Themenspezial: Verbraucher & Service Digital Markets Act

DMA der EU startet: Das ändert sich auf unseren Smartphones

Bald muss WhatsApp in der EU mit anderen Chat­diensten zusam­men­spielen, und Apple wird iPhone-Nutzer Apps aus Stores anderer Anbieter laden lassen. Wie stark der Effekt des Digi­tal­markt­gesetzes sein wird, ist noch offen.
Von dpa /

Was mit dem DMA auf dem Smartphone anders werden soll - und kann Was mit dem DMA auf dem Smartphone anders werden soll - und kann
Bild: picture alliance/dpa
In der EU soll am 7. März eine neue Zeit mit mehr Wett­bewerb bei digi­talen Ange­boten anbre­chen: Große Platt­formen müssen sich an die Regeln des Gesetzes über digi­tale Märkte (Digital Markets Act, kurz DMA) anpassen.

Was ist die Idee des DMA?

Das Gesetz soll für mehr Wett­bewerb bei digi­talen Diensten und bessere Chancen für neue Rivalen sorgen. Die Grund­annahme dabei ist, manche große Platt­form­betreiber seien so mächtig geworden, dass sie ihre Markt­posi­tion zemen­tieren könnten. Der DMA soll diese Starre mit Regeln für die soge­nannten "Gate­keeper" (Torwächter) aufbre­chen. Was mit dem DMA auf dem Smartphone anders werden soll - und kann Was mit dem DMA auf dem Smartphone anders werden soll - und kann
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Welche Firmen und Dienste sind betroffen?

Die EU-Kommis­sion machte bisher 22 "Gate­keeper"-Dienste von sechs Unter­nehmen aus. Wenig über­raschend sind darunter die US-Schwer­gewichte Apple, Amazon, Micro­soft, die Google-Mutter Alphabet und der Face­book-Konzern Meta. Daneben kam auf die Liste die Video-App TikTok des ursprüng­lich aus China stam­menden Konzerns Byte­dance.

Was merkt man davon als Nutzer?

Zwei DMA-Auflagen stechen hervor. Der in Deutsch­land popu­läre Chat­dienst WhatsApp von Meta soll sich für andere Dienste öffnen - und Apple muss erst­mals zulassen, dass auf dem iPhone Apps aus anderen Quellen als dem haus­eigenen App Store instal­liert werden können. Aller­dings: Während WhatsApp die Zugänge schaffen muss, wollen konkur­rie­rende Dienste wie Signal und Threema sich bisher gar nicht vernetzen. Und mit Apples Rege­lung für andere Down­load-Platt­formen ist offen, wie viele Entwickler sich darauf einlassen - oder lieber wie bisher nur im App Store des Konzerns bleiben.

Wie will WhatsApp die Inter­ope­rabi­lität umsetzen?

Die Nach­richten aus anderen Diensten sollen in einem sepa­raten Bereich landen. Das solle deut­lich machen, dass für die Nach­richten andere Sicher­heits­stan­dards gelten könnten, sagte WhatsApp-Manager Dick Brouwer dem Magazin "Wired". WhatsApp nutzt die Verschlüs­selungs­tech­nologie von Signal - und das macht die Vernet­zung mit anderen Diensten, die eben­falls darauf zurück­greifen, einfa­cher. Man werde aber auch andere verläss­liche Verschlüs­selungs­pro­tokolle unter­stützen.

Warum wollen andere Dienste nicht mitma­chen?

Signal verweist darauf, dass der Dienst über den Schutz von Inhalten hinaus­gehe: "Wir haben neuar­tige Tech­niken entwi­ckelt, um auch vertrau­liche Meta­daten wie Profil­namen und -foto, Kontakt­listen, Grup­pen­mit­glied­schaften und Infor­mationen darüber, wer wem Nach­richten sendet, zu verschlüs­seln." Andere große Apps erfüllten "nicht annä­hernd die Daten­schutz­stan­dards von Signal".

Bei Threema hieß es, WhatsApp gebe alle Proto­kolle vor, "und wir wüssten nicht mit Sicher­heit, was mit den Nutzer­daten geschieht, wenn sie an WhatsApp über­tragen werden, zumal WhatsApp nicht Open Source ist". Auch gebe es unge­löste Probleme wie die Adres­sie­rung, da WhatsApp die Tele­fon­nummer verwende und Threema eine zufällig gene­rierte ID. Dies könne Threema-Nutzer poten­ziell dean­ony­misieren.

Wie soll das mit anderen App Stores auf dem iPhone funk­tio­nieren?

App-Entwickler können entweder alles beim Alten lassen und ihre Anwen­dungen wie bisher nur über Apples App Store mit einer Abgabe von 15 oder 30 Prozent der Erlöse bei digi­talen Gütern und Abos vertreiben - oder sie machen von den neuen Möglich­keiten Gebrauch. Dann gelten für sie andere Kondi­tionen. Bei Anwen­dungen, die sie über Apples App Store vertreiben, sinkt die Abgabe auf jeweils zehn und 17 Prozent - plus weitere drei Prozent, wenn sie das Abrech­nungs­system des Konzerns nutzen. Neu ist eine "Kern­tech­nologie-Abgabe" von 50 Cent für die Erst­instal­lation einer App in einem Zwölf­monats­zeit­raum, die nach einer Million Down­loads fällig wird. Bei Apps, die über andere Markt­plätze vertrieben werden, soll Apple nur sie bekommen. Steigen Entwickler auf das neue Modell um, führt kein Weg zurück.

Wollen sich App-Anbieter darauf einlassen?

Die Spie­lefirma Epic Games, deren App "Fort­nite" nach einem Regel­ver­stoß aus Apples App Store verbannt ist, will eine eigene Down­load-Platt­form auf das iPhone bringen. Auch der App-Markt­platz Setapp, der Anwen­dungen im Abo-Modell nutzen lässt, will im April starten. Zugleich kriti­sieren zum Beispiel der Musik­strea­ming-Markt­führer Spotify - und auch Epic - die neuen Regeln aufs Schärfste. So sagt die für Wett­bewerb zustän­dige Spotify-Mana­gerin Avery Gardiner, Apples Umset­zung erfülle "nicht einmal annä­hernd" die DMA-Vorgaben.

Wo sehen Kritiker Probleme?

Aus Sicht von Spotify wider­spre­chen unter anderem der Umstieg auf eine neue Gebüh­ren­struktur und die "Kern­tech­nologie-Abgabe" dem DMA. Spotify gehört zu den größeren Diensten (rund ein Prozent der App-Anbieter nach Apples Rech­nung), für die die "Kern­tech­nologie-Abgabe" fällig würde. Und sie könnte ordent­lich ins Kontor schlagen: Denn sie müsste nicht nur bei im Moment aktiven Nutzern bezahlt werden. Auch wenn jemand die App nur unge­nutzt auf seinem iPhone hat, kostet das Spotify beim ersten auto­mati­schen Update in einem Zwölf­monats­zeit­raum 50 Cent. Apple habe die neuen Abgaben so gestaltet, dass es für Entwickler nicht attraktiv oder auch tragbar sei, ihre Apps über andere Stores zu vertreiben, kriti­sieren unter anderem Epic und Spotify.

Wie steht Apple zu den DMA-Vorgaben?

Der Konzern beharrte schon im DMA-Vorlauf darauf, dass der App-Vertrieb nur über den haus­eigenen Store die bessere Lösung für die Nutzer sei: So könne man sie besser vor Daten­dieb­stahl und Betrug schützen. Auch jetzt betont der Konzern, dass er in Apps aus anderen Quellen ein poten­zielles Sicher­heits­risiko sehe, das einge­dämmt werden müsse. Deshalb werde man auch bei ihnen prüfen, ob sie even­tuell falsche Angaben über ihre Funk­tionen enthielten. Behörden und einige Unter­nehmen forderten von Apple Zusi­che­rungen, dass sie den App-Down­load aus anderen Markt­plätzen unter­binden könnten.

Und wie sieht das auf Android-Smart­phones aus?

Auf Tele­fonen mit dem Google-Betriebs­system Android dürfen bereits seit langem Apps aus anderen Markt­plätzen geladen werden. Google muss sich aber an anderer Stelle anpassen: In der Websuche werden künftig Ergeb­nisse von spezia­lisierten Such­maschinen etwa bei Flügen, Hotels oder Shop­ping-Ange­boten ausführ­licher darge­stellt.

Wer entscheidet, ob "Gate­keeper" die DMA-Vorgaben erfüllen?

Das macht die EU-Kommis­sion, unter anderem mithilfe von Markt­unter­suchungen und Äuße­rungen anderer Unter­nehmen. EU-Wett­bewerbs­kom­mis­sarin Margrethe Vestager sagte, man werde die Einhal­tung der DMA-Regeln mit höchster Prio­rität prüfen. Kurz bevor die Vorgaben ange­wendet werden müssen, wies Vestager auch darauf hin, dass die gegen Apple verhängte Strafe von 1,84 Milli­arden Dollar im Streit über den Umgang mit Musik­strea­ming-Diensten größ­ten­teils als "Abschre­ckung" gedacht sei, um die Entschlos­sen­heit der Kommis­sion zu demons­trieren. Bei Verstößen gegen den DMA drohen Strafen von bis zu 10 Prozent des jähr­lichen Umsatzes - und bis zu 20 Prozent im Falle wieder­holter Verlet­zungen. Als letzte Option steht auch eine Zerschla­gung im Raum. Am Ende könnten Gerichte über mögliche Strafen entscheiden.

Es ist die nächste hohe Strafe gegen einen US-Tech-Konzern: Die iPhone-Firma hat nach Ansicht der EU-Kommis­sion Wett­bewerbs­recht gebro­chen.

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