Digitalradio

Warum DAB+ in der Schweiz besser läuft

In der Schweiz kann es für den terrestrischen Radiostandard DAB+ kaum besser laufen: Mehr als jeder zweite Schweizer hört bereits digital. Warum das in Deutschland anders ist, zeigt unser Vergleich zwischen beiden Hörfunkmärkten.
Von

Warum es mit DAB Plus in der Schweiz besser läuft Warum es mit DAB+ in der Schweiz besser läuft
Bild: Verband Schweizer Privatradios (VSP)
So mancher Senderchef, der in Deutschland bereits ins digital-terrestrische Radio DAB+ investiert oder dies gern tun würde, schaut in diesen Tagen mit viel Neid auf die Eidgenossen: In der Schweiz sind sich öffentlich-rechtliche und kommerzielle Programmanbieter einig, dass die Zukunft des terrestrischen Radios in DAB+ liegt, und UKW spätestens 2024 abgeschaltet wird. Per Fernsehspots animieren sie die Bevölkerung schon jetzt zum Umstieg mit den Worten: "Verpasst nicht den Anschluss".

Warum es mit DAB Plus in der Schweiz besser läuft Warum es mit DAB+ in der Schweiz besser läuft
Bild: Verband Schweizer Privatradios (VSP)
In Deutschland sieht das alles ganz anders aus: Mit viel Mühe hat sich gerade erst die ARD - trotz Skeptikern in den eigenen Reihen - auf den digitalen Kurs gebracht, nachdem die KEF entsprechende Gebührenmittel freigegeben hat. Beim privat-kommerziellen Radio dagegen überwiegt Skepsis: Vor allem die großen Privatradios wie Antenne Niedersachsen, RPR Eins oder Radio Hamburg halten stur an UKW fest und warnen derzeit in publikumsstarken Zeitungen eindringlich vor einer Abschaltung der analog-terrestrischen Hörfunkübertragung.

Schweiz: Öffentlich-rechtliche Dominanz und Probleme beim UKW-Empfang

Doch warum gelingt etwas in der Schweiz, was in Deutschland nicht gelingt? Vor der DAB-Einführung gab es in der Schweiz einen klar durch die SRG-SSR dominierten Radiomarkt: Lediglich die sprachregionalen öffentlich-rechtlichen Sender waren flächendeckend auf UKW zu hören. Aufgrund der Topographie in den Alpen gab es aber vielerorts Störungen durch Mehrwegeempfang und Verzerrungen aufgrund von Reflektionen.

Das digital-terrestrische Radio DAB+ profitiert von solchen Bedingungen, Reflektionen wirken sich nicht wie bei UKW störend, sondern positiv auf den Radioempfang aus. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk profitiert also bei den Eidgenossen schon alleine aus technischer Sicht von einer Umstellung auf DAB+. Außerdem kann die SRG-SSR Spartenprogramme, die bis dato nur über Satellit, Kabel, im Internet und früher auf Mittelwelle zu hören waren, auch digital-terrestrisch verbreiten. Dazu gehören etwa in der Deutsch-Schweiz die "SRF Musikwelle" mit Schlagern und Volksmusik sowie die Jugendwelle "Virus".

Die Privatradios hatten in der Schweiz einen noch viel schwereren Stand. Lange Zeit war kommerzielles Radio auf UKW nur in größeren Städten zu hören, erst in jüngster Vergangenheit begannen Sender wie Radio Pilatus (Luzern) oder Radio 24 (Zürich) damit, ihre Sendernetze auch auf das Umland der jeweiligen Städte auszubauen und bekamen hierfür von der Medienbehörde Bakom die entsprechende Erlaubnis. In puncto technische Reichweite konnten sie aber auf UKW nie mit den öffentlich-rechtlichen Programmen der SRG mithalten. DAB+ war für kommerzielle Sender erstmals eine Möglichkeit, ihre Programme flächendeckend in der gesamten Sprachregion (Deutsch-Schweiz, Romandie und Tessin) oder alternativ in großen regionalen Netzen terrestrisch zu verbreiten.

Spätestens 2024 sollen in der Schweiz alle Radioprogramme nur noch digital und hauptsächlich über DAB+ verbreitet werden. Diesen Masterplan haben öffentlich-rechtliche und private Sender gemeinsam verabschiedet. Ziel der Radiobranche ist, die analoge UKW-Verbreitung ihrer Programme sukzessive ab 2020 einzustellen.

Der Umstieg von der analogen auf die digitale Radioverbreitung soll in mehreren Schritten erfolgen: Bis Ende 2019 sollen zunächst alle UKW-Programme auf DAB+ verbreitet werden. Da ein parallel geführtes Angebot von UKW und DAB+ die Verbreitungskosten für die Veranstalter markant erhöht, wurde die Unterstützung des Bundes im Rahmen der Technologieförderung stark ausgebaut. Auf eine Dauer von zehn Jahren werden 80 Prozent der Kosten für DAB+ bei den kommerziellen Sendern durch Fördermittel aus einem Digitalisierungsfond aufgefangen. Begleitet wird das alles von Informationsaktivitäten, um das Publikum zum Kauf von DAB+-Radiogeräten zu motivieren.

In Deutschland sieht die Radiolandschaft anders aus: Lediglich die ARD erhält für den Auf- und Ausbau der DAB+-Sendernetze Mittel aus dem Rundfunkbeitrag. Privat-kommerzielle Radioprogramme müssen die Kosten selbst stemmen. Es ist nur verständlich, dass bei der aktuellen Marktdurchdringung mit Digitalradios - derzeit steht in jedem zehnten Haushalt ein Empfangsgerät - eine Refinanz­ierung aus Werbung kaum möglich ist, was die Zurückhaltung vieler kommerzieller Hörfunksender beim Thema DAB+ erklärt. In wenigen Bundesländern wie Bayern erhalten Privatradios Fördermittel, in anderen wie Baden-Württemberg beteiligen sich die Landesmedienanstalten an Marketingaktivitäten. Hier gibt es bereits ein recht vielfältiges Angebot an kommerziellen regionalen Sendern auf DAB+ - neben den bundesweiten Programmen. In vielen anderen Bundesländern sieht es dagegen mager aus.

Große Privatsender sehen mehr Nachteile in DAB+

Die großen deutschen Privatradios verfügen darüber hinaus über flächen­deckende UKW-Sendernetze. Anders als die Kollegen in der Schweiz sind sie in ihrem definierten Sendegebiet in jedem Winkel analog-terrestrisch zu hören und profitieren zudem nicht selten von einem starken Overspill auf andere Bundesländer: So kann man beispielsweise das rheinland-pfälzische Privatradio-Programm RPR Eins auf UKW auch noch perfekt in Köln, Düsseldorf oder Frankfurt/Main hören, und der Sender profitiert von Werbeeinnahmen aus diesen Ballungsgebieten. Auf DAB+ wäre das zumindest beim bisherigen Ausbaustand der Netze nicht möglich.

Es ist vor diesem Hintergrund geradezu verständlich, warum die großen "Platzhirsche" kein Interesse an DAB+ haben: Warum sollten sie auf ein technisches System umsteigen, dass aus ihrer Sicht Reichweiteneinbußen mit sich bringt - und zudem mehr Konkurrenz, bei zunächst zusätzlichen Kosten für ein Sendernetz ohne Refinanzierungsmöglichkeit? Jeder Betriebswirtschaftler aus anderen Branchen würde hier ähnlich agieren wie es die großen deutschen Kommerzradios aktuell tun. Die Nachteile überwiegen, obwohl es für die Sender auch durchaus Vorteile einer digital-terrestrischen Verbreitung gäbe, die wir in diesem Kommentar aufgeführt haben.

Anders sieht es freilich bei Veranstaltern aus, die bisher nur eine schlechte UKW-Reichweite haben oder gar keine Frequenzen: Für sie ist ein Einstieg in DAB+ derzeit alternativlos, Geld verdienen können sie aktuell jedoch damit noch kaum.

Fördermittel unerlässlich

Um DAB+ auf eine ähnliche Erfolgsspur wie in der Schweiz zu bringen, sind also zwei Dinge für Deutschland unerlässlich: Vor allem muss die Politik finanzielle Anreize durch Fördermittel schaffen. Da es Deutschland im Vergleich zur Schweiz versäumt hat einen Digitalisierungsfond für den Hörfunk anzulegen, könnten beispielsweise Einnahmen aus der letzten Versteigerung von Rundfunkfrequenzen an Mobilfunkunternehmen (Digitale Dividende 2) hierfür verwendet werden. Immerhin könnte auf diesem Wege der Rundfunk etwas zurückerstattet bekommen, was man ihm zuvor weggenommen hatte. Weiteres wichtiges Thema: der Netz­ausbau. Kein Privatradio darf in puncto technische Reichweite gegenüber der aktuellen UKW-Verbreitung Einbußen in Kauf nehmen, da eine solche Reichweite Grundlage von Werbeeinnahmen und Refinanzierung ist. Historisch gewachsene Versorgungsräume außerhalb des definierten Lizenzgebietes müssen dabei mitberücksichtigt werden, notfalls durch Gleichwellensender außerhalb des lizenzierten Sende­gebiets.

Doch auch das Verhalten von Händlern könnte sich positiv auf die Digitalisierung auswirken, indem diese nicht länger rein analogen Radiomodelle nur mit UKW anbieten, sondern hybride Geräte, die auch das digital-terrestrische Radio DAB+ an Bord haben. Noch immer sind pro Fach- oder Supermarkt im Schnitt 70 Prozent der zum Verkauf ange­botenen Radiogeräte rein analoge Modelle, da die Nachfrage nach diesen ungemindert hoch ist. Viele Bürger sind mit dem digitalen Hörfunk noch nicht in Kontakt getreten und wollen schlichtweg ein neues Radio kaufen. Studien zeigen jedoch, dass Kunden zumeist begeistert von DAB+ sind, wenn sie es überhaupt erst einmal kennengelernt haben.

In einem Punkt sind sich die Marktakteure jedoch - bis auf wenige Abweichler - inzwischen einig: Das Radio braucht weiter einen terrestrischen Verbreitungsweg, der kostenlos und ohne Diskriminierung zugänglich ist. Alleine auf das Internet zu setzen und sich damit den Telekommunikationskonzernen auszuliefern wäre ein kapitaler Fehler. Ob allerdings der Umstieg auf DAB+ gelingt, liegt in Deutschland vor allem in den Händen der Politik. Stellt sie nicht wie in der Schweiz Fördermittel für die Digitalisierung bereit, werden wir wohl auch noch in 15 bis 20 Jahren eine deutliche Dominanz von UKW haben, und der Stand von DAB+ dürfte weiter ein schwerer sein.

Mehr zum Thema DAB+