Cybercrime

Sherlock Holmes des 21. Jahrhunderts: IT-Forensiker

IT-Forensiker helfen Unternehmen und der Polizei, Online-Kriminalität zu bekämpfen. Sie sind Spurensucher, die digitale Informationen auswerten.
Von dpa / Marie-Anne Winter

IT-Forensiker verfolgen digitale Spuren. IT-Forensiker verfolgen digitale Spuren.
Bild: dpa
Phishing, Scamming oder Hacking - Cyberkriminelle werden immer raffinierter. Und bevor man es bemerkt, ist man vielleicht bereits Opfer eines Phishing-Angriffs geworden - nämlich dann, wenn Betrüger auf einer gefälschten Webseite persönliche Daten wie Passwörter geklaut haben. Manch einer wurde von Scammern im Netz dazu überredet, Geld für eine Wohnung zu überweisen, die es gar nicht gibt. Oder ein Hacker hat sich Zugriff zum PC verschafft. Die Cyberkriminalität hat viele Facetten. Hier kommen IT-Forensiker zum Einsatz: Sie sind digitale Spurensucher.

IT-Forensiker verfolgen digitale Spuren. IT-Forensiker verfolgen digitale Spuren.
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Marion Liegl ist so eine IT-Forensikerin. Die 36-Jährige ist selbständig und führt ihre Firma in Gera. Liegl arbeitet vorwiegend für Firmen, die Opfer von Cyberkriminalität geworden sind. Wird das Netzwerk eines Unternehmens angegriffen, ist sie zur Stelle. Liegl beginnt dann, Daten zu sichern. Sie wertet die Informationen von Festplatten und Logdateien aus, um den Täter zu finden. Vor gut zehn Jahren hörte sie das erste Mal von der IT-Forensik. "Ich habe damals eine Dokumentation im Fernsehen gesehen", erzählt Liegl. "Da war für mich klar: Das ist mein Traumjob!"

Der Beruf des IT-Forensikers wird immer wichtiger. Computer, Smartphones, Tablets, Spielekonsolen: Jeder hinterlässt täglich zahlreiche Spuren im Netz - und macht sich damit angreifbar. Hacker haben oftmals leichtes Spiel. Deshalb ist der digitale Spurensucher gefragt wie nie. "IT-Forensiker arbeiten zum Beispiel in Ermittlungsbehörden, Ministerien oder in IT-Sicherheitsabteilungen von großen Unternehmen", erklärt York Yannikos vom Center for Advanced Security Research Darmstadt (CASED [Link entfernt] ) an der Technischen Universität Darmstadt.

Auch Jura-Kenntnisse sind wichtig

Marion Liegl hat an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen den berufsbegleitenden Master Digitale Forensik studiert. Wer einen Bachelor-Abschluss im Fach Informatik mitbringt, braucht dort sechs Semester für das Studium. "Bewerber, die im Erststudium nicht Informatik studiert haben, holen die Grundlagen in einem zusätzlichen Einführungssemester nach", erklärt Studiengangsmanagerin Lydia Nietzold.

Voraussetzung ist außerdem mindestens ein Jahr Berufserfahrung in einem einschlägigen Fachgebiet wie Informatik oder polizeiliche Strafverfolgung. Was viele nicht wissen: IT-Forensiker brauchen Kenntnisse in Jura. Denn die Ergebnisse der digitalen Spurenjagd müssen auch vor Gericht Bestand haben. "Deshalb stehen bei uns auch juristische Grundlagen auf dem Stundenplan", sagt Nietzold.

Doch ein Studium ist nicht der einzige Weg in die IT-Forensik. "Weiterbildungskurse neben dem Job eignen sich sehr gut als Spezialisierung", erklärt York Yannikos. Laut einer repräsentativen Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half haben Personaler Probleme, Mitarbeiter im Bereich IT-Sicherheit zu finden. Mehr als jeder vierte Personaler (28 Prozent) klagt darüber. Das liegt sicher auch an den hohen Anforderungen, die der Beruf mit sich bringt.

Neben einer soliden Informatikausbildung als Grundlage bringen IT-Forensiker vor allem Lust an Technik mit. Außerdem sollten sie sich in andere PC-Nutzer hineinversetzen können. Denn IT-Forensiker müssen nachvollziehen, wie andere Menschen mit dem Computer umgehen. "Wer am liebsten alleine zu Hause in seinem Zimmer sitzt und programmiert, ist für den Beruf nicht der Richtige", betont Yannikos. IT-Forensikerin Marion Liegl findet, dass man in ihrem Beruf zusätzlich viel Einfühlungsvermögen benötigt. "Wenn ich in ein Unternehmen komme, ist das dort meist der erste Sicherheitsvorfall. Um die Situation zu beruhigen, brauche ich dann Fingerspitzengefühl", erzählt sie.

IT-Forensiker helfen der Polizei

Doch nicht nur in Unternehmen können IT-Forensiker helfen, Verbrechen aufzuklären. Ob Mord, Überfall oder Entführung: Meist hinterlassen Täter digitale Spuren. Sie wertet der IT-Forensiker aus. Wann hat ein Laptop welches WLAN-Netzwerk genutzt? War ein USB-Stick tatsächlich an einem bestimmten Rechner angeschlossen? "Die Beantwortung dieser Fragen kann helfen, einen ganzen Fall zu lösen", sagt Andreas Blum vom Bundeskriminalamt (BKA). Die digitalen Spurensucher arbeiten eng mit den Ermittlern zusammen. "Wir suchen hier polizeiaffine Informatiker und IT-affine Polizisten", sagt Blum. Kriminalbeamte können sich beim BKA im Bereich IT-Forensik weiterbilden. Aber auch Externe mit einem entsprechenden Studienabschluss können sich als IT-Forensiker bewerben.

Ein weiterer staatlicher Arbeitgeber ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Deutschlands IT-Sicherheitsbehörde. "Wir sind immer auf der Suche nach qualifizierten Fachkräften", betont Pressesprecher Matthias Gärtner. Bewerber müssen allerdings bereit sein, sich einer Sicherheitsüberprüfung des BSI zu unterziehen. Hier wird die Vertrauenswürdigkeit des zukünftigen Mitarbeiters kontrolliert.

Für Marion Liegl ist ihr Beruf jeden Tag eine neue Herausforderung. Schließlich verändert sich die Technik rasend schnell. "Man braucht viel Selbstdisziplin und muss sich Neues selbstständig erarbeiten." Das geht nicht ohne Leidenschaft und viel Begeisterung. "Die IT-Forensik ist wie so eine Art Fieber, das mich gepackt hat."

Wie Sie sich vor Online-Betrug schützen können, verraten wir in unserem Ratgeber.

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