Tim Höttges: Jeder Tag ist ein Netzetag
Für Telekom-Chef Tim Höttges ist jeder Tag ein Netzetag.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Zum virtuellen Netzetag hatte die Deutsche Telekom heute nach Bonn, pardon ins Internet eingeladen. Telekom-Chef Tim Höttges, Technik-Vorständin Claudia Nemat und Deutschland-Chef Srini Gopalan gaben einen Überblick und Statusbericht.
Jeder Tag ist ein Netzetag
Eigentlich, so Tim Höttges in einer Begrüßung, sei "jeder Tag Netzetag". Seine Lieblingsmaschine ist eine Trenching-Maschine, die in Gehwege oder Straßen schmale Schlitze fräsen kann, womit sich relativ zügig Glasfaser verlegen lässt.
Höttges hofft, dass die Kunden nicht vereinsamt sind und räumt ein: "Ich bin zurück im Büro. Der direkte Austausch ist besser als im Homeoffice."
Für Telekom-Chef Tim Höttges ist jeder Tag ein Netzetag.
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2020 ein hervorragendes Jahr - trotz aller Widrigkeiten
Trotz aller Widrigkeiten war 2020 ein hervorragendes Jahr, die Telekom sei stark wie noch nie, denn das Ergebnis wurde in der Prognose um 1 Milliarde nach oben korrigiert. "Noch nie hatten wir eine so hohe Zufriedensheitsrate". Gestern spät am Abend erhielt Höttges noch vier Dankesmails von Kunden aus dem Homeoffice.
Schon vor sieben Jahren hatte Höttges angekündigt, "wir werden nicht 3 Milliarden, sondern jedes Jahr über 5 Milliarden investieren". Die Telekom sei nicht nur die Nummer 1 im Mobilfunk, sondern wolle das auch bei Glasfaser werden. Sein neuer Deutschland-Chef Srini Gopalan (auf den wir in einem weiteren Artikel noch eingehen werden), sei sein wichtigster Mann für den Ausbau der Infrastruktur.
Mobilfunk 98,6 Prozent - Problemfall Schiene
Mit Mobilfunk erreiche die Telekom 98,6 Prozent der Bevölkerung, aber ein großes Problem bleibe die Schiene: "Wir sind in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn daran, das zu lösen."
In Höttges rund 20-jähriger Tätigkeit habe er nicht ein Jahr gehabt, wo die Telekom alle Tests gewonnen hat. Höttges las Zitate aus einschlägigen Tests vor, etwa von Connect, über Chip, Computerbild oder der Zeitschrift Smartphone.
"Es gibt drei Mobilfunknetze in Deutschland, und eins davon spielt Champions League" oder einfacher formuliert "Wir sind Bayern München" (des Mobilfunks). Die Telekom sei in 11 von 12 Märkten der Sieger. Die Zeitschrift Connect hatte mit Hilfe des Mess-Unternehmens Umlaut (vormals P3) europäische Anbieter getestet: Die Telekom lag mit 897 Punkten vor Telenor mit 884 und der Telekom-Austria mit 837 Punkte.
Weltweiter Vergleich: Sieger T-Mobile Niederlande
Tim Höttges präsentierte aus dem Telekom-Studio seine Netztechnik und aktuelle Marktlage: "Wir sind führend in Europa"
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
In einem brandneuen Test, so Höttges, habe die Firma Umlaut eine weltweite Rangliste aller Netze weltweit angelegt und das beste Netz weltweit sei T-Mobile in den Niederlanden mit 926 Punkten.
Wäre die Zugversorgung schon besser, läge die deutsche Telekom unter den Top 5 in Europa.
Nummer 1 beim 5G-Ausbau
Die Telekom will bis 2025 in Deutschland 99 Prozent der Bevölkerung mit 5G (5G-DSS und teilweise auch n78) und erreichen.
Grafik: Deutsche Telekom
Höttges zeigte verschiedene 5G-Netzausbaukarten in Deutschland. Die erste zeigt eine komplett weiße Fläche mit den Umrissen der Bundesrepublik Deutschland und dem Aufdruck 1&1. Eine zweite Karte, wenige Punkte hier und da, der aktuelle 5G-Footprint von o2. Bei Vodafone gibt es schon einige Punkte mehr. Höttges vermutet, dass 1&1 mit dem Ausbau in 2021 beginnt. o2 habe jetzt begonnen, Vodafone erreiche etwa 10 Millionen Menschen mit seinem 5G-Netz.
Höttges skizzierte den 5G-Netzausbau seiner Wettbewerber. Da tut sich teilweise noch gar nichts (1&1), wenig (o2) oder ein bisschen was (Vodafone)
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Man sei so Höttges sichtlich stolz mit dem Anspruch gestartet, bei 5G von vorneherein die Nummer 1 zu sein. Er erinnerte nochmal an den "leisen Deal" mit o2, von denen vorzeitig 2100er-Frequenz-Spektrum gekauft worden war. Aktuell erreiche die Telekom 67 Prozent der Bevölkerung mit 5G. und das Ziel ist klar: 99 Prozent bis Ende 2025. Schon heute seien in Deutschland 55 Millionen Menschen mit 5G der Telekom versorgt.
Festnetz: Woran kann ich Glasfaserausbau erkennen?
Höttges wechselte zum Festnetz und demonstrierte verschiedene graue Verteilerkästen am Straßenrand. "Wenn diese Kästen oben Kühlrippen haben, dann ist es Vectoring", verriet Höttges, und wenn es kein Gerippe (keine aktive Kühlung gibt), dann ist es Glasfaser.
Aber: "Alleine schaffen wir das nicht". Das ist nicht gewollt. Die Telekom habe einen Marktanteil von 40 Prozent, und da könne "niemand erwarten, dass wir alleine aufbauen." Höttes wörtlich: "Wir kooperieren mit Unternehmen, die Infrastruktur aufbauen." Man gehe auch zu den Haushalten über Infrastruktur Dritter; es sei nicht gut, Glasfaser überlappend auszubauen. "Wo die Telekom baut, kann jeder zugreifen"; wo andere bauen, möchte die Telekom zugreifen, zu fairen gleichen Preisen.
Erfolgreiche Kooperationen
Höttges nannte Beispiele von Kooperationen etwa mit der EWE, der Netcom Thüringen und die Region Stuttgart als aktuell größtes Projekt zum Glasfaser-Netzausbau. Lobend erwähnte Höttges seinen Wettbewerber Telefónica, mit denen man einen Deal über eine Glasfaser-Kooperation abgeschlossen habe. "Telefónica hat gute Erfahrungen mit konvergenten Projekten - Telefónica ist ein langjähriger guter Partner", so Höttges.
17 000 Schulen könnten sofort viel schneller ins Netz
Schon länger werde über die digitale Bildung diskutiert. "Wie gut sind die Schulen digitalisiert? Wie gut ist die Infrastruktur in den Schulen?" und betonte: "Digital ist nicht nur, ob es da Glasfaser gibt."
Höttges verwies darauf, das jetzt schon 17 000 Schulen (von bundesweit 46 000 Schulen) auf höhere Bandbreite hochgeschaltet werden könnten "ohne große Bauarbeiten", aber die Schulen seien nicht bereit, 5 Euro im Monat mehr zu bezahlen. In einer früheren Aktion der Telekom "Schulen ans Netz" seien viele Schulen damals kostenlos ans Netz gekommen. "Sie könnten heute viel mehr haben", um in einem Einspielfilm den Direktor des Albert Schweitzer Gymnasium in Hürth (bei Köln) zu Wort kommen zu lassen, der seit Jahresanfang digital an eine Glasfaser angebunden ist und die Bedeutung des schnellen Internets plastisch erklärte.
Single-Sign-On für Lehrer und Schüler
Höttges plädierte für ein Single-Sign-On für Schüler und Lehrer und warb für Kollaborations-Tools von Microsoft oder Cisco, welche die Telekom anbieten könne. Doch hier haben die Datenschützer gewaltige Bedenken. Viele Schulen haben sich deshalb für datenschutzkonformere Tools wie beispielsweise Moodle entschieden.
Mehr Schulden für mehr Ausbau
Die Telekom hat ihre Schulden erhöht, um besser ausbauen zu können. Das sei für die Aktie vielleicht gar nicht so gut. "Sicher stünde die Aktie wohl besser, wenn wir weniger investieren", aber und darauf legt er großen Wert: "Wir investieren mehr als der Wettbewerb".
Politik soll Rahmenbedingungen den Realitäten anpassen
Höttges apellierte erneut an die Politik, sich den Realitäten anzupassen. Mehr Infrastruktur werde dann möglich, wenn bessere Rahmenbedingungen gelten, die er in vier Punkte gliederte:
- Ausbau und Beschleunigung
Mit der Trenching-Maschine sei ein 10 mal schnellerer Ausbau möglich. Es würde deutlich weniger Baustellen in den Städten geben, aber "Trenching" entspräche nicht den alten gelernten Standards. Die Gemeinden wollten eine Sicherheit, dass Trenching keinen Schaden verursacht. Aktuell seien erst unter 7 Prozent des Glasfaserausbaus mit Trenching realisiert. Es brauche schnellere Genehmigungsverfahren. Die Planung und Ortsbegehungen seien zeitintensiv, dabei wäre ein voll digitaler Prozess möglich. Zusammen mit dem Fraunhofer Institut hat die Telekom Deutschland mittels eines "Streetview Cars" digital vermessen und kartographiert, d.h. alle in Frage kommenden Informationen wie Lage der Kabelgräben, der Schaltkästen, mögliche Standorte, Verkehrsschilder, Ampeln, Bäume, Zäune und so weiter liegen längst in digitaler Form vor. Die Kommunen müssten das nur nutzen.
- Zugang zu Wohnungen und Kunden
Ein Großteil der Wohnungen sei für die Telekom nicht zugänglich, weil das Monopol ("Nebenkostenprivileg") dem im Wege stehe. 20 Prozent aller Haushalte in Deutschland seien durch die Wohnungswirtschaft "abgeschirmt". Dort gäbe es nur (Koax-)Kabel. Die schnelle Glasfaser komme nicht in die Häuser rein, das sei schlecht für Wettbewerb. Wörtlich: "Das Nebenkostenprivileg aus der Ära Kohl ist nicht mehr zeitgemäß." Auch die europäische Kommission sehe das so.
- Offene Glasfasernetze
"Es gibt Gebiete, die Spaß machen, da wohnen Menschen mit Geld" und "es gibt Gebiete, wo alles zerklüftet ist, wo die Leute kein Geld haben", da baut nur die Deutsche Glasfaser (ein Mitbewerber der Telekom). Höttges wünscht sich Reziprozität: Andere Netze sollen für die Telekom offen sein. Telekom-Netze sind für alle offen. Fair wäre es, andere Netze zu den gleichen Konditionen nutzen zu können, wie sie die Leitungen der Telekom nutzen können. Es dürfe keine lokalen Monopole geben. Eine zweite Glasfaser drüber zu bauen, sei nicht sinnvoll und nur die allerletzte Option. Die Telekom stehe für Gespräche zur Verfügung.
- Förderungausbau
"Förderung muss sein. Es gibt hochgradig unwirtschaftliche Gebiete." Aber die Verbreiterung der Fördergelder berge die Gefahr, dass ländliche Gebiete vernachlässigt werden. Der Markt würde überhitzt. Mehr Fördergeld könnten zu steigenden Preisen führen. Notwendig sei eine "Schritt für Schritt Förderung", wo es aktuell noch gar keine Infrastruktur gibt.
Neben Tim Höttges stellten auch der neue Deutschland-Chef Srini Gopalan und Technik- und Innovations-Vorstand Claudia Nemat ihre Projekte, Ziele und Produkte vor.
Die Telekom hatte schon angekündigt: Bis 2030 soll es Glasfaser für alle geben.