Telekom: "1&1 darf sich gern am Netzaufbau beteiligen"
Die Telekom hat keinen zwingenden Grund, ihr Funkturmgeschäft zu verkaufen. Man würde sich freuen, wenn 1&1 mehr eigene Sender bauen würde.
Foto: Picture Alliance / dpa
Bilanzpressekonferenzen mit Tim Höttges sind für Journalisten immer sehr ergiebig. Es gibt viele interessante Hintergrundinformationen, wenn man genau zuhört. 5G ist ja bekanntlich weltweit ein Thema, speziell in den USA, wo die Telekom, genauer T-Mobile USA, ein hohes Tempo vorlegt, wie wir schon berichtet haben - aber nicht nur da.
5G in den USA, den Niederlanden oder in Polen im Focus
Die Telekom hat keinen zwingenden Grund, ihr Funkturmgeschäft zu verkaufen. Man würde sich freuen, wenn 1&1 mehr eigene Sender bauen würde.
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In den USA wird das 5G-Netz bekanntlich zügig ausgebaut. 75 Prozent der Fläche der USA seien bereits mit 5G (dort auf 600 MHz) versorgt. 800 Städte werden gerade auf 2,5 GHz (ehemalige Frequenzen von Sprint) mit 5G versorgt. Dabei seien Datenraten von 300 MBit/s bis 1 GBit/s zu erwarten. Jede Woche kommen 700 Sendestationen auf 2,5 GHz neu dazu.
In den Niederlanden hat sich die Telekom an einer 5G-Auktion beteiligt und kann jetzt schon 80 Prozent des Landes mit 5G versorgen, bis Jahresende soll das Land "komplett" versorgt sein. In Österreich sollen bis Jahresende 40 Prozent des Landes mit 5G ausgeleuchtet sein. In Polen habe man einen "beachtlichen Start" hingelegt.
Funkturmgesellschaft DFMG verkaufen?
Immer wieder taucht die Überlegung auf, ob die Telekom ihre Funkturm-Tochter DFMG verkaufen sollte, aber "es ist noch nichts entschieden!". Operativ stehe die DFMG besser als der Wettbewerb da. In Deutschland sei das Funkturmgeschäft (durch den geforderten Netzausbau) ein Wachstumsmarkt.
Denkbar wären derzeit vier Möglichkeiten: Alles bleibe, wie es ist - man verkaufe das Towergeschäft und behalte einen Minderheitsanteil, man bringe die DFMG an die Börse (IPO) oder baue mit einem Partner ein noch größeres Unternehmen für Sendetürme auf. Vorteil sei, dass dieser Markt nicht reguliert ist. Über konkrete M&A (= Merger and Aquisitions, also der Kauf und der Zusammenschluss von zwei Unternehmen) wolle man erst sprechen, wenn sie passiert seien.
Keine drückenden Schulden
Viele Tower-Deals anderer Netzbetreiber waren als Entschuldungsnotwendigkeit passiert. Unternehmen wie Vodafone (in Indien) oder Telefónica (in Südamerika) hätten viel Geld verbraucht und seien in einer schwierigen Lage mit hohem Leverage (=Verschuldungsgrad) geraden. Die Telekom muss keine Assets (Netze, Gebäude, Grundstücke oder andere werthaltige Unternehmensteile) verkaufen, um die Entschuldung zu verbessern. "Wir schauen nach Optionen mit Mehrwert für Aktionäre", so Finanzchef Illek.
Hat Schweizer Sunrise-Kauf durch Liberty Auswirkungen hierzulande?
Mit Interesse hat man in Bonn die aktuelle Entwicklung in der Schweiz verfolgt, wo nach dem gescheiterten Kaufversuch von UPC (Kabel-TV) durch Sunrise nun die UPC-Mutter Liberty Global den Netzbetreiber Sunrise kaufen will. Ob das einen Strategieschwenk von Liberty Global ankündige und wie sich das auf andere Länder in Europa auswirke, dafür sei es noch zu früh.
Wird Corona die Zahl der Anbieter reduzieren?
teltarif.de wollte wissen, ob es denkbar wäre, dass ein Netzbetreiber in Deutschland oder Europa aufgrund der Corona-Krise sein Geschäft einstellen muss oder verkauft. Das sieht man im Telekom-Vorstand nicht. Eher sei vorstellbar, dass vielleicht ein Reseller seine Aktivitäten einstellen könne.
Pladoyer für digitales Europa
Höttges ergriff die Gelegenheit, die Vorstellungen eines digitalen Europas von einer Position mit Relevanz gegenüber China und den USA zu erläutern. "Wenn wir im globalen Wettbewerb mitspielen wollen, brauchen wir einen Digitalen Single Market in Europa." In den USA sei die Zahl der Mobilfunkanbieter für 330 Millionen Menschen von 4 auf 3 gesunken. In Europa habe jedes kleine Land 3 oder 4 Netzbetreiber plus "weitere unendlich viele" Service-Provider (ohne eigenes Netz). In Europa mache ein Mobilfunkkunde gerade mal die Hälfte des Umsatzes gegenüber USA oder Asien. Gute Konsumentenpreise sorgten im Gegenzug für einen Rückfall bei Investitionen in die Infrastruktur. Dabei sehe man durchaus eine europäische Marktkonsolidierung. Die 27 Länder sollten sich besser positionieren, denn Größe erlaubt Standards.
Wie geht es mit Netz von 1&1 weiter?
1&1-Chef Ralph Dommermuth hatte sich über die Verzögerungstaktik der Netzbetreiber bei der Frage des "National Roaming" beschwert. Höttges sieht die Verhandlungen hingegen ganz nüchtern: "Er kann sich jederzeit am Ausbau beteiligen. Wir haben vereinbart, dass jeder Anbieter 2000 Antennen im ländlichen Raum errichten soll, die wir miteinander teilen können. Würde 1&1 das auch tun, könnten wir so schon 8000 Stationen im ländlichen Raum bekommen. Doch 1&1 habe klar zu verstehen gegeben, das sei "wirtschaftlich nicht interessant. Dabei ist 1&1 perspektivisch ein Netzbetreiber, er sollte auch ein eigenes Netz aufbauen."
Dem Vorwurf, die Telekom würde sich Gesprächen widersetzen, widersprach Höttges. Er erwarte die Bereitschaft, Geld in die Hand zu nehmen, um Infrastruktur zu errichten. Ein Abkommen ist "eine kommerzielle Vereinbarung. Da muss man eine bilaterale Vereinbarung treffen, nicht nur jammern." Höttges wünscht sich, dass 1&1-Chef-Dommermuth dazu bereit sei, Infrastruktur aufzubauen und nicht allein auf das "National Roaming hofft".
Und es gibt bereits intensive Gespräche zwischen der Telekom-Sendeturm-Tochter DFMG und 1&1 wegen einer möglichen späteren Miete von Standorten. "Wir können Standorte teilen, es gibt Möglichkeiten mit uns zu sprechen. Wir verzögern nichts, wir sind zu Gesprächen bereit und führen sie auch."
Deutschland ist Weltmeister?
Deutschland, so Höttges weiter, Weltmeister im Genehmigungsverfahren für Mobilfunkantennen, die 2 Jahre brauchen. "Wir wollen 5G an jeder Milchkanne und in jedem Landkreis eine Diskussion." Die Idee eines Ausbaubeschleunigungsgesetzes findet er gut.
Forderungen an die Politik
Der Glasfaserausbau sei schwieriger zu lösen. Neben internen Hausaufgaben der Telekom, müsse die Politik Ausbauerleichterungen schaffen. Das "Trenching ist viel zu kompliziert definiert." Wenn Gas, Wasser oder Strom verlegt werden, warum kommt da nicht automatisch auch ein Leerrohr dazu? Wir brauchen digitalere, schnellere Genehmigungsverfahren."
Höttges plädierte für den Wegfall des Nebenkostenprivilegs (Hausbesitzer können Mieter zwingen, einen Kabelanschluss zu bezahlen, auch wenn die Mieter ihn nicht nutzen wollen) im neuen TKG. Der blockiere in 25 Prozent der Haushalte den Wettbewerb. Dabei seien Monopole entstanden, die bessere Angebote und günstigere Preise verhinderten.
Ferner müsse Investitionssicherheit auf sehr lange Zeiträume geben, weil sich diese Technik erst nach 20 Jahren amortisiere. Dazu gehörten "klare Regeln für Wechsel von Kupfer auf Glasfaser" und weniger Regulierung helfe mehr. Die Politik solle den Investoren mehr Sicherheit geben. Weniger regulatorische Eingriffe wären eine gute Industrie. Das fordere er für die gesamte Industrie.
Was passiert mit chinesischen Lieferanten?
Höttges sieht zwei Felder. Das Politische: "Macht es Sinn, einen Anbieter auszuschließen?" und die technologische Entscheidung, welche die Telekom als Unternehmen treffe. Das Papier der Bundesnetzagentur sei eine bewusste Entscheidung, keinen Anbieter explizit auszuschließen. Die Sicherheitskriterien sollten verstärkt werden. Höttges schlug vor, in das IT-Sicherheits- und das Telekommunikationsgesetz hineinzuschreiben, dass zwingend die Zugangstechnik nach dem Open-RAN-Standard erforderlich wird.
Technologisch sieht die Telekom das unabhängig von der politischen Seite. "Wir achten darauf, dass keine Abhängigkeit von einem Ausrüster jemals entsteht. Wir sind von keinem Ausrüster abhängig. Wir haben für alle Techniken alternative Anbieter. Wir kaufen 35 Prozent in den USA, 25 Prozent in Asien, 25 Prozent in der EU und den Rest im Rest der Welt."
Keine Chinesen im Kernnetz
Wie schon bekannt, nutzt die Telekom im Core-Netz (Kernnetz), wo Aggregation der Verbindungen stattfindet, keine chinesischen Lieferanten. "Wir haben sehr stark amerikanische Komponenten verbaut." Im Access-Netz (also Antennen, Baugruppen für analoge Signale, für 2G, 3G, 4G, 5G) will die Telekom stärker unabhängig werden, durch die Verpflichtung zum Open-RAN-Protokoll. "Wir arbeiten in einem großes Konsortium daran und wollen so größere Unabhängigkeit erzielen."