Geht T-Mobile NL nach Indien?
Update vom 07.09.20:
Mittlerweile ist bekannt geworden, Telekom und Tele2 verkaufen T-Mobile NL für 5,1 Mrd. Euro.
Bisheriger Text:
Mukesh Ambani hat Vodafone das Leben in Indien zur Hölle gemacht. Kommt er jetzt nach Europa und kauft T-Mobile-Niederlande?
Foto: Picture-Alliance / dpa
Wir haben schon mehrfach berichtet, dass die Deutsche Telekom schon länger darüber nachdenkt, sich von ihren Anteilen an T-Mobile in den Niederlande zu trennen.
Aktuell hält die Deutsche Telekom 75 Prozent der Anteile an dem Unternehmen, der Rest gehört der schwedischen Tele2, die ihre Aktivitäten anderswo in Europa stark reduziert hat. Die deutsche Tele2 hatte sich von der Mutter freigekauft und ist unter anderem als Mobilfunkservice-Provider aktiv.
T-Mobile NL nach Indien?
Mukesh Ambani hat Vodafone das Leben in Indien zur Hölle gemacht. Kommt er jetzt nach Europa und kauft T-Mobile-Niederlande?
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Verschiedene Quellen wollen nun erfahren haben, dass der indische Konzern Reliance Industries (RIL) an diesem Anteil von T-Mobile NL interessiert sei, er würde 5,7 Milliarden US-Dollar (ca. 4,8 Milliarden Euro) bieten.
Darüber berichtet aktuell u.a. die indische Zeitung Hindustan Times und der der GSMA nahestehende Nachrichten-Dienst Mobileworld Live hat das aufgegriffen.
Offizielles Angebot in Kürze
RIL werde ein unverbindliches Angebot in Höhe von 5,7 Milliarden US-Dollar unterbreiten, um sich damit eine Mehrheitsbeteiligung an der T-Mobile Netherlands BV zu erwerben, so zwei mit der Entwicklung vertraute Personen.
Das konkrete Angebot solle innerhalb eines Monats unterbreitet werden. "RIL prüft das Geschäft seit mehr als drei Monaten, und die Gespräche sind seither erheblich vorangekommen", beteuerten die Quellen. Der Chef von Reliance Jio, Akash Ambani (Sohn von Mukesh Ambani), kümmere sich persönlich um die Transaktion.
Steinreicher Käufer
Nun ist Indien weit, doch Mukesh Ambani, der Chef und Gründer des Reliance Imperiums, ist einer der reichsten Männer Asiens, der versucht, ein globales Technologieunternehmen aufzubauen, was mit Google und Amazon konkurrieren könnte. Reich wurde Ambani mit Öl und dessen Weiterverarbeitung.
Reliance Jio Incocom größter Anbieter in Indien
Unter Ambanis Führung wurde Reliance Jio Infocomm nach seinem Wiedereinstieg in die Branche im September 2016 zum größten Telekommunikationsanbieter Indiens und macht dort der konkurrierenden Vodafone Indien das Leben mit Tiefstpreisen zur absoluten Hölle. Deswegen musste Vodafone Indien sich mit der Aditya Birla Group zur Vodafone Idea zusammen tun und sehr viel Geld abschreiben, was jetzt in Europa zum weiteren Netzausbau (z.B. in Deutschland) fehlt.
Einstieg in Europa?
Jio möchte sich mit der Übernahme von t-mobile.nl ein Standbein auf dem europäischen Telekommunikationsmarkt schaffen und sein Geschäft diversifizieren.
Erstmalig hatte der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg am 10. August über die geplante Transaktion berichtet. Die Bloomberg-Reporter hatten herausgefunden, dass die Deutsche Telekom etwa 5 Milliarden Euro (5,9 Milliarden US-Dollar) für ihren Anteil haben wollten.
Die Deutsche Telekom war erst 2000 in den Niederlanden eingestiegen und hatte einen Anteil an einem Joint Venture mit Belgacom und Tele Danmark erworben. Das Unternehmen war 2003 in T-Mobile Netherlands umbenannt worden, nachdem die Telekom den Rest der Anteile erworben hatte.
Verkaufsideen seit 2015
Bereits 2015 wurde schon überlegt, T-Mobile NL wieder zu verkaufen, um Geld für Mobilfunkfrequenzen in den USA zu beschaffen. Dann entschied man sich für die Fortführung des Geschäfts. 2019 fusionierte T-Mobile Niederlande mit Tele2 Niederlande, um einen der größten lokalen Anbieter aufzubauen. Tele2 gehören 25 Prozent des Unternehmens, das 5,7 Millionen Kunden hat.
Was macht Jio?
Jio Platforms gehört zur Reliance Industries und kümmert sich um digitale Dienstleistungen, einschließlich der Reliance Jio Infocomm. 2021 verkaufte das Unternehmen einen Anteil von 33,52 Prozent an Jio Platforms an eine Reihe von Finanz- und strategischen Investoren für 1,52 Milliarden Euro. Dazu gehören Google, Facebook, Intel und Qualcomm sowie führende einige globale Finanzinvestoren wie TPG und General Atlantic.
Reliance Jio hat im ersten Quartal seinen Gewinn um 45 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro gesteigert, im Vorjahr waren es "nur" 2,5 Milliarden Euro gewesen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Schon in den vergangenen Jahren tauchten immer wieder indische Investoren in Europa auf und interessierten sich für den Telekommunikationssektor. Ihre Stärke wäre Erfahrungen in IT-Dienstleistungen, die sie zu unschlagbar günstigen Preisen einkaufen und ihren europäischen Filialen zur Verfügung stellen könnten. Durch die gegenüber Europa unglaublich niedrigen Lohnkosten in Indien könnten sie Angebote zu Preisen fahren, von denen viele Kunden hierzulande träumen. Die potenziellen Kunden sollten dann aber schleunigst Englisch lernen, und zwar die auch für geschulte Englisch-Kenner nicht immer leicht verständliche indische Variante. Hotlines in Mitteleuropa sind nämlich "viel zu teuer".
Einstieg in den Einstieg?
Wenn es so kommen sollte: Der Einstieg in den Niederlanden dürfte kein Einzelfall bleiben. Derzeit gehört das Netz von T-Mobile Niederlande zu den besten Netzen in Europa, wie neutrale Testinstitute und Fachzeitschriften ermittelten. Ob das nach einem Kauf durch indische Investoren so bleiben würde, ist schwer zu sagen.
Der Einstieg könnte einen Preisrutsch und Preisdruck auslösen, der nur dazu führen dürfte, dass weitere europäische Qualitäts-Anbieter die Lust verlieren und irgendwann aufgeben. Keine schöne Vorstellung.
Wenn die Deutsche Telekom ein europäischer TK-Konzern sein möchte, so stelle ich mir das eher so vor, dass sie in jedem Land eine Dependance hat. Doch dieses Konzept gilt wohl schon länger nicht mehr. So ist die Telekom beispielsweise aus Albanien wieder ausgestiegen. Und alles, was sich nicht rentiert, steht bei Telekom-Chef Tim Höttges unter dem Motto "Clean the Garage" auf dem Prüfstand.