Einblicke

Telekom: Ankerband-Problem bei 5G soll gelöst werden

Beim Netzetag der Telekom gab Technik- und Inno­vations-Vorständin Claudia Nemat einen Über­blick und Ausblick zur aktu­ellen Netz­situa­tion bei 5G und im Fest­netz. Die IP-Umstel­lung ist voll­endet.
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Claudia Nemat hat (theoretische) Physik studiert und ist im Vorstand für Technik (Netze) und Innovation zuständig. Claudia Nemat hat (theoretische) Physik studiert und ist im Vorstand für Technik (Netze) und Innovation zuständig.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Wenn von den leitenden Personen der Telekom die Rede ist, lesen wir meis­tens über den Vorstands­vor­sit­zenden Tim Höttges oder aktuell über den neuen Deutsch­land Chef Srini Gopalan. Dabei ist Claudia Nemat seit 2011 Mitglied des Vorstandes der Deut­schen Telekom. Bis Ende 2016 leitete sie das Euro­page­schäft und seit Januar 2017 verant­wortet sie das Ressort Tech­nologie und Inno­vation, dazu gehören Netz­werke, IT, Produkte, sowie Infor­mations- und Cyber-Sicher­heit.

Vorständin hat Physik studiert

Frau Nemat hat an der Univer­sität zu Köln Physik studiert und dort am Institut für Mathe­matik und Theo­reti­sche Physik unter­richtet, weiß also durchaus, um was es geht. Bevor sie zur Telekom kam, arbei­tete sie bei der Unter­neh­mens­bera­tung McKinsey, war zuständig für Tech­nologie, und spielte Feuer­wehr­frau bei globalen Kunden aus dem IT-Sektor, inklu­sive Disaster Reco­very bei großen IT-Projekten, wobei sie in verschie­denen Unter­nehmen als Interim-CEO ("Chef auf Zeit") tätig war.

Bei ihrem Referat gelang ihr der Spagat zwischen tech­nisch exakter Beschrei­bung von Produkten und Allge­mein­ver­ständ­lich­keit. Das aktu­elle Thema ist 5G, und das ist für Sie und die Telekom "Gegen­wart und Zukunft zugleich". Nicht jeder kann sich sofort etwas unter diesem Kürzel vorstellen, und so machte Frau Nemat einen Schnell­kurs durch die Mobil­funk­geschichte. Claudia Nemat hat (theoretische) Physik studiert und ist im Vorstand für Technik (Netze) und Innovation zuständig. Claudia Nemat hat (theoretische) Physik studiert und ist im Vorstand für Technik (Netze) und Innovation zuständig.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de

Kleine Gene­ratio­nen­kunde

5G steht für die 5. Gene­ration des Mobil­funks. Ange­fangen hat es (digital) mit 2G, (bekannt als GSM) für Sprache und Text (SMS). Es folgten 3G = "mobiles Internet für die Hosen­tasche" und 4G (LTE), was erst­malig mobiles Video­strea­ming erlaubte.

Und jetzt 5G: Für Claudia Nemat ist 5G "der Beginn einer nahezu perfekten Verschmel­zung, weil nahezu latenz­frei." Gerade jüngere Nutzer haben bereits einen Avatar und spielen gern am Computer, da kommt es auf mini­malste Reak­tions­zeiten, auch Latenz genannt, an.

5G erreicht über Zwei­drittel der Bevöl­kerung

Stand September versorge die Deut­sche Telekom bereits Zwei­drittel der Bevöl­kerung mit 5G. Heute werden 13 Städte in Deutsch­land mit "5G Hispeed" versorgt, darunter versteht man die Frequenz 3,6 GHz, wo die oft zitierten Geschwin­dig­keiten von bis zu 1 Gigabit/Sekunde (und sogar leicht darüber) wirk­lich möglich sind. Bis Jahres­ende sollen es in Deutsch­land 20 Städte mit "bis zu 1 Gigabit/Sekunde auf 3,6 GHz mit Massive Mimo" werden.

Anhand einer aufge­schraubten Demo-Antenne erklärt Frau Nemat die Funk­tion der 8x8 runden Metall­plätt­chen, die jede eine Sende und Empfangs­antenne für "Mimo" darstellen. Dieses Kürzel steht für Multiple Input Multiple Output und erlaubt es, die Antennen elek­trisch zu "bewegen", damit sich die Antennen auf den Nutzer ausrichten, man spricht von "Beam­forming".

Augmented und Virtual Reality

Diese Antennen sind somit ideal für kurz­fris­tige daten­inten­sive Daten­anwen­dungen, wie sie bei Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) gebraucht werden.

Bei Augmented Reality werden echte Bilder mit Infor­mationen aus dem Netz ange­rei­chert. Der Nutzer foto­gra­fiert eine Kirche und erfährt aus dem Netz, wie alt sie ist, wann sie von welchem Archi­tekten gebaut wurde oder wann die nächste Führung beginnt.

Bei Virtual Reality wird im Cloud-Computer eine künst­liche Welt erschaffen, in der sich der Nutzer bewegen kann. Da dafür sehr große Rechen­leis­tungen gebraucht werden, wäre das Handy damit über­for­dert, also wird im Netz (der Cloud) gerechnet, dem Nutzer das Ergebnis über­mit­telt und vom Nutzer die Reak­tion und Inter­aktion abge­fragt. Dafür braucht es maximal schnelle Netze.

45 000 Antennen senden 5G-Signale

Neben der Frequenz 3,6 GHz wird auch mit 5G-DSS auf 2,1 GHz gear­beitet, aktuell sind in Deutsch­land bereits 45 000 Antennen auf diese Technik umge­rüstet, was die Kombi­nation von 4G und 5G erlaubt. Die schnelle Aufrüs­tung auf 5G-DSS habe die Perfor­mance des Netzes verbes­sert und die Abde­ckung speziell im länd­lichen Raum verdop­pelt, freut sich Nemat.

Auf der Kunden­seite gibt es bei 5G im Moment das Problem, dass nicht alle als "5G-fähig" vermark­teten Geräte alle Band­kom­bina­tionen "verstehen" oder beherr­schen. Das hatte bei einigen Early Adop­ters für Frust und Enttäu­schung gesorgt.

Das Problem ist Frau Nemat durchaus bewusst. "Wir haben aktuell etwa 30 5G-fähige Geräte im Port­folio" und ja, die passenden Anker­bänder werden (netz­seitig wo immer möglich) nach­gerüstet. Für die Zukunft ist sicher: "Immer mehr Handys werden immer mehr Anker­bänder können. Wir sind unge­duldig. Und wir sind mit 5G sehr früh unter­wegs."

5G-Repeater verbes­sert Inhouse-Versor­gung deut­lich

Der mit SK-Telecom (Korea) entwickelte 5G/4G-Repeater empfängt 5G,  (auf dem Tisch liegt die Planar-Antenne) und versorgt indoor mit 4G. Der mit SK-Telecom (Korea) entwickelte 5G/4G-Repeater empfängt 5G, (auf dem Tisch liegt die Planar-Antenne) und versorgt indoor mit 4G.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Wer viel­leicht noch zwei­felt, wofür 5G sinn­voll nutzbar sein könnte: Die Telekom hat gemeinsam mit der korea­nischen SK-Telecom einen Repeater entwi­ckelt, der 4G/5G-Signale über eine Außen­antenne auffängt und dann als 4G/5G-Signal im Haus verteilt. Damit wird sich auch in funk­tech­nischen "dichten" Gebäuden die Versor­gung spürbar verbes­sern. Solche Repeater könnten beispiels­weise für Restau­rants und kleine Geschäfte eine inter­essante Anschaf­fung sein.

Derzeit läuft die Beta-Test­phase mit ausge­wählten Kunden. Die berichten im Netz vom "über­zeu­gendsten Produkt seit langem". Damit dieser Repeater-Router optimal läuft, sind aller­dings umfang­reiche Instal­lati­ons­arbeiten (einschließ­lich einem Loch in der Außen­wand für das Anten­nen­kabel) erfor­der­lich.

Noch muss 5G von einem Hersteller kommen: Open-RAN löst das Problem

Nemat machte darauf aufmerksam, das bei 5G im Augen­blick alles von einem Hersteller kommen muss, inklu­sive dem 4G-Unterbau, der bei 5G-NSA (NSA = nicht allein­ste­hend) gebraucht wird. Dieses Problem soll die Open-RAN-Initia­tive lösen. Durch indus­trie­weite Normie­rung sollen zwischen den Baugruppen Schnitt­stellen defi­niert werden.

Aktuell ist S-RAN im Einsatz, was für Single RAN steht. Das den Vorteil "S-RAN ist sehr perfor­mant", weil die Basis per Soft­ware zwischen 2G, 3G, 4G und 5G umschalten und verschie­dene Modi auch parallel fahren kann.

Bei Open RAN soll es um einen (neuen) offenen Indus­trie­stan­dard gehen, was den Vorteil hat, künftig verschie­dene Hersteller, nehmen zu können, von denen einige noch gar nicht so groß bekannt sind.

"Bei Open Ran geht um einen Indus­trie­stan­dard und nicht, wer bei 5G die Nase vorne hat", ist Frau Nemat wichtig. In Berlin hat die Telekom ein Labor für Open Networks einge­richtet, wo die verschie­denen Funk­module (Radio - Base Unit) auf Inter­ope­rabi­lität (passen sie zu Modulen anderer Hersteller und funk­tio­nieren mit ihnen) unter dem Stich­wort "Open Front­haul" (sinn­gemäß offene Nutzer-Schnitt­stelle) laufen werden.

Bei der O-RAN (Open-RAN) Commu­nity arbeitet die Telekom eng mit ihren fran­zösi­schen Kollegen von Orange (vormals France Telecom) zusammen, 18 Hersteller sind mit dabei, beispiels­weise Altran, Fujitsu, Rhode & Schwarz und viele andere.

Nächstes Jahr soll die Stadt Neubran­den­burg zu ersten "O-RAN-Town" umge­rüstet werden. Dort werden dann 150 kompa­tible Zellen im Wirk­netz mit 4G/5G auspro­biert, neue Hersteller sind hier Dell, Fujitsu, Mavenir, aber auch der große Ausrüster Nokia ist mit seinem ONAP mit dabei.

Wie bereits berichtet hat das Unikli­nikum in Bonn ein 5G-Campus-Netz bekommen. Dort werden sehr komplexe Pati­enten-Fälle behan­delt, wo zwischen den einzelnen medi­zini­schen Fach­rich­tungen sofort Daten ausge­tauscht werden müssen. Pro Patient gibt es viele Infor­mationen und große Daten­mengen, und die Latenz­zeit zwischen Diagnose und Therapie soll möglichst kurz sein.

Konkret: Noch während ein Kind im MRT liegt, kann der klini­sche Kollege bereits über 5G-Daten­ver­bin­dungen die Bilder gemeinsam mit dem Radio­logen austau­schen. Im Bonner Klinikum ergaben Messungen 1 Gigabit/Sekunde im Down­stream und bis zu 250 Megabit/Sekunde im Upstream.

IP-Trans­for­mation abge­schlossen

Für Nemat es gilt ein Datum zu feiern: "Wir schließen in diesem Jahr die Digi­tali­sie­rung der Netze, die soge­nannte IP-Trans­for­mation ab. Dabei wurden die alten analogen oder ISDN-Telefon-Netze auf IP-Proto­kolle umge­stellt. Damit sei es gelungen, im Kern, "Tonnen alter und energie-inef­fizi­enter Tech­nologie aus dem Netz zu bekommen".

Längst konfi­guriert sich der heimi­sche Router selbst, es müssen keine kryp­tischen Zugangs­daten mehr einge­geben werden.

Peering-Kapa­zitäten aufge­stockt

Wer im Internet viele "entfernte" Seiten aufruft, die bei klei­neren Provi­dern gehostet sind oder wer gerne Radio im Internet hört, kennt das Problem, dass die Streams zeit­weise aussetzen oder Daten auf einmal langsam rüber kommen. Internet-Akti­visten machen dafür die sehr konser­vative bis zurück­hal­tende Peering-Politik der Telekom verant­wort­lich. Diese Kritik ließ Nemat nicht gelten. "Wir haben die Peering­kapa­zitäten bereits beim ersten Shut­down extrem prag­matisch erwei­tert und fehlende Kapa­zitäten aufge­stockt.

Bei Video­kon­ferenzen sind Lizenzen notwendig, auch hier konnten kurz­fristig Lizenzen aufge­stockt werden.

Netze sind stabil

Nemat stellte klar: "Unsere Netze sind stabil. Das ist keine Selbst­ver­ständ­lich­keit." Für die Deut­sche Telekom gab sie ein Verspre­chen ab: Es wird stabile Netze zur Weih­nachts­zeit geben. Sie ist Fami­lien­frau und Mutter von zwei Kindern und weiß genau, auf was es zur Weih­nachts­zeit ankommen wird, speziell in der aktu­ellen Situa­tion.

Beim Netzetag stellte Telekom CEO Tim Höttges die aktu­elle Lage dar, und der neue Deutsch­land Chef Srini Gopalan erklärte seine neue Glas­faser­stra­tegie.

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