Software

Mission "Verschmelzung": Die Software bei den Autobauern

Das Auto der Zukunft soll mehr sein als ein bloßes Smart­phone auf Rädern. Mit Multi-Milli­arden-Inves­titionen versu­chen die deut­schen Hersteller, Antriebs­platt­formen und IT-Systeme aus einem Guss selbst zu entwi­ckeln. Doch dieser Weg ist oft beschwer­licher als gedacht.
Von dpa /

Mercedes-Benz stellte Software-Strategie vor Mercedes-Benz stellte Software-Strategie vor
picture alliance/dpa
Natür­lich war es kein Zufall, dass der Stutt­garter Auto­bauer Mercedes-Benz für sein "Stra­tegie-Update" den Standort Sunnyvale in Kali­for­nien anstelle der Zentrale in Unter­türk­heim wählte. Silicon Valley statt "The Länd": Im Herzen der Tech-Indus­trie erklärten Vorstands­chef Ola Källe­nius und seine Kollegen am Mitt­woch, wie das eigene Betriebs­system (MB.OS) den Konzern in eine "soft­ware­getrie­bene Zukunft" führen soll. Eine Zukunft, die sich auch die anderen großen deut­schen Hersteller erschließen wollen.

Mercedes-Benz: Mitte des Jahr­zehnts will der Auto­bauer mit dem Stern MB.OS einführen - gemeinsam mit der neuen Fahr­zeug-Platt­form MMA. Das Unter­nehmen habe sich entschieden, "Archi­tekt des eigenen Betriebs­sys­tems" zu sein, sagte Vorstands­chef Ola Källe­nius. Soft­ware sei eine Kern­kom­petenz für Auto­firmen. "Jetzt müssen wir liefern."

MB.OS: Zugriff auf sämt­liche Bereiche des Fahr­zeugs

MB.OS werde vom Unter­nehmen selbst entwi­ckelt, um die volle Kontrolle über die Kunden­bezie­hungen zu behalten sowie den Daten­schutz zu gewähr­leisten. Es habe Zugriff auf sämt­liche Bereiche des Fahr­zeugs: Info­tain­ment (Unter­hal­tung und Infor­mation), Fahr­zeug- und Komfort­funk­tionen, Fahren und Laden sowie auto­mati­siertes Fahren. Das Betriebs­system ermög­liche auf derselben Auto-Hard­ware schnel­lere Inno­vati­ons­zyklen und erhöhe - mit einer Verbin­dung über die Cloud - die Flexi­bilität und Geschwin­dig­keit von Updates.

Mercedes-Benz stellte Software-Strategie vor Mercedes-Benz stellte Software-Strategie vor
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Mercedes setzt bei der Auto­soft­ware auf interne Exper­tise, aber auch auf ausge­wählte Partner. So solle künftig zum Beispiel die App der Video-Platt­form YouTube in den Autos verfügbar sein. Anwen­dungen der Video­kon­ferenz­dienste Webex und Zoom sollen ebenso inte­griert werden wie der Spie­lean­bieter Antstream. Zudem will man den wich­tigen chine­sischen Markt mit Inhalten des Online-Giganten Tencent bedienen. Beim auto­mati­sierten Fahren arbeitet Mercedes schon länger mit dem US-Spezia­listen Nvidia zusammen. Mercedes-Finanz­chef Harald Wilhelm verriet in der Präsen­tation am Mitt­woch, dass Nvidia rund die Hälfte des Erlöses aus dem gemeinsam entwi­ckelten System bekomme.

Bis zum Ende des Jahr­zehnts sollen die Umsätze mit Soft­ware auf einen hohen einstel­ligen Milli­arden-Euro-Betrag wachsen. Bereits 2022 hätten die soft­ware­basierten Erlöse über einer Milli­arde Euro gelegen. 2025 sollen mit den digi­talen Diensten eine Milli­arde Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern erwirt­schaftet werden. Nach eigenen Angaben steckt Mercedes pro Jahr ein bis zwei Milli­arden Euro in die Entwick­lung. Mitte des Jahr­zehnts sollen die Ausgaben für Soft­ware dann 25 Prozent des Budgets für Forschung und Entwick­lung ausma­chen.

Mercedes-Benz koope­riert mit Google beim Navi­gati­ons­system

Mercedes-Benz hat für die Weiter­ent­wick­lung seines Navi­gati­ons­sys­tems darüber hinaus eine Koope­ration mit dem Internet-Riesen Google verein­bart.

Mit der stra­tegi­schen Part­ner­schaft sollen künftig Daten und Funk­tionen von Google Maps in das eigene Navi­gati­ons­system einfließen, teilte der Konzern eben­falls am Mitt­woch in Sunnyvale mit. Die Funk­tionen sollen in das eigene Betriebs­system (MB.OS) einge­bettet werden.

Was machen Volks­wagen, Audi und Porsche

Volks­wagen, Audi, Porsche: Im VW-Konzern ist der Aufbau eines Soft­ware­geschäfts das zentrale Zukunfts­thema neben dem Ausbau der E-Mobi­lität. Eine mitt­lere zwei­stel­lige Milli­arden­summe fließt in den kommenden Jahren allein in Digi­tali­sie­rung und Fahr­zeug­ver­net­zung. Schwer­punkt der neu gegrün­deten IT-Sparte Cariad ist die Entwick­lung eigener Auto-Soft­ware - zum Beispiel für bessere Drahtlos-Updates, Multi­media-Dienste oder Funk­tionen zu unter­schied­lichen Stufen des assis­tierten, auto­mati­sierten und später gänz­lich auto­nomen Fahrens.

Auch VW plant eine eigene Software für Autos Auch VW plant eine eigene Software für Autos
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Entstehen soll ein "Soft­ware-Rück­grat für alle Konzern­fahr­zeuge", auch um unab­hän­giger von Google oder Apple zu werden und mehr Wert­schöp­fung aus selbst­pro­gram­miertem Code zu erzielen. Die Soft­ware soll Aufgaben in der Steue­rung, Bedie­nung und Vernet­zung über­nehmen und zudem eine wich­tige Rolle in der geplanten VW-Mobi­litäts­platt­form spielen. Hier geht es um Schnitt­stellen etwa zu Shuttle-Services, ergän­zendem Carsha­ring, Finanz­dienst­leis­tungen und anderen Ange­boten.

Doch das Thema erwies sich bei VW als deut­lich komplexer als zunächst ange­nommen. Seit gut zwei Jahren ist von einem Lern­pro­zess die Rede: Es brauche eben einige Zeit, bis die Entwick­lung richtig Fahrt aufnehmen könne. Das Fern­ziel eines über sämt­liche Ausstat­tungs­stufen "skalier­baren" Betriebs­sys­tems (VW.OS) für alle Pkw aus dem größten euro­päi­schen Auto­kon­zern ist jeden­falls noch lange nicht erreicht.

Der 2022 abge­tre­tene Vorstands­chef Herbert Diess hatte eine Platt­form für voll­digi­tali­sierte E-Fahr­zeuge mit VW.OS ab 2026 ange­peilt. Weil es jedoch Verzö­gerungen gab, wuchs der Unmut - insbe­son­dere bei den Töch­tern Porsche und Audi, die erklärten, Ober­klasse-Kunden sollten nicht allzu lange auf neue Funk­tionen warten müssen. Abstim­mungs- und Entwick­lungs­pro­bleme bei Cariad hatten Model­lein­füh­rungen verschoben. Diess' Nach­folger Oliver Blume entzerrte die Soft­ware-Stra­tegie. Damit wackelt aber auch der Zeit­plan des VW-Kern­pro­jekts Trinity, das ab 2026 als wich­tigstes Modell in einem neuen Werk starten sollte.

Die Stra­tegie von BMW

BMW: Die Münchner wollen zusammen mit großen IT-Konzernen Hard­ware und Soft­ware verbinden. BMW achtet aber darauf, die Hoheit über die Daten zu wahren und die Systeme selbst verknüpfen zu können, um nicht von einzelnen Part­nern abhängig zu werden. "Wir haben über­haupt keine Angst vor Tech-Playern, weil wir mit allen zusam­men­arbeiten", sagte Vorstands­chef Oliver Zipse im Januar bei der Tech­nik­messe CES in Las Vegas. Dies sind neben den IT-Giganten auch viele hoch spezia­lisierte Start-ups. Autos seien nicht bloß Smart­phones auf Rädern, sie seien komplex, erklärte Zipse - eine Hürde für etablierte Tech-Konzerne.

2025 will BMW eine neue, auf Elek­tro­antriebe ausge­rich­tete und soft­ware­defi­nierte Fahr­zeug­gene­ration auf den Markt bringen: die soge­nannte Neue Klasse. Einen Ausblick gab der Auto­bauer mit dem Visi­ons­fahr­zeug BMW i Vision Dee ("Digital Emotional Expe­rience").

Zipse sagte, der Wagen zeige, "was möglich ist, wenn Hard­ware und Soft­ware verschmelzen". Das Head-up-Display proji­ziere Infor­mationen über die gesamte Breite der Wind­schutz­scheibe. Und das Auto passe sich den Gewohn­heiten des Fahrers an - öffne etwa bei Annä­herung auto­matisch die Tür, schlage Navi­gati­ons­ziele vor und stelle Infor­mationen, Nach­richten, Kalen­der­ein­träge oder Social-Media-Posts zur Verfü­gung. Sogar die Wagen­farbe lasse sich digital ändern.

Nach einer Entschei­dung des Ober­lan­des­gerichts Karls­ruhe dürfen auch Beifahrer keine Blitzer-Apps während einer Auto­fahrt nutzen, wenn der Fahrer davon Kenntnis hat.

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