Neue Vorwürfe

Datenmissbrauch: Vorwürfe gegen Telekom-Chef René Obermann

The Phone House hatte laut WiWo unbeschränkten Zugriff auf T-Mobile-Kundendaten
Von Marc Kessler

Geheime Unterlagen der Deutschen Telekom, die der WirtschaftsWoche eigenen Angaben zufolge vorliegen, geben den Datenskandalen der jüngsten Vergangenheit eine Wendung: Sonderabsprachen mit der einst von Telekom-Chef René Obermann gegründeten Ladenkette The Phone House (TPH) werfen Fragen nach der Mitverantwortung des Telekom-Top-Managements auf und legen einen massiven Verstoß der Telekom gegen die Datenschutzbestimmungen im Telekommunikationsgesetz nahe.

Die Hintergründe: In einem Kooperationsvertrag, den die Konzerntochter T-Mobile nach WiWo-Recherchen am 2. August 2007 mit TPH abschloss, besiegelten beide Unternehmen, dass TPH künftig kein selbstständiger Mobilfunk-Anbieter mit eigenen Kunden und Tarifen mehr ist, der das Handynetz der Telekom nutzt. Stattdessen sollte TPH künftig als (Groß-) Händler für T-Mobile arbeiten. In als "streng vertraulich" gekennzeichneten Zusatzvereinbarungen und Nebenabreden räumte T-Mobile dabei TPH einen Sonderstatus ein: Die mit dem Kundenservice betrauten Callcenter von TPH bekamen uneingeschränkten Zugriff auf die gesamte Datenbank von T-Mobile mit allen persönlichen Daten von 16 Millionen Kunden.

BNetzA und Bundesdatenschutzbeauftragter kündigen Untersuchung an

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, dem die WirtschaftsWoche das Vertragswerk vorlegte, will den Fall untersuchen. "Es gibt Klärungsbedarf", sagt Schaar. "Ein unbeschränkter Zugriff auf sämtliche Kundendaten wäre unzulässig. Die Telekom müsste in solchen Fällen den Zugriff auf die tatsächlich zu betreuenden Kunden beschränken." Auch die Bundesnetzagentur, ebenfalls von der WirtschaftsWoche informiert, kündigt nach der ersten Durchsicht der Unterlagen eine intensive Prüfung an. Verdi-Bundesvorstand Lothar Schröder, zugleich stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und Vorsitzender des Datenschutz-Beirats der Telekom, zeigte sich gegenüber der WirtschaftWoche erstaunt. Es stelle sich vor allem die Frage, "von welchen Stellen und aus welchen Gründen die Vorbehalte des Konzerndatenschutzes ausgeschlagen worden sind".

Unterschrieben hat - laut WiWo - die Verträge und Sonderabsprachen mit TPH der ehemalige Deutschland-Chef von T-Mobile, Philipp Humm, der heute Europa-Vorstand von T-Mobile ist. Er setzte sich über Bedenken des Konzerndatenschutzes hinweg, der eine Woche vor der Unterschrift ausdrücklich vor dem Vertragsabschluss warnte: "Die Zugriffsmöglichkeit stellt aus unserer Sicht ein nicht kalkulierbares Risiko dar", heißt es in der Stellungnahme des Konzerndatenschutzes, die der Wirtschaftswoche vorliegt. Der heutige Telekom-Vorstandsvorsitzende Obermann hatte 1986 als Student das Handelsunternehmen ABC Telekom mit Sitz in Münster gegründet, aus dem später The Phone House hervorging. Er war laut Insiderberichten über die Verhandlungen mit seiner Ex-Firma informiert. Der damalige Vertriebsvorstand und heutige Finanzchef Timotheus Höttges nahm zeitweise selber an Gesprächen mit dem TPH-Management und der britischen Muttergesellschaft Carphone Warehouse teil. Ohne Rückendeckung, so Telekom-Manager gegenüber der WirtschaftsWoche, hätte Humm seine Unterschrift nicht unter das hochbrisante Vertragswerk gesetzt. Auch der heutige Datenschutz-Vorstand Manfred Balz ließ damals als Leiter der Rechtsabteilung den Vertrag passieren.

Telekom wehrt sich gegen Anschuldigungen

Die Telekom wies gegenüber der WirtschaftsWoche alle Vorwürfe zurück: "Die namentlich genannten Personen beziehungsweise die höheren Management-Ebenen generell waren nicht mit den Datenschutz-Bedenken befasst", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. "Auf Projektebene fiel nach Abwägung von Chancen und Risiken trotz der von Datenschutz und Rechtsabteilung im Vorfeld geäußerten Bedenken letztlich die Entscheidung zum Abschluss dieses Vertrages." Die Telekom räumt aber ein: "Heute würde unser Haus eine solche Entscheidung alleine im Vertrauen auf das vertragskonforme Verhalten eines externen Vertriebspartners nicht mehr treffen."

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