Ausprobiert

Noch ein Tasten-Handy: Unihertz Titan Slim im Hands-on

Wem das Titan Pocket von Unihertz zu klobig erscheint, könnte am Titan Slim Gefallen finden. Ist es ein würdiger Nach­folger für das BlackBerry KeyLE, das keine Soft­ware-Updates mehr bekommt?
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Wir haben uns das Titan Pocket von Unihertz ange­schaut und über­legt, ob es das legen­däre BlackBerry Q10 ersetzen kann. Nicht in allen Fällen ist das quadra­tische Design ideal.

Als letztes offi­zielles BlackBerry Modell wurde 2018 das Key2LE vorge­stellt. Der Soft­ware-Support ist im Oktober 2020 ausge­laufen, der letzte Soft­ware­stand ist Android 8.1.0. Ein "verspro­chenes" Update auf Android 9 erblickte nie das Licht der Öffent­lich­keit.

Wer nach einem Soft­ware Update fragt, bekommt für das BBE100-4, wie das Key2LE offi­ziell heißt, die Version ACT575 als letzten Stand genannt, Android 8.1.0 ("Oreo") mit dem Sicher­heits­patch vom 5. November 2020 und der Kernel-Version 4.4.78-perf+ vom "Wed Nov 11 06:43:08 EST 2020". Damit ist das Key2 LE auf keinen Fall ein "altes Eisen". das Android ist von BlackBerry "gehärtet", was mögliche "Updates auf Schleich­wegen" verhin­dert, sofern BlackBerry nicht einem vertrau­ens­wür­digen Unter­nehmen die "Zugangs­daten" verrät. Danach sieht es aber nicht aus.

Erste Soft­ware besteht auf mindes­tens Android 9

Die Rückseite von Key2LE (rauh, links) und Titan Slim (glatt, rechts) Die Rückseite von Key2LE (rauh, links) und Titan Slim (glatt, rechts)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Längst gibt es auch Soft­ware, wie das in Busi­ness-Kreisen gern genutzte Unter­neh­mens-Kommu­nika­tions-Tool "Slack", das kürz­lich per E-Mail alle Nutzer darauf hinwies, dass von dieser Soft­ware alle Android-Versionen vor 9.0 nicht mehr unter­stützt werden.

Die Kommu­nika­tions­maschine

Zu den Plus­punkten des Original BlackBerry gehört eine Samm­lung von Kommu­nika­tions­pro­grammen, die BlackBerry-Besitzer kostenlos nutzen können, andere Android-Nutzer müssen nach einer Probe­phase etwas Geld dafür inves­tieren. Diese Samm­lung enthält beispiels­weise ein umfang­rei­ches E-Mail/Messa­ging-Programm, mit Kalender, Kontakt­daten­bank und vielem mehr.

Das Key2LE wurde seiner­zeit als Busi­ness Tool entwi­ckelt. Die Multi­media-Gaming-Frak­tion fand schon früh, dass die verbaute Hard­ware zu "schwach" sei und hoffte inständig auf einen leis­tungs­fähi­geren "Key3", der aber nie kam. Auch das Nach­fol­gepro­jekt eines 5G-BlackBerry von "OnwardMobility" erblickte nie das Licht der Öffent­lich­keit. Woran es genau lag, wissen wir nicht.

Key2LE: Ein paar tech­nische Daten

Unihertz Titan Slim

Werfen wir einen Blick auf einige tech­nische Daten: Der interne Spei­cher des unter­suchten Key2 LE ist 64 GB groß und lässt sich mit einer MicroSD-Karte um bis zu 256 GB erwei­tern. Ange­trieben wird das Gerät von einem Qual­comm Snap­dragon 636 Octa-Core Prozessor mit einer Takt­rate von 4 x 1,8 GHz und 4 x 1,6 GHz. Dieser Prozessor wird von 4 GB Arbeits­spei­cher unter­stützt. Der BlackBerry Key2LE "versteht" Mobil­funk­stan­dards 2G (GSM), 3G (UMTS) und 4G (LTE) und kann sogar VoLTE, sofern der eigene Mobil­funk­anbieter das unter­stützt (was heute Stan­dard sein sollte). 5G ist für den Key2LE wie seinen "Nach­folger" jedoch ein abso­lutes Fremd­wort. Von den mögli­chen Frequenzen deckt das Key2LE nicht nur in Europa, sondern auch in USA und China mögliche Frequenzen für 4G/LTE ab.

Das von der Grafik­ein­heit Adreno 509 ange­steu­erte Display hat eine Diago­nale von 11,43 cm (4,5 Zoll) und das IPS-Display löst mit 1080 x 1620 Pixel oder 434 ppi auf. Das Gehäuse hat die Abmes­sungen von 150,3 mm x 71,8 mm x  8,4 mm.

Unten sind zwei Laut­spre­cher­gitter zu sehen, wovon wohl nur eins "echt" ist. Auf der Ober­seite kann ein Kopf­hörer über eine 3,5-mm-Klin­ken­buchse ange­schlossen werden, der im Liefer­umfang dem Gerät beiliegt. Eine UKW-Radio-App nutzt das Kopf­hörer­kabel als Antenne.

Unihertz Titan Slim

Im Titan Slim finden zwei SIM-Karten im Nano-Format Platz, dafür stehen zwei Schubladen zur Verfügung Im Titan Slim finden zwei SIM-Karten im Nano-Format Platz, dafür stehen zwei Schubladen zur Verfügung
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Beim Unihertz Titan Slim ist der Begriff Slim im direkten Vergleich zum Key2LE eher "ironisch" gemeint, denn das "Slim" (englisch für schlank oder dünn) ist mit 146,9 x 67,6 Milli­meter Grund­fläche und einer Dicke von 12,8 Milli­metern schon deut­lich "dicker" als das Original. Das Gewicht von 203 Gramm (mit zwei SIM-Karten) oder 230 Gramm mit der mitge­lie­ferten Schutz­hülle geht in Ordnung. Das Gerät liegt zum Alltags­gebrauch gut in der Hand. Als Sonder­zubehör bietet Unihertz eine Leder­tasche mit Gürtel­clip (etwa 24 Euro) an.

Klares Bedien­kon­zept

Drei Tasten auf der rechten Seite für Laut­stärke und Ein/Aus und eine rote Taste auf der linken Seite (z.B. für die Einschal­tung der LED-Taschen-Lampe) Links gleich zwei sepa­rate SIM-Karten-Slots, die einzeln geöffnet werden müssen, um je eine Nano-SIM-Karte einzu­legen. Der "untere" Slot ist für SIM 1, der "obere" für die zweite SIM-Karte, eine Erwei­terung mit einer Micro-SD-Karte ist nicht vorge­sehen, dafür hat das Gerät ab Werk knapp 256 GB Spei­cher.

Wie das Key2LE versteht das Titan Slim 2G, 3G und 4G (aber kein 5G) und kann auch VoLTE wenn man in den Tiefen der Einstel­lungs­menüs alle Funk­tionen wie "HD Voice" einge­schaltet hat. Dabei trat der Effekt auf, dass mit einer Telekom-SIM-Karte die Funk­tion erst nach einigem Herum­pro­bieren funk­tio­nierte.

Dazu geht man in "Einstel­lungen" auf Einstel­lungen - Netz­werk - erwei­tert (nach unten scrollen) - erwei­terte Anrufe - erwei­terte Anrufe akti­vieren - Advanced Calling - HD Voice Only, dann über den Pfeil oben links verlassen. Beim Tele­fonat muss das 4G-Symbol sichtbar bleiben. Ist VoLTE nicht aktiv, kann es 2-3 Klin­gel­töne dauern, bis das Telefon bei einge­henden Anrufen wirk­lich klin­gelt, weil erst von 4G nach 2G durch­pro­biert werden muss, ob eine Sprach-Verbin­dung möglich ist (Circuit-Swit­ched-Fall-Back - CSFB).

Titan Slim: Unter­schiede zum Titan Pocket im Detail

Das Original BlackBerry Key2LE (links) ist etwas heller und klarer als beim Nachfolger Titan Slim (rechts) Das Original BlackBerry Key2LE (links) ist etwas heller und klarer als beim Nachfolger Titan Slim (rechts)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Die Tastatur kennen wir schon vom Titan Pocket, das quasi die Soft­ware und wohl auch die Hard­ware-Vorlage für das Titan Slim gelie­fert hat. Doch es gibt auch Unter­schiede. Wenn der deut­sche Zeichen­satz einge­stellt ist, liefert die Tasten­folge Alt+Z das aufge­druckte Ausru­fezei­chen, die Tasten­folge ALT+Y das ")"(Klammer-Zu) Zeichen. Dazu immer nach­ein­ander - nicht gemeinsam - tippen. Über eine einge­blen­dete virtu­elle Tastatur könnte man schnell zwischen Zeichen­sätzen (z.B. US QWERTY und DE QWERTZ) wech­seln, sofern man das intern durch Konfi­gura­tion "vorbe­reitet" hat.

Im Inneren des Titan Slim arbeitet, wie beim Titan Pocket, der Helio P70 (MT6771V/CT) SoC-Chip­satz von Mediatek, der 8 Kerne hat. Vier davon takten bis 1,99 GHz (Cortex A53) und vier weitere bis 2,11 GHz (Cortex A73). Ihm stehen 6 GB RAM Spei­cher zur Verfü­gung.

Das "dicke "Smart­phone ist mit einem 4,2 Zoll großen Display ausge­stattet (also minimal kleiner als beim Key2LE) und löst mit 768 x 1280 Pixeln deut­lich schwä­cher als das Key2LE auf. Die Grafik wird vom Mail-G72 (GPU) ange­steuert.

Programme wie der DB-Navi­gator, der beim "Pocket" Probleme machte, funk­tio­nieren mit dem größeren Display des "Slim" wie gewohnt und einwand­frei.

Wer einen Kopf­hörer (nicht im Liefer­umfang) anschließen möchte, wird sich über die fehlende 3,5-mm-Klin­ken­buchse wundern. Im Karton ist aber tief unten ein hand­licher Adapter von USB-C auf Klinke versteckt, der dieses Manko löst. Dann kann auch das einge­baute UKW-FM Radio mit RDS-Anzeige verwendet werden.

Im Alltag ist das Gerät ausrei­chend flott, wenn es darum geht, E-Mails abzu­rufen, zu lesen oder zu beant­worten bzw. Infor­mationen auf Webseiten zu sammeln. Für inten­sive Gamer ist das Gerät sicher­lich nicht gedacht.

Auch die mit 48 MP ange­gebene Kamera ist nicht dafür gedacht, höchst­auf­lösende Titel­bilder für Mode­maga­zine zu schießen. Für Schnapp­schüsse bei Tages­licht ist sie jedoch durchaus ausrei­chend.

Vor dem Texten richtig einstellen

Um einen Kopfhörer anzuschließen, wird ein mitgelieferter USB-C auf Klinke-Adapter benötigt Um einen Kopfhörer anzuschließen, wird ein mitgelieferter USB-C auf Klinke-Adapter benötigt
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Auch beim Titan Slim muss wie schon beim Pocket etwas Einstell­arbeit vorge­nommen werden, bevor die Tastatur ihre Vorteile voll entfalten kann.

  • Einstel­lungen - Apps & Benach­rich­tigungen - erwei­tert - Stan­dard Apps - Stan­dard Apps - "App für digi­talen Assis­tenten" - Option "Keine" auswählen.
  • Einstel­lungen - Bedie­nungs­hilfen - System­steue­rung - Bedie­nung über Gesten auf "Aus" (Schie­beschalter oben) stellen.
  • Einstel­lungen - Sprache und Eingabe - Tasta­turen - Kika Keyboard - Physi­sche Tastatur aws9523-key
  • Einstel­lungen, Intel­ligente Hilfe, weitere Einstel­lungen, Home-Tasten­funk­tion
  • Die virtu­elle Tastatur bzw. die Sonder­zei­chen sollte man einge­schaltet lassen, weil es vieles verein­facht.

Schwach­punkt WLAN

Ein wesent­licher Schwach­punkt des Titan Pocket ist auch beim Titan Slim geblieben: Das WLAN. Mult­iband-WLAN- oder MESH-WLAN mag der Chip­satz irgendwie nicht, was Unihertz offen zugibt. Es kann immer wieder vorkommen, dass die WLAN-Verbin­dung aus heiterem Himmel abreißt. Hat man die Möglich­keit, den eigenen Router z.B. im Gast­zugang auf WPA/WPA2 (2,4 GHz) einzu­stellen, sollte es eini­ger­maßen glatt laufen. Unter­wegs sollte man sich eher auf seinen Mobil­funk­ver­trag mit ausrei­chend Daten­volumen verlassen, als auf unbe­kannte und oft wack­lige WLAN-Netze.

Ein Fazit

Wer noch einen BlackBerry Key2LE sein eigen nennt, sollte sich gut über­legen, ob man sich davon trennen will. Klar, wenn im Alltag benö­tigte Busi­ness-Soft­ware wie z.B. Slack nicht mehr funk­tio­niert, kann ein Wechsel zwin­gend notwendig werden.

Für das Key2LE spricht die gute Verar­bei­tung und das gehär­tete Android. Dagegen spricht, dass es partout keine Updates mehr dafür gibt und damit sind die Tage dieses Tele­fons leider gezählt.

Das Titan Slim ist zwar nicht ganz doppelt so dick, liegt aber trotzdem gut in der Hand. Wie lange es dafür aktu­elle Updates geben wird, ist schwer zu sagen, da der Chip­satz-Hersteller Mediatek hier als "beson­ders zurück­hal­tend" gilt. Wie beim kleinen Bruder Titan Pocket sollte man besser nicht auf Android 12 oder 13 hoffen, wohl aber auf das eine oder andere Google-Android-Sicher­heits­update. Auf 5G zu verzichten ist im Augen­blick noch kein Drama, doch mit zuneh­mender Daten­nut­zung und Netz­ausbau müsste Unihertz so bald als möglich mit einem 5G-Modell nach­ziehen.

Bleibt der abso­lute Plus­punkt: Das Titan Slim ist offenbar derzeit das einzige aktu­elle Smart­phone mit echter Tastatur, da alle anderen Hersteller in dem Glauben "das will doch niemand" einen großen Bogen darum machen.

Wer in einer hoch­sicheren Umge­bung arbeitet, könnte bei einem Smart­phone "direkt aus China" gewisse Bedenken haben, ob es darin irgend­welche verste­cken "Back­doors" gibt oder geben könnte. Mit einem Sicher­heits­pro­gramm wie ESET Secu­rity konnten wir sowohl beim Titan Pocket als auch beim Titan Slim bislang keine Beson­der­heiten entde­cken, was natür­lich keine 100-prozen­tige Sicher­heits­garantie sein kann.

Was wird das Titan-Slim nun kosten?

Während der Kick­starter Kampagne konnte das Titan Slim zu Preisen ab etwa 1800 HK$ (ca. 220 Euro) erstanden werden. Aktuell liegt der Endpreis für "Früh­besteller" aktuell bei 319 Euro (im Menü "Euro Region" auswählen) auf der Webseite des Herstel­lers [Link entfernt] . Die Auslie­ferung soll dann ab dem 15. August erfolgen. Auch bei Amazon dürfte das Gerät bald bestellbar sein. Als regu­lärer Preis werden 329 Euro genannt.

teltarif.de Talk: Das sind aktuelle Blackberry-Alternativen

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