Netflix: Gründe für den Börsenabsturz
Der Kurssturz hat Netflix kalt erwischt
dpa
Irgendwann musste es passieren. Viele Branchenbeobachter dürften sich in ihrer Auffassung bestätigt sehen, dass der Absturz von Netflix nur eine Frage der Zeit war. Tatsächlich ist an dieser These etwas dran, denn beim Branchenprimus aus Los Gatos reiht sich ein Fehler an den anderen. Auch deshalb, weil man sich vom eigentlichen Konzept und den Wurzeln des Streaming-Dienstes schon längst verabschiedet hat. Und das, obwohl es in der aktuellen Wettbewerbssituation sogar in eine völlig andere Richtung gehen müsste.
Masse statt Klasse
Der Kurssturz hat Netflix kalt erwischt
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Was ist der ursprüngliche Grundgedanke, warum Zuschauer überhaupt ein Streaming-Abo abschließen? Vor allem geht es um qualitativ hochwertige Serien und Filme, im Idealfall ohne Werbeunterbrechung. Genau das bekam man in der Anfangsphase von Netflix. Los ging es damals unter anderem mit dem in Ungnade gefallenen Kevin Spacey und "House of Cards". Oder das Frauenknast-Epos "Orange Is The New Black". Das waren Serien, über die man am nächsten Tag mit Kollegen im Büro sprach.
Tatsächlich produzierte Netflix auch weiterhin teure Serien, man denke beispielsweise an "The Crown", welche ebenfalls Millionenbeträge pro Folge verschluckte. Wer jedoch heute durch den Netflix-Katalog blättert, dürfte sich in vielen Fällen langweilen. Inhalte und Protagonisten werden zunehmend austauschbar, die Stories wirken oft lieblos erzählt. So manche Serie schafft es deshalb noch nicht einmal in die zweite oder dritte Staffel.
Content wird zum Politikum
Frank Underwood repräsentierte in "House Of Cards" einen ganz und gar nicht lupenreinen Demokraten. Tatsächlich fasst Spaceys Charakter in der Serie all das zusammen, was man heute landläufig als politisch inkorrekt bezeichnet. Netflix vermeidet es mittlerweile fast schon wie der Teufel das Weihwasser, mit Inhalten gesellschaftlich anzuecken oder auch nur geringfügig vom Zeitgeist abzuweichen.
Inhalte wirken "glattgebügelt", gleichzeitig möchte man sich vor allem im ohnehin schon sehr liberalen Hollywood als Vordenker präsentieren. Würde Netflix eine Sitcom wie "Eine schrecklich nette Familie" heute noch in den Katalog aufnehmen? Schließlich geht es in der Show um einen abgehalfterten Schuhverkäufer, der sich quasi im Minutentakt über adipöse Frauen lustig macht. Was noch vor einigen Jahren bei ProSieben im Nachmittagsprogramm lief, käme heute bei Netflix mindestens mit einem Warnhinweis und Einordnung daher. Sogar Elon Musk kritisierte den Streaming-Dienst in deutlichen Worten als aus seiner Sicht zu "woke".
Ungerechtfertigte Preiserhöhungen
Während man über die ersten beiden Punkte noch streiten könnte, hört spätestens beim Geld die Freundschaft auf. Netflix läutete in den vergangenen Jahren eine Preiserhöhungsrunde nach der anderen ein. Mittlerweile kratzt der Streaming-Dienst an der 20-Euro-Marke. Selbst das wäre noch akzeptabel, wenn es denn dafür wenigstens besonders hochwertigen Content in entsprechender technischer Qualität gäbe.
Tatsächlich aber ist das Gegenteil der Fall: So gingen nicht nur attraktive Lizenzinhalte zurück an Disney und Paramount, zusätzlich zahlen Abonnenten bei Netflix für "Selbstverständlichkeiten" wie UHD einen deftigen Aufpreis. Zum Vergleich: 4K-Content ist bei Amazon Prime Video bereits auf mehreren Geräten für unter acht Euro verfügbar. Dafür gibt es bei Netflix gerade einmal SD-Auflösung. Doch wer will schon für Massenware und verschwommenes Bild einen Aufpreis zahlen?