Rückblick

20 Jahre UMTS: Wegbereiter für mobiles Internet

Vor 20 Jahren freute sich der Bundes­finanzminister: Er bekam etwa 51 Mrd. Euro (100 Mrd. D-Mark) an Lizenz­gebühren aus der UMTS-Verstei­ge­rung. Was hat's gebracht?
Teltarif war von Anfang an dabei. Es berichtet

Damals im Jahr 2000 galt UMTS, die dritte Mobil­funk­ge­nera­tion, als Hoff­nungs­träger für ein neues mobiles Zeit­alter. Von den meisten belä­chelt, wurde in Videos und auf Bildern die heutige Realität vorher­ge­sagt: Mobiles Arbeiten, wo man möchte, sofern es dort Netz gibt. Vernet­zung von Geräten, Maschinen und Menschen - das selbst­ver­ständ­lichste der Welt.

Die dama­lige Euphorie fütterte die Bereit­schaft, unend­lich viel Geld auszu­geben. Gefreut hat sich der dama­lige Finanz­mi­nister Hans Eichel, der UMTS als „Unerwar­tete Mehrein­nahmen zur Tilgung von Staats­schulden“ umin­ter­pre­tierte. Aber: Das 100-Milli­arden-Mark-Rekord­ergebnis im Sommer 2000 hemmte den Netz­ausbau in Deutsch­land über Jahre, denn das Geld dafür war ja schon weg.

Und diese Auktion setzte nicht nur den Start­punkt für das mobile Internet, sondern auch für eine teure, von vielen Teil­neh­mern als folgen­schwer kriti­sierte Frequenz­po­litik in Deutsch­land.

YouTube-Video: Von 2G bis 5G: Eine Zeit­reise

Bei der 2000er-Auktion, in der ein vergleichs­weise kleines Frequenz­paket von kommer­ziell nutz­baren sechsmal 2x10 MHz zu Höchst­preisen unter den Hammer kam, sollte es nicht bleiben. Es folgten weitere teure Auktionen, um das Mobil­funk­spek­trum für das wach­sende Daten­vo­lumen zu erwei­tern. Immerhin erreichten die Verstei­ge­rungen der Frequenzen für LTE in 2010 und 2015 sowie 5G in 2019 nicht die spek­ta­ku­läre Höhe wie im Jahr 2000.

Viel Geld für viel Papier

Insge­samt, so rechnet es beispiels­weise Telefónica Deutsch­land (o2) vor, haben die deut­schen Netz­be­treiber in den vergan­genen 20 Jahren mehr als 65 Milli­arden Euro nur in Lizenzen inves­tiert – mehr als die Netz­be­treiber im glei­chen Zeit­raum in den eigent­li­chen Netz­ausbau inves­tierten. Und bei den Kollegen von der Telekom oder Voda­fone gibt es sicher­lich keinen Wider­spruch.

Eine Studie der Mobil­funk­welt­or­ga­ni­sa­tion GSMA gibt o2 eindeutig Recht: Länder mit hohen Frequenz­kosten verfügen über eine schlech­tere Netz­ver­sor­gung als Länder mit nied­rigen Lizenz­ge­bühren. o2 zieht daraus den Schluss: Hätte das gesamte Geld direkt in die Infra­struktur (Sende­sta­tionen, Netz­technik) fließen können, könnte schon heute in jedem Winkel Deutsch­lands ein Hoch­ge­schwin­dig­keits­netz verfügbar sein. Kritiker fragen sich aller­dings, ob das Geld komplett inves­tiert oder auch in Form von Divi­denden ausbe­zahlt worden wäre.

Verlän­gern statt verstei­gern

Markus Haas, seit 1998 bei VIAG Interkom und heute CEO von o2, kennt den Markt so gut, wie wenige Andere. Er wieder­holt seine Forde­rung : „Es ist drin­gend an der Zeit, in der Frequenz­po­litik neue Wege zu gehen und den flächen­de­ckenden Ausbau der digi­talen Infra­struktur in Deutsch­land mit aller Kraft voran­zu­treiben.“ Und weiter: „Es geht um nichts weniger als die digi­tale Zukunft des Wirt­schafts­stand­orts Deutsch­land. Deshalb sollten wir Bestands­fre­quenzen verlän­gern, statt sie zu verstei­gern.“ Mit dem neuen geplanten TKG könnte sein Wunsch erfüllt werden, viel­leicht.

Die teuren Verstei­ge­rungen erschweren den Netz­ausbau aber nicht nur wegen der Milli­arden, die sie der Branche entziehen. Noch heute lasten die Frequenz­kosten für UMTS in Millio­nen­höhe als jähr­liche Abschrei­bungen auf der Gewinn- und Verlust­rech­nung der betei­ligten Unter­nehmen. Telefónica Deutsch­land (o2) hatte nach der Fusion mit E-Plus zwei UMTS-Lizenzen im Bestand. Im Ergebnis tragen diese Abschrei­bungen zu wieder­holten bilan­zi­ellen Netto­ver­lusten und Verlust­vor­trägen in Milli­ar­den­höhe bei. Erst Ende 2020 werden diese Abschrei­bungen nach Ablauf der Nutzungs­rechte auslaufen.

UMTS als Türöffner für die digi­tale Welt

3G ist out - 4G und 5G übernehmen die Frequenzen 3G ist out - 4G und 5G übernehmen die Frequenzen
Foto: teltarif.de
Hoff­nungen auf Wachstum wurden an UMTS geknüpft. Die Tech­no­logie sollte den Kunden die Tür zu einer völlig neuen digi­talen Welt aufstoßen. Es sollte nicht mehr nur um Tele­fonie, sondern auch um die mobile Inter­net­nut­zung gehen. Dann platzte erst einmal die Inter­net­blase und erst 2004 gab es Geräte und passende Tarife. Kunden trauten sich langsam, von unter­wegs online zu gehen, E-Mails zu versenden oder Fotos zu teilen.

Das machte Mobil­funk endgültig zu einem Massen­markt-Phänomen, das mit dem nächsten Stan­dard 4G (=LTE) den rich­tigen Schub bekam. Wieder hat es gedauert, bis nach der LTE-Auktion im Jahre 2010 das erste 4G-Smart­phone zwei Jahre später in den Handel kam. Der Sprung von 3G zu 4G verstärkte den Kunden­nutzen: Wo es gute und stabile 4G-Versor­gung gab, ließen sich Musik und hoch­auf­lö­sende Videos auf einmal mobil ruck­el­frei streamen. Seitdem schießt die Daten­nut­zung expo­nen­tiell in die Höhe. Lag das mobile Daten­vo­lumen laut Bundes­netz­agentur im Aukti­ons­jahr 2015 noch bei 575 Millionen Giga­byte, betrug es in 2019 bereits rund 2,8 Milli­arden Giga­byte.

Beispiels­weise jeder zweite Privat­kunde in Deutsch­land ist heute im o2-Netz unter­wegs. o2 erhebt daher den Anspruch, die meisten mobilen Daten im Land zu trans­por­tieren: In 2019 waren es rund eine Milli­arde Giga­byte. Oder anders: Je mehr o2 sein Netz ausbaut und verstärkt, desto viel mehr nutzen es die Kunden. Manche Kunden glauben daher fälsch­li­cher­weise, dass o2 gar nichts ausbauen würde.

20 Jahre nach der UMTS-Auktion ist völlig klar: Mobil­funk ist aus dem Alltag nicht mehr wegzu­denken. Es hat sich zur kriti­schen Infra­struktur entwi­ckelt hat. Und das geht auf 3G zurück.

Neue Zeiten­wende: 5G

Heute stehen die Netz­be­treiber erneut vor einer Zeiten­wende. Für o2 beispiels­weise geht es um Inves­ti­tionen von etwas mehr als vier Milli­arden Euro. Das Unter­nehmen möchte dafür die letzten Lücken mit LTE schließen und 5G einzu­führen. Auch die Telekom und Voda­fone haben mit 5G große Pläne und sind längst damit gestartet, während o2 noch darüber nach­denkt, wann und wo es los geht.

Als Geschwin­dig­keit werden bis bei 5G im Moment zu 20 GBit/s und eine Verzö­ge­rungs­zeit von bis hinunter zu einer Milli­se­kunde ange­peilt. 5G soll der Wirt­schaft und Gesell­schaft neue Möglich­keiten bieten. Eine Million Geräte pro Quadrat­ki­lo­meter können mitein­ander verbunden werden. Indus­tri­elle Herstel­lung und Logistik sowie smarte Lösungen für Mobi­lität und Groß­städte sollen mit 5G effi­zi­enter, güns­tiger und nach­hal­tiger werden.

Der Wunsch nach dieser allum­fas­senden Konnek­ti­vität ist groß. Erst­mals kamen erste 5G-Geräte bereits kurz nach der Auktion auf den Markt. UMTS als ursprüng­li­cher Treiber dieser Digi­ta­li­sie­rung wird nun Schritt für Schritt von den leis­tungs­fä­hi­geren Tech­no­lo­gien 4G (LTE) und 5G abge­löst. Telekom, Voda­fone und o2 planen, die bisher für 3G genutzten Frequenzen bis spätes­tens 2022 umzu­widmen, sprich 3G wird dann Stück für Stück ausge­schaltet. Die Kunden müssen ihren Gerä­te­park aktua­li­sieren. Im Gegenzug können sie dann von einem besseren Netz und einem "digi­talen Erlebnis" profi­tieren, das die dama­ligen Erwar­tungen an UMTS bei weitem über­treffen wird.

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