auch auf Europa ab. Früher oder später wird man sich in Deutsch­land inten­siver damit ausein­ander­setzen müssen. Es wäre deshalb sinn­voll, wenn sich dazu Produ­zenten, Autoren, Regis­seure und Sender früh­zeitig an einen Tisch setzen.

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