Ätherwellen

Ukraine-Krieg: Rundfunkanstalten reaktivieren Kurzwelle

Der Krieg in der Ukraine ist trau­riger Anlass für eine Wieder­bele­bung des Kurz­wel­len­rund­funks. Beispiele sind ORF und BBC.
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Den Krieg in der Ukraine nehmen verschie­dene Rund­funk­anstalten zum Anlass, um einen fast schon tot geglaubten Verbrei­tungsweg für Hörfunk­pro­gramme zu reak­tivieren. Die Kurz­welle kennt keine Landes­grenzen und kein Geoblo­cking. Die dort ausge­strahlten Programme sind oft schon mit kleinen, batte­rie­betrie­benen Radios zu empfangen. Ein Internet-Zugang ist nicht erfor­der­lich.

Der Öster­rei­chi­sche Rund­funk (ORF) hat seine vor fast zwei Jahr­zehnten nahezu komplett einge­stellten Auslands­sen­dungen auf Kurz­welle ausge­baut und strahlt die Infor­mati­ons­sen­dungen seines Inlands­pro­gramms Ö1 nun auch euro­paweit terres­trisch aus - parallel zu Internet-Stream und Satel­liten­ver­brei­tung. ORF und BBC senden auf Kurzwelle in die Ukraine ORF und BBC senden auf Kurzwelle in die Ukraine
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Das Morgen­journal wird wie bisher montags bis sams­tags ab 7 Uhr Mittel­euro­päi­scher Zeit auf 6155 kHz über­tragen. Dazu kommt das tägliche Mittags­journal ab 12 Uhr auf 13730 kHz und das Abend­journal, das täglich außer sams­tags ab 18 Uhr auf 5940 kHz zu hören ist. ORF-Radio­direk­torin Ingrid Thurnher: "Mit diesem zusätz­lichen Service können die Ö1-Radio-Jour­nale von deutsch­spra­chigen Höre­rinnen und Hörern in ganz Europa, also auch in der Ukraine, einfach und nieder­schwellig empfangen werden."

BBC World Service wieder auf Kurz­welle für Europa

Die Londoner BBC über­trägt ihren englisch­spra­chigen World Service für täglich vier Stunden speziell für Hörer in der Ukraine und in angren­zenden Ländern wieder auf Kurz­welle. Ab 17 Uhr Mittel­euro­päi­scher Zeit ist das Programm für zwei Stunden auf 15735 kHz zu empfangen, ab 23 Uhr sendet die BBC auf 5875 kHz, um inter­essierte Hörer in Osteu­ropa mit Nach­richten und Infor­mationen zu versorgen.

In der Ukraine selbst wurde der Auslands­dienst laut Medi­enbe­richten mit Kriegs­beginn einge­stellt. Für Hörer im Land selbst wurden mehrere Mittel­wel­len­fre­quenzen wieder in Betrieb genommen. Dabei ist es - egal in welchem Land - gar nicht mehr so einfach, Lang-, Mittel- und Kurz­wel­len­sender in Krisen­zeiten wieder hoch­zufahren. Viele Sende­masten wurden in den vergan­genen Jahren nicht nur still­gelegt, sondern auch zurück­gebaut.

Wie wichtig die grenz­über­schrei­tenden Sendungen auf den klas­sischen AM-Frequenzen sein können, zeigt die Entwick­lung der Auslands­sen­dungen seit Beginn des Krieges. Die Verbrei­tung der russi­schen Sender RT und Sputnik (in Deutsch­land SNA Radio) wurde EU-weit verboten. Die Programme sind über Satellit und DAB+ nicht mehr und via Stream allen­falls noch auf Umwegen (etwa über VPN-Tunnel) zu empfangen. Umge­kehrt hat Russ­land laut Medi­enbe­richten die BBC blockiert.

Kurz­wel­len­emp­fang heute

So wichtig ein grenz­über­schrei­tendes Medium wie die Kurz­welle in Krisen­zeiten auch ist: Es stellt sich natür­lich auch die Frage nach den Empfangs­mög­lich­keiten. Viele neuere Radios empfangen die AM-Wellen­bereiche gar nicht mehr. Tech­niken wie Power­line, Schalt­netz­teile und LED-Lampen sorgen für massive Empfangs­stö­rungen. Dazu dürfte vielen poten­ziellen Inter­essenten gut 30 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs die Kompe­tenz für die Bedie­nung der Empfangs­geräte fehlen.

Zudem ist die Sound­qua­lität für UKW- und DAB+-verwöhnte Ohren "proble­matisch", und die Empfangs­qua­lität ist stän­digen Schwan­kungen unter­worfen. Vor gut 20 Jahren wurde mit Digital Radio Mondiale (DRM) der Versuch unter­nommen, die Lang-, Mittel- und Kurz­welle zu digi­tali­sieren. Über Test­sen­dungen kamen die Bemü­hungen zumin­dest in West­europa aber nie hinaus.

Wenn jetzt Rund­funk­anstalten wie ORF und BBC die Kurz­welle wieder­ent­decken, dann ist das einer­seits zu begrüßen - auch wenn der Anlass nicht trau­riger sein könnte. Ob die Sendungen aber tatsäch­lich von einer größeren Anzahl von Hörern wahr­genommen werden, darf zumin­dest ange­zwei­felt werden.

In einem weiteren Beitrag lesen Sie mehr über das Sende­zen­trum Nauen, die letzte verblie­bene Kurz­wellen-Groß­sen­dean­lage in Deutsch­land.

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