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Netflix: Gründe für den Börsenabsturz

Die Netflix-Bilanz gleicht einem Blick in den Abgrund. Beim Strea­ming-Primus aus Los Gatos ist die Krise offen­sicht­licher als je zuvor. Dabei sind viele Probleme schlicht haus­gemacht.
Von Björn König

Netflix Der Kurssturz hat Netflix kalt erwischt
dpa
Irgend­wann musste es passieren. Viele Bran­chen­beob­achter dürften sich in ihrer Auffas­sung bestä­tigt sehen, dass der Absturz von Netflix nur eine Frage der Zeit war. Tatsäch­lich ist an dieser These etwas dran, denn beim Bran­chen­primus aus Los Gatos reiht sich ein Fehler an den anderen. Auch deshalb, weil man sich vom eigent­lichen Konzept und den Wurzeln des Strea­ming-Dienstes schon längst verab­schiedet hat. Und das, obwohl es in der aktu­ellen Wett­bewerbs­situa­tion sogar in eine völlig andere Rich­tung gehen müsste.

Masse statt Klasse

Netflix Der Kurssturz hat Netflix kalt erwischt
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Was ist der ursprüng­liche Grund­gedanke, warum Zuschauer über­haupt ein Strea­ming-Abo abschließen? Vor allem geht es um quali­tativ hoch­wer­tige Serien und Filme, im Ideal­fall ohne Werbe­unter­bre­chung. Genau das bekam man in der Anfangs­phase von Netflix. Los ging es damals unter anderem mit dem in Ungnade gefal­lenen Kevin Spacey und "House of Cards". Oder das Frau­enknast-Epos "Orange Is The New Black". Das waren Serien, über die man am nächsten Tag mit Kollegen im Büro sprach.

Tatsäch­lich produ­zierte Netflix auch weiterhin teure Serien, man denke beispiels­weise an "The Crown", welche eben­falls Millio­nen­beträge pro Folge verschluckte. Wer jedoch heute durch den Netflix-Katalog blät­tert, dürfte sich in vielen Fällen lang­weilen. Inhalte und Prot­ago­nisten werden zuneh­mend austauschbar, die Stories wirken oft lieblos erzählt. So manche Serie schafft es deshalb noch nicht einmal in die zweite oder dritte Staffel.

Content wird zum Poli­tikum

Frank Under­wood reprä­sen­tierte in "House Of Cards" einen ganz und gar nicht lupen­reinen Demo­kraten. Tatsäch­lich fasst Spaceys Charakter in der Serie all das zusammen, was man heute land­läufig als poli­tisch inkor­rekt bezeichnet. Netflix vermeidet es mitt­ler­weile fast schon wie der Teufel das Weih­wasser, mit Inhalten gesell­schaft­lich anzu­ecken oder auch nur gering­fügig vom Zeit­geist abzu­wei­chen.

Inhalte wirken "glatt­gebü­gelt", gleich­zeitig möchte man sich vor allem im ohnehin schon sehr libe­ralen Holly­wood als Vordenker präsen­tieren. Würde Netflix eine Sitcom wie "Eine schreck­lich nette Familie" heute noch in den Katalog aufnehmen? Schließ­lich geht es in der Show um einen abge­half­terten Schuh­ver­käufer, der sich quasi im Minu­ten­takt über adipöse Frauen lustig macht. Was noch vor einigen Jahren bei ProSieben im Nach­mit­tags­pro­gramm lief, käme heute bei Netflix mindes­tens mit einem Warn­hin­weis und Einord­nung daher. Sogar Elon Musk kriti­sierte den Strea­ming-Dienst in deut­lichen Worten als aus seiner Sicht zu "woke".

Unge­recht­fer­tigte Preis­erhö­hungen

Während man über die ersten beiden Punkte noch streiten könnte, hört spätes­tens beim Geld die Freund­schaft auf. Netflix läutete in den vergan­genen Jahren eine Preis­erhö­hungs­runde nach der anderen ein. Mitt­ler­weile kratzt der Strea­ming-Dienst an der 20-Euro-Marke. Selbst das wäre noch akzep­tabel, wenn es denn dafür wenigs­tens beson­ders hoch­wer­tigen Content in entspre­chender tech­nischer Qualität gäbe.

Tatsäch­lich aber ist das Gegen­teil der Fall: So gingen nicht nur attrak­tive Lizenz­inhalte zurück an Disney und Para­mount, zusätz­lich zahlen Abon­nenten bei Netflix für "Selbst­ver­ständ­lich­keiten" wie UHD einen deftigen Aufpreis. Zum Vergleich: 4K-Content ist bei Amazon Prime Video bereits auf mehreren Geräten für unter acht Euro verfügbar. Dafür gibt es bei Netflix gerade einmal SD-Auflö­sung. Doch wer will schon für Massen­ware und verschwom­menes Bild einen Aufpreis zahlen?

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