Warum Springer mit Fernsehen hadert
Ein Motto des mächtigen CNN-Gründers Ted Turner gerät bei Fernsehmachern nie in Vergessenheit: "Early to bed, early to rise, work like hell, and advertise". Es ist im übertragenen Sinne die Kombination aus harter Arbeit und Werbung, mit der man einen Nachrichtensender zum Erfolg führt. An Enthusiasmus und Engagement wird es dem Team um BILD-Senderchef Claus Strunz vermutlich nicht gefehlt haben, an Werbekundschaft womöglich schon eher. Zumindest, wenn man sich die Einschaltquoten des Senders anschaut. Tragisch ist die Entwicklung dennoch für jeden einzelnen Mitarbeiter. Und letztendlich entbehrt es gleichermaßen nicht einer gewissen Tragik, dass man es bei Springer nicht schaffte, das Potenzial der eigenen Medienmarke im TV-Geschäft vollumfänglich auszuschöpfen.
Gute Startvoraussetzungen
BILD tut sich im Fernsehen schwer
Foto: BILD/Parwez
Nachrichten liegen in der DNA Springers. Ob mit oder ohne Fernsehen - an dieser Konstante wird sich voraussichtlich nichts ändern. Dennoch bleibt bei allen Kürzungen im TV-Geschäft von BILD ein mehr als fader Beigeschmack. Wie konnte ein solches Prestigeprojekt dermaßen im Sand verlaufen? Schließlich ist Springer nun wirklich kein bescheiden kapitalisiertes Hinterhof-Startup, Ex-Chef Reichelt und Strunz keine unerfahrenen Medienmacher und BILD keine Marke, die man erst mühselig aufbauen muss.
Nein, bei BILD ist man ganz sicher nicht an schlechten Voraussetzungen oder womöglich gar harter Konkurrenz gescheitert. Wohl aber an einer falschen Erwartungshaltung und einer zunehmend defensiven und zaghaften Führung. Von Reichelts großen TV-Visionen blieb nach seinem unrühmlichen Abgang schlicht nicht mehr viel übrig.
"Welt" tickt (nicht) anders
Es liegt in der Natur von Boulevardmedien, Massen zu bewegen und zu polarisieren. Die Frage ist: Warum hat die "Masse" bei BILD aber erst gar nicht eingeschaltet? Kurzum, man blieb sich nicht treu. Unter Chefredakteur Johannes Boie verschwimmen die Grenzen zwischen WELT und BILD. Scheinbar ist vielen potenziellen Zuschauern überhaupt nicht mehr klar, wie sich beide Medienmarken abseits der Farbgebung unterscheiden. Zuletzt blieb zunehmend die Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal.
Respektabel ist zweifelsohne der Polit-Talk "Viertel nach Acht", wobei das Format allerdings nicht unwesentlich von der Gesprächsführung und Meinungsstärke seiner Gastgeberin Nena Brockhaus profitiert. Das allein dürfte allerdings kaum ausreichen, um BILD als TV-Sender über Wasser zu halten. Es fehlte in der Präsentation einfach insgesamt an Schärfe und Prägnanz.
TV ist "nice to have"
Natürlich weiß man bei Springer, dass ein internationaler Medienkonzern ohne Bewegtbild nicht funktioniert. Doch - und das ist auch ein Teil der Wahrheit - waren Springer und Fernsehen nie eine Liebesheirat. Man wollte einfach mitspielen, das zeigte sich schon am gescheiterten Einstieg Springers bei ProSiebenSat.1. Doch auch Fernsehen ist kein Selbstzweck.
Mit Julian Reichelt hat BILD letztendlich einen wichtigen Fürsprecher des Senders verloren. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Mancher Kritiker dürfte sich nun aber im Bedeutungsverlust des Senders und der Marke insgesamt bestätigt sehen. Egal wie wertvoll eine Medienmarke auch sein mag, eben diesen Wert muss vor allem die Redaktion jeden Tag neu mit Leben füllen und somit deutlich machen, warum sie relevant bleibt. Bei BILD ist dies wie sich rückblickend zeigt nicht in hinreichendem Maße gelungen.