Technik

Digitale Autoschlüssel: Mit Handy Auto öffnen und starten

Ohne Schlüssel lässt sich ein Auto nicht starten. Das soll sich ändern: Künftig schließen Handys auto­matisch Autos auf und starten sie auch - dank digi­taler Schlüssel in Smart­phones.
Von dpa /

Das Smartphone ersetzt zunehmend den klassischen Autoschlüssel Das Smartphone ersetzt zunehmend den klassischen Autoschlüssel
Bild: dpa
Seit ein paar Jahren lassen sich Fahr­zeuge bereits per Handy öffnen. Dazu muss jedoch eine App auf dem Smart­phone akti­viert werden. "Künftig öffnen Smart­phones Autos auto­matisch und das Handy bleibt in der Tasche", sagt Lambros Dala­kuras, Produkt­manager bei Bosch. Die ersten Seri­enfahr­zeuge mit dieser Technik kommen voraus­sicht­lich 2020 in China auf den Markt, in Europa 2022. Die Systeme funk­tionieren nur bei Neufahr­zeugen und lassen sich nicht nach­rüsten.

Daneben lassen sich in virtu­ellen Schlüs­seln auch perso­nali­sierte Infor­mationen hinter­legen. Das Auto kann dann auto­matisch die gewünschte Sitz­einstel­lung vornehmen, die Lieb­lings­musik anwählen und die Tempe­ratur einstellen. Die Schlüssel lassen sich mit Freunden und Bekannten digital teilen oder bestimmten Orten zuordnen. Sie könnten dann Autos für Paket­dienste frei­schalten oder für Fahr­anfänger die Geschwin­digkeit und Musik­laut­stärke dros­seln.

Aller­dings muss präzise loka­lisiert werden, wenn etwa sowohl Fahrer als auch Beifahrer im Besitz eines digi­talen Schlüs­sels sind. Jeden­falls sind die neuen Systeme laut Dala­kuras sicherer als bishe­rige Schließ­systeme: "Denn auch, wenn ein Smart­phone gestohlen werden sollte, lässt sich der virtu­elle Schlüssel fürs Auto sofort sperren."

Server-Backend als Kern der neuen Technik

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Carsten Rein­kemeyer, Leiter der Sicher­heits­forschung des Allianz Zentrum für Technik (AZT) in München, geht davon aus, dass sich der elek­troni­sche Schlüssel im Smart­phone im Auto in den nächsten Jahren in allen Klassen durch­setzen wird. Kern der neuen Technik ist ein Server-Backend, auf dem die Daten der Schlüssel und die Zugriffs­proto­kolle hinter­legt sind und über die der Fahr­zeug­halter seine Schlüssel verwalten kann.

Das Smart­phone muss nur bei der Regis­trie­rung und beim Imple­mentieren des Schlüs­sels online sein. Für die eigent­liche Funk­tion reicht es, wenn das Handy genug Strom hat. Eine Netz- oder Inter­netver­bindung, wie es sie in Tief­garagen oft nicht gibt, ist nach den Anfor­derungen des AZT nicht notwendig.

Um wesent­liche Funk­tionen wie das Öffnen und Wegfahren des Autos zu gewähr­leisten, inter­agiert der virtu­elle Schlüssel tief in die Bord­elek­tronik hinein und entsperrt die elek­troni­sche Wegfahr­sperre. Dazu muss die Hard- und Soft­ware vor Hacker­angriffen sicher sein. Ähnlich wie bei einer Banken­soft­ware muss ein Sicher­heits­element inte­griert sein. Nicht alle Handy­hersteller unter­stützen diese Systeme.

"Grund­sätz­lich darf der virtu­elle Fahr­zeug­schlüssel nicht kopierbar sein, er muss indi­viduell vergeben werden", sagt Rein­kemeyer. Bei einem Fahr­zeug­dieb­stahl muss der Besitzer nach­weisen, dass er noch sein Handy hat oder den virtu­ellen Schlüssel sofort hat sperren lassen. In einem Backend könnte das doku­mentiert werden. Denkbar seien aber kurz­zeitige Verleih­funk­tionen etwa für eine Werk­statt oder den Parkser­vice eines Hotels.

NFC-Tech­nologie ermög­licht schlüs­selloses Öffnen

Anne Knierim, Entwick­lungs­leiterin Schließ­system bei Mercedes-Benz, geht davon aus, dass Autos noch viele Jahre mit physi­schen Schlüs­seln bedient werden. Bereits heute können sich Auto­fahrer eines aktu­ellen Mercedes-Modells entscheiden, ob sie einen physi­schen Schlüssel benutzen oder ihr Fahr­zeug über die Near-Field-Commu­nica­tion-Tech­nologie (NFC) mit dem Smart­phone oder einem NFC-Sticker öffnen.

Der notwen­dige Chip für NFC steckt in den meisten Smart­phones und ermög­licht Daten­über­tragungen zwischen Geräten auf kurze Distanz. "Dafür muss das Handy an den Türgriff gehalten werden. Künftig soll das auch über andere Tech­nolo­gien funk­tionieren, wenn das Handy in der Hosen­tasche steckt", sagt Knierim. Das Fahr­zeug entrie­gelt aber erst dann, wenn der Handy­besitzer den Türgriff bedient. Die NFC-Spule im Handy funk­tioniert zudem auch ohne Strom.

Seit über zehn Jahren bietet BMW für seine Modelle über die BMW-Connected-App einen schlüs­sellosen Zugang zum Auto an. Dazu müssen Smart­phone-Besitzer die App akti­vieren und den physi­schen Schlüssel dabei­haben, um den Motor über den Start­knopf zu starten. Seit Juli 2018 gibt es bei BMW einen digi­talen Schlüssel mit erwei­tertem Komfort-Zugang.

"Die neuen Modelle X5, 3er, 1er, Z4 und 8er lassen sich seitdem optional mit Smart­phones öffnen", sagt Alex­ander Maier, Abtei­lungs­leiter Zentral­steu­erge­räte und Fahr­zeug­zugang bei BMW. Zum Öffnen hält der Fahrer ein passendes Handy mit NFC-Tech­nologie an den Türau­ßengriff. Anschlie­ßend wird das Smart­phone in die Lade­schale gelegt und der Motor lässt sich starten - ohne, dass sich der Schlüssel im Fahr­zeug befindet.

Mehr Komfort und größere Sicher­heit

Der Vorteil der neuen digi­talen Schlüssel liegt laut Hendrik Schweppe, Grup­penleiter Secu­rity­frei­gabe und Pene­trati­onstests bei BMW, im Komfort und der höheren Sicher­heit. "Die Schlüssel lassen sich weiter­geben, verleihen, akti­vieren, deak­tivieren auch über Hunderte von Kilo­metern. Dazu sind sie sehr sicher", sagt er.

Zum Schutz vor Hacker­angriffen entwi­ckeln die Compu­terspe­zialisten vor dem Seri­enstart eine sichere Schutz­archi­tektur für Schlüssel und Fahr­zeug und führen eigene Hacker­angriffe durch. Sie geben die Technik nur für Handys frei, die ein spezi­elles Hard­ware-Secu­rity-Element inte­griert haben.

Dazu wurde das Car Connec­tivity Consor­tium (CCC) erwei­tert, ein bran­chen­über­grei­fendes Konsor­tium, das globale Stan­dards und Tech­nolo­gien für Smart­phone-zu-Car-Konnek­tivi­täts­lösungen entwi­ckelt, wie einen stan­dardi­sierten digi­talen Schlüssel für die nächste Genera­tion. Derzeit in der Entwick­lung: ein Ultrab­reit­band (UWB) für die Nahbe­reichs­funk­kommu­nika­tion.

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