Abgespeckter Smartphone-Lieferumfang: Ist weniger mehr?
Lange Zeit konnten sich die Käufer eines Smartphones darauf verlassen, dass in den meisten Fällen zumindest ein Ladegerät mitgeliefert wird. Nun wird der Verpackungsinhalt sukzessive entschlackt, insbesondere bei der Oberklasse. Wer ein Galaxy S21 oder ein iPhone 12 erwirbt, findet kein Netzteil in der Kartonage vor. Auch Kopfhörer fehlen im Lieferumfang der zuvor genannten Mobilgeräte. Es ist ein neuer Branchentrend, welcher mit Umweltschutzmaßnahmen gerechtfertigt wird und sich höchstwahrscheinlich auf weitere Modelle und Hersteller ausweitet. Aber ist dieser Schritt im Sinne der Verbraucher?
Adieu beigelegtes Ladegerät und beigelegter Kopfhörer
Lieferumfang beim Smartphone: Ist weniger mehr?
teltarif.de
Im Oktober 2020 nahm mit der Enthüllung des iPhone 12 ein Branchenumschwung seinen Lauf. Gehörte es seit jeher zum guten Ton, dass wenigstens ein Netzteil im Paket des Smartphones lag, gab Apple bekannt, jenes bei seiner aktuellen Generation wegzulassen. Mehr noch: Auch ältere iPhones wie die iPhone-11-Produktfamilie und das iPhone SE kommen jetzt ohne den Adapter für die Steckdose daher. Apple erklärt diese neue Marschrichtung mit einer jährlichen CO2-Einsparung von zwei Tonnen Emissionen, was circa 450 000 Autos weniger auf der Straße entspräche.
iPhone 12 Lieferumfang
Apple
Man reduziere die Verpackung und bräuchte weniger Lieferungen. Ohnehin würden die Verbraucher oftmals kein Netzteil und keine Kopfhörer mehr benötigen, so Apple weiter. Damit Um- oder Neueinsteiger nicht durch den Lightning-Anschluss in die Bredouille kommen, legt der Konzern einen Lightning-auf-USB-Typ-C-Adapter bei. Die OVPs von Xiaomis Mi 11 (China-Version) und Samsungs Galaxy S21 enthalten ebenfalls weder Ladegerät, noch Kopfhörer. Umweltschutz dient auch bei diesen Firmen als Argument. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Philosophie auf andere Kategorien (Mittelklasse, Einsteigerklasse, Tablets) ausweitet.
Guter Kompromiss: In China erhalten Käufer des Mi 11 auf Wunsch kostenlos ein Netzteil dazu. Hierzulande ist das Ladegerät bei diesem Handy standardmäßig enthalten.
Vorteile des abgespeckten Lieferumfangs
Apple-Ladegerät
Apple
Der Aspekt des Umweltschutzes ist tatsächlich nicht zu unterschätzen. Bedingt durch die verkleinerten Verpackungen fällt auch weniger Müll durch den Konsumenten an. Wer seine Kartonagen wiederum aufbewahrt, spart Platz im Mobiliar. Ferner wird, gesetzt den Fall, der User benötigt tatsächlich kein neues Netzteil oder neue Kopfhörer, Elektroschrott vermieden. Selbstredend sollte man aber nicht allzu blauäugig an die Sachlage herangehen – ein Unternehmen handelt hauptsächlich im eigenen Sinne. Weniger Lieferumfang und Kartonage sowie eingesparte Lager- und Transportkosten machen sich am Gewinn der Firmen bemerkbar.
Aufgrund der durch COVID-19 verursachten Wirtschaftskrise ist es allerdings nachvollziehbar, dass die Konzerne nach Lösungen suchen, um den eingebrochenen Gewinn zu kompensieren. Quarantänemaßnahmen und Lockdowns sorgten insbesondere vergangenes Jahr für Produktions- und Zulieferprobleme. Gepaart mit sinkender Kaufbereitschaft aufgrund der unsicheren beruflichen Lage gab es ein Rekordtief von 58,3 Millionen ausgelieferter Smartphones in Q1 2020. Allmählich beruhigt sich die Lage im Marktsegment der Mobilgeräte, erlittene Verluste müssen dennoch ausgeglichen werden. Dies ist auch im Sinne der Konsumenten, um Arbeitsplätze zu sichern.
Nachteile, Ersparnis und Fazit
Nachteile des abgespeckten Lieferumfangs
Galaxy S21 Lieferumfang
Samsung
Die Nachteile der reduzierten Dreingaben variieren je nachdem, ob es sich um ein Android-Smartphone oder ein iPhone handelt. Beginnen wir mit dem Google-Lager. Ein USB-Kabel liegt auch Modellen ohne Netzteil stets bei. Jedoch kann es sich hierbei, wie im Falle des Galaxy S21, um ein USB-Typ-C-auf-USB-Typ-C-Kabel handeln. Die meisten User dürften jedoch ein Ladegerät mit USB-Typ-A-Port haben, was sich somit nicht verwenden ließe. Bekommt man aber ein USB-Typ-C-auf-USB-Typ-A-Kabel, dürften viele Anwender einen entsprechenden Adapter zuhause haben. Wobei angeschlossen nicht gleichzusetzen mit effektiv angeschlossen ist.
Um die immer besser werdenden Schnelllademechanismen moderner Smartphones auszureizen, braucht man auch ein entsprechendes Schnellladegerät. Die Chance ist also durchaus gegeben, dass sich der Konsument trotz physisch passendem Ladegerät ein neues besorgen muss. Samsung verlangt etwa für seinen Schnellladeadapter 19,90 Euro. Musikfans, die auf kabelgebundene Kopfhörer schwören, werden bei Smartphones ohne Klinkenanschluss, welche es immer häufiger gibt, eine weitere Investition tätigen müssen. Entweder ein brauchbarer USB-C-auf-3,5-mm-Adapter (ab circa 7 Euro) oder einen USB-Typ-C-Kopfhörer (von Samsung ab circa 15 Euro).
Wer mit einem iPhone 12 liebäugelt, muss sich ähnliche Gedanken wie bei den Android-Smartphones machen. Ein Ladegerät erhalten die Kunden nicht, wohl aber einen Lightning-auf-USB-Typ-C-Adapter. iPhone-Nutzer können ihr Lightning-Ladegerät, falls vorhanden, verwenden oder sich ein eben solches sowie ein USB-C-Netzteil kaufen. Apple verlangt für seinen USB-C Power Adapter 25 Euro. Alternativ lassen sich sowohl Android-Telefon als auch iPhone via Induktion aufladen, aber wer keine entsprechende Ladestation daheim hat, muss nochmals den Geldbeutel öffnen. Wenn Sie Lightning-Kopfhörer brauchen, kommen beim iPhone weitere 19 Euro dazu.
Abgespeckter Lieferumfang: Sparen die Verbraucher?
Samsung-Ladegerät
Samsung
Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten, wie es scheint. Generell pauschalisieren kann man eine Ersparnis oder das Fehlen einer solchen nicht, da die Wettbewerber unterschiedliche Strategien verfolgen. Nehmen wir als Beispiel das Galaxy S21. Auf dem Papier mutet die Sachlage eindeutig an: Die UVP lautet 849 Euro, jene des Vorgängermodells 899 Euro. Benötigt man jedoch das passende Netzteil und möchte den Samsung-USB-C-Kopfhörer, werden weitere 35 Euro fällig. Des Weiteren hat Samsung beim Galaxy S21 teils den Rotstift angesetzt. Es fehlen ein microSD-Kartenschacht zur Speichererweiterung und die Rückseite des Standardmodells besteht aus Plastik.
Nun möchte man zugutehalten, dass das Galaxy S21 im Vergleich zum Galaxy S20 den 5G-Funk standardmäßig an Bord hat – jedoch gibt es 5G-Handys mittlerweile schon zu sehr günstigen Preisen und der Standard mausert sich von der Ausnahme zur Regel. Im Endeffekt darf man also die vermeintlichen 50 Euro Ersparnis des Samsung-Telefons nicht zu schwer gewichten.
Das iPhone 12 wurde im Vergleich zum iPhone 11 merklich teurer (899 Euro anstatt 799 Euro), Kompromisse an der Technik oder der Verarbeitung müssen Interessenten aber keine eingehen. Im Gegenteil: Es gibt neben den obligatorischen Verbesserungen (SoC, Kamera) ein deutlich schärferes Display.
Fazit zum abgespeckten Lieferumfang
Das Thema ist ein zweischneidiges Schwert. Hinsichtlich des Umweltschutzes und der wirtschaftlichen Rehabilitierung sind eingespartes Zubehör sowie verkleinerte Kartonagen nachvollziehbar. Allerdings profitieren im Endeffekt die Firmen mehr als die Verbraucher. Käufer müssen oftmals Ladegerät und / oder Kopfhörer separat erwerben und können sich nicht darauf verlassen, dass die Konzerne ihre Produktionseinsparung auch wirklich an sie weitergeben. Beim nächsten Smartphone-Kauf sollten Sie also nicht nur überprüfen, was sich am Lieferumfang, sondern auch was sich am Preis und (in negativer Hinsicht) der Ausstattung des Mobilgeräts geändert hat.