Übersicht

1999: Schmalband-Flatrate und Genion-Start

Stichworte des Jahres: Werbetelefonie, WAP und o.tel.o-Übernahme
Von Thorsten Neuhetzki

Ein Jahr nach dem Start der Konkurrenz-Angebote über 010xy-Vorwahlen (Call by Call) Anfang 1998 reagierte der Platzhirsch Deutsche Telekom mit einer großen Tarifoffensive. Ferngespräche kosteten vom 1. Januar 1999 an tagsüber 24 Pfennig pro Minute, wenn sie von einem ISDN-Anschluss aus geführt wurden. Analogkunden mussten mit 36 Pfennig pro Minute deutlich tiefer in die Tasche greifen. Nach 18 Uhr und am Wochenende sanken die Preise auf 12 Pfennig pro Minute. Für die Wettbewerber im Call-by-Call-Markt stellten die Preise keine echte Gefahr dar. Sie waren zum damaligen Zeitpunkt bereits unterhalb des neuen Telekom-Niveaus. Dennoch überschlugen sich die Anbieter Anfang des Jahres 1999 mit neuen Preisen.

Ungemach drohte den Call-by-Call-Anbietern von anderer Seite. Die Deutsche Telekom wollte die Inkassogebühren für Call by Call erhöhen. In der Praxis hätte das bedeutet, dass alle Anbieter, die ihre Call-by-Call-Verbindungen über die Deutsche Telekom abrechneten - das waren alle, die keine Anmeldung verlangten - mit deutlich höheren Kosten konfrontiert gewesen wären. Vor allem für jene Firmen, die den Kunden pro Monat nur ein oder zwei Gespräche in Rechnung gestellt haben, wäre der neue Inkassovertrag schmerzhaft geworden: Die Telekom wollte ein Minimum von 80 Pfennig pro Kunde und Telefonfirma. Das hätte in der Praxis das Aus für den offenen Call-by-Call-Markt bedeutet.

1999: Jahr der Flatrates für Internet by Call

Das Jahr der Internet-by-Call-Flatrates begann mit dem Aus einer solchen: Das 77-Mark-Angebot von Mobilcom und Tomorrow wurde eingestellt. Es hatte immer wieder Einwahlprobleme gegeben, aufgrund deren sich Mobilcom seinerzeit zu dem Schritt entschloss. Somit mussten die Kunden wieder zu hohen Minutenpreisen ins Internet gehen. Oftmals kamen sogar noch die Kosten für Ortsnetzgespräche hinzu. Einen echten Durchbruch für das Internet gab es dann wieder von Mobilcom. Der Anbieter führte einen Internet-by-Call-Tarif für zunächst 6, dann 5 Pfennig pro Minute ein, T-Online zog nach. Das Internet in den eigenen vier Wänden wurde bezahlbar.

Doch Poweruser blieben unzufrieden, denn schon bei nur einer Stunde Internet pro Tag kam man bei diesem Tarif auf 90 Mark monatliche Kosten. Einen ersten Tarif, der den Nutzern Erlösung versprach, brachte im Sommer naked eye auf den Markt. 100 Stunden für 100 Mark versprach der Tarif - für damalige Verhältnisse ein regelrechtes Discountangebot. Ende des Jahres kamen die ersten Rund-um-die-Uhr-Flatrates für Modem- und ISDN-Nutzer auf. Zunächst waren diese für die meisten noch unbezahlbar. Das erste Angebot des Providers Surf1 für eine Rund-um-die-Uhr-Pauschale lag bei stolzen 399 Mark. Doch die Preise fielen schnell, auch dank der Tatsache, dass immer mehr Anbieter auf den Markt drängten. Ende des Jahres 1999 lag der Preis für eine Rund-um-die-Uhr-Flatrate bei etwa 200 Mark. Um die Kosten für die Kunden zu senken, kamen einige Anbieter auf die Idee, die Flatrates in Tageszeiten einzuteilen. So konnten sich beispielsweise Nutzer, die nur zwischen 21 und 5 Uhr das Internet benötigten, eine entsprechende Pauschale für dieses Zeitfenster buchen.

DSL kommt auf den Markt

Mehr als 64 oder bestenfalls 128 kBit/s Bandbreite war bis 1999 für Privatkunden in aller Regel nicht verfügbar. Das sollte sich jedoch mit einer Technologie ändern, die 1999 das Licht der Welt erblickte: Digital Subscriber Line, kurz DSL. Auf der CeBIT 1999 gab die Telekom ihre ersten T-DSL-Preise für Privatkunden bekannt. Sie bestanden aus ISDN-Standard- und T-DSL-Anschluss und sollten 98 Mark im Monat kosten. Verfügbar waren die Pakte zunächst nur mit einem Zugangstarif von T-Online. 197 Mark Gesamtkosten fielen für Grundgebühr und 50 Freistunden an, 247 Mark mit 100 T-Online-Inklusivstunden.

Viag Interkom startet Genion

Nach seinem Start im Jahr 1998 legte Viag Interkom im Jahr 1999 richtig los: Der Mobilfunkanbieter brachte ein Produkt auf den Markt, das lange Zeit ein Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens blieb: Genion. Damit erhielt der Kunde erstmals einen Bereich zugeteilt, in dem er deutlich günstiger mit dem Handy telefonieren konnte und unter einer Festnetznummer erreichbar war. Einfacher war für die Viag-Kunden ab 1999 zudem, außerhalb des eigenen Viag-Netzes erreichbar zu sein und telefonieren zu können. Zuvor mussten die Kunden durch das Swisscom-Roaming das Handy neu starten und eine andere PIN eingeben. Neu war, dass Viag direkt mit T-Mobil roamte, die Kunden also, sobald kein Viag-Netz verfügbar war, automatisch ins Netz des Wettbewerbers übergeben wurden. Ebenfalls neu in diesem Jahr bei Viag: Die Prepaid-Karte Loop.

Mobile Datenübertragung kommt

"Datenhighway im Mobilfunknetz" titelte teltarif im Sommer 1999. Gemeint war damit aber kein HSDPA oder UMTS, sondern GPRS. Für damalige Verhältnisse war das jedoch schnell. Denn Datenverbindungen fanden bis dahin nur über CSD statt. Das war mit 9,6 kBit/s deutlich langsamer als GPRS mit 53,6 kBit/s. Allerdings musste man nach der Ankündigung noch warten, bis GPRS dann auch nutzbar war. Erst Ende 2000 gab es den ersten GPRS-Regelbetrieb. Datendienste und mobiles Internet wurden mit der Ankündigung von WAP auch für Privatkunden interessanter. Damit werden Internetseiten speziell für das Handydisplay aufbereitet.

Was passierte sonst?

Tk-Statistik Deutschland 1999
Festnetzanschlüsse 40,2 Mio.
Anteil der Festnetzanschlüsse
bei Wettbewerbern
der Deutschen Telekom
0,2 %
Mobilfunk-Anschlüsse 23,5 Mio.
Breitbandanschlüsse 0,0 Mio.
Verbindungsminuten
Mobilfunk pro Tag
47 Mio.
Quellen: teltarif.de, VATM
1999 gab es nur 16 Monate nach der Liberalisierung die erste große Übernahme: Arcor hatte den Konkurrenten o.tel.o gekauft. Zudem begann Arcor als erster nicht-regionaler Anbieter, komplette Telefonanschlüsse für Privatkunden zu schalten. Bislang hatten dies nur Stadtnetzbetreiber getan. Im April wurde die teltarif.de Onlineverlag GmbH gegründet, einen Monat später wurden die heutigen Redaktionsräume in Berlin bezogen. Die Marketing-Abteilung ließ sich in Göttingen nieder. Mobilcom versuchte, seine Vormachtstellung im Call-by-Call-Markt zu halten, indem die erste Minute des Gesprächs kostenlos sein sollte. Überhaupt war "Kostenlos" ein Schlagwort: Viele Anbieter versuchten, ihren Nutzern kostenloses Telefonieren und Surfen zu ermöglichen - finanziert durch Werbung. Erfolg hatten sie damit nicht.