Bahn & Telekom: Lückenloses Handynetz bis Ende 2026?
Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Deutsche Bahn und Deutsche Telekom planen ein wörtlich "lückenloses Handynetz entlang der Schienen" bis 2026. Die Fahrgäste der Deutschen Bahn sollen dann auf allen Strecken ohne Unterbrechung im Telekom-Netz telefonieren und surfen können. Und zwar nicht nur entlang der Parade-Rennstrecken, die der schnelle ICE-Zug befährt, sondern auch in der tiefsten Bahn-Provinz!
Handyempfang radikal verbessern
Pressekonferenz im Hauptbahnhof Berlin. Von links: Bahnsprecher Voß, Vorstand Dr. Richard Lutz, Telekom Chef Tim Höttges, Minister Andreas Scheuer.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Bahn und Telekom wollen "den Handyempfang im Zug radikal" verbessern, teilten beide Unternehmen heute in einer virtuellen Pressekonferenz im Berliner Hauptbahnhof unter Anwesenheit von "Digital-Minister" Andreas Scheuer mit: Reisende, die das Mobilfunknetz der Telekom nutzen, sollen künftig auf allen Strecken ohne Unterbrechung telefonieren und surfen können – und das in viel besserer Qualität als heute.
Nicht nur das: Spätestens 2026 soll es entlang der Schienenstrecken im Fern- und im Regionalverkehr keine Versorgungslücken mehr geben. Und da gibt es einige wunderschöne Strecken, die durch die absolute Einsamkeit führen.
Beide Unternehmen haben vereinbart, dass die Telekom ihr Mobilfunknetz an den Schienenstrecken der DB schnellstmöglich ausbauen, vorhandene Lücken schließen und die Leistungsfähigkeit des Netzes erheblich steigern will. Gemeinsam wollen beide Unternehmen einen dreistelligen Millionenbetrag investieren, um diese Ziele umzusetzen.
Bahnchef möchte mit Mobilfunk seine Kunden überzeugen
Dr. Richard Lutz, oberster Chef der Deutschen Bahn, erklärt das so: "Sicherheit, Sauberkeit, Hygiene, der Zeitfaktor und die Konnektivität sind Argumente, um sich für die Schiene zu entscheiden. Der Zug ist Büro, Konferenzraum, Entspannungsort. Dazu braucht es ein hochperfomantes Mobilfunknetz." Und gibt bekannt: "Diese Aufgabe ist nicht alleine zu erfüllen. Hier hat ein Umdenken in der Zusammenarbeit stattgefunden. Wir haben gemeinsame Ziele. Wir wollen nicht die Probleme oder Gründe, sondern nach Lösungen suchen, wer welchen Beitrag liefern kann."
Höttges möchte Bahnkunden zu Telekom-Kunden machen
Telekom Chef Tim Höttges räumt ein, dass noch viel zu tun ist und möchte am liebsten alle Bahnkunden zu Kunden der Telekom machen.
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, nennt einige Problempunkte, die nun endlich gelöst werden müssen. "Wir dürfen nicht rumlamentieren oder jammern. Wir müssen das hinbekommen entlang der Trasse, im normalen Verkehr. Die Kunden haben Anspruch auf eine dauerhafte Versorgung. Wir können von der Schweiz und Österreich lernen."
Und er räumt ein: "Minister Scheuer hat uns einen Tritt in den Hintern gegeben", aber auch: "Ich möchte, dass die Kunden der Bahn zu Kunden der Telekom werden."
Minister Scheuer: Vom Einstieg bis zum Ausstieg lückenloses System
Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, hat auch verstanden, worauf es ankommt: „In den Zügen und an den Bahnhöfen muss vom Einstieg bis zum Ausstieg ein lückenloses System geben. Wir wollen flächendeckenden Mobilfunk." Scheuer freut sich, dass Bahn und Telekom und die Bundesregierung mobil und digital sehr ernst nehmen. Die Initiative habe immens weiter entwickelt. "Digital wird real. Mit unglaublich viel Investition. Bürger und Fahrgäste wollen arbeiten, kommunizieren, ausruhen."
Die vereinbarte Zusammenarbeit bei der Mobilfunkversorgung ist "für Deutsche Bahn und Deutsche Telekom ein Meilenstein", besonders wenn man sich mit Branchenkennern unterhält. Klar: Beide wollen ihren Kunden das Bahnfahren so angenehm wie möglich machen.
Gemeinsam stellen die Beteiligten fest: Schon heute nutzen fast alle Fahrgäste eine Internetverbindung im Zug. Ein stark verbesserter Mobilfunkempfang ist die Voraussetzung dafür, dass noch mehr Menschen Bahn fahren. Mehr Komfort an Bord treibt die Mobilitätswende voran und trägt damit zum Klimaschutz bei. Doch die Tücken stecken im Detail vor Ort.
Ende 2026 lückenlos versorgt?
Konkret will die Deutsche Telekom das gesamte Streckennetz der DB bis Ende 2026 lückenlos mit ihrem Mobilfunknetz versorgen. Auf vielen Strecken werden die geplanten Investitionen bis 2024 erfolgen, auf allen Strecken spätestens bis Ende 2026. Und man glaubt den Beteiligten sofort, wenn man ihre heutige Presse-Erklärung liest: "Auf einigen Regionalstrecken werden Fahrgäste anschließend zum ersten Mal überhaupt Empfang haben."
Ein paar Zahlen
Das Streckennetz der DB umfasst insgesamt 33.400 Kilometer. Davon sind 7.800 Kilometer Hauptverkehrsstrecken, auf denen alle ICE- und die wichtigsten IC-Züge fahren. Diese Strecken will die Telekom bis Ende 2024 mit einer Datenrate von mehr als 200 MBit/s versorgt haben.
Auf weiteren 13.800 Kilometern "fahrgaststarker Strecken", auf denen pro Tag mehr als 2000 Fahrgäste unterwegs sind, will die Telekom bis Ende 2025 ebenfalls eine Datenrate von mehr als 200 MBit/s anbieten. Das wäre in beiden Fällen "signifikant mehr als heute".
"Alle sonstigen Strecken" will die Deutsche Telekom bis Ende 2026 mit einer Datenrate von mehr als 100 MBit/s versorgen. In den kommenden Jahren soll die Versorgung dann kontinuierlich dem jeweiligen Stand der Technik angepasst werden, versprechen die Protagonisten.
Ambitoniertes Projekt
Die Telekom werde in den kommenden Jahren rund 800 neue Mobilfunkstandorte entlang der Schiene in Betrieb nehmen sowie die Kapazität an mehreren hundert Standorten erweitern, um das Mobilfunknetz entlang der Bahnstrecken zu verbessern, kündigt sie an.
Die Deutsche Bahn will "in noch stärkerem Maße" Flächen und Glasfaserinfrastruktur entlang der Schienen zur Verfügung stellen und Dienstleistungen rund um Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozesse anbieten. Die DB arbeite außerdem daran, dass "Mobilfunksignale besser in den Innenraum der Züge kommen".
Wir werden die technischen Details und die Feinheiten des Deals noch in einem weiteren Artikel beleuchten.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
So langsam dämmert die Erkenntnis, die ich vor Jahren schon formuliert habe: "Es braucht Sender, Sender, Sender". Nun wollen wir mal hoffen, dass die heutige Energie ausreicht, um alle bürokratischen und anderen (z.B. finanziellen) Hindernisse, die diesem Ausbau immer wieder entgegen stehen, auch überwunden werden können.
Und Problemfälle gibt es genügend, etwa an der Bahnstrecke Berlin - Hamburg, wo es in Aumühle einfach keinen Standort geben will. GSM (2G) gibt's seit 1991, also seit 30 Jahren. Was ist in dieser Zeit passiert?
Für alle Skeptiker, denen Mobilfunk nach wie vor unheimlich ist: Telekommunikation ist auch ein Stück Sicherheit. Wer tief in der Einöde Hilfe braucht, ist froh, wenn es dort ein Netz gibt, um Hilfe zu organisieren. Und es ist einfach gut zu wissen, dass man von unterwegs den Lieben daheim Bescheid sagen kann, falls der Zug Verspätung hat oder sich die Reisepläne anderweitig ändern.
Und die Konkurrenten?
Gespannt darf man sein, wie der Netzausbau von Vodafone oder Telefónica (o2) entlang der Bahnstrecken vorwärts kommt. Denn auch mit denen wird und will die Bahn reden. Sinnvoll wäre es wohl, wenn sich alle Netzbetreiber (einschließlich dem künftigen Netzanbieter 1&1) auf einen gemeinsamen Netzausbau einigen könnten. Das scheint aber so detailliert nicht vorgesehen zu sein.
Heute morgen hat die Telekom gemeinsam mit der Wirtschaftssenatorin den Glasfaserausbau für Berlin in Bewegung gebracht.