Plage?

Pokémon Go: Spagat zwischen Geschmacklosigkeit & Spaß

Spieler der App Pokémon Go bevölkern Parks, öffentliche Gebäude und sogar Fußballstadien. Viele Städte freuen sich über den Zulauf - und mancher entwickelt schnell eine Geschäftsidee. Doch es gibt auch Probleme.
Von Marleen Frontzeck-Hornke mit Material von dpa

Pokémon Go in den Städten Pokémon Go in den Städten
Bild: dpa
Gutes Wetter lockt die Menschen zwar immer vor die Tür, doch das Bild, was sich derzeit in vielen Städten zeigt, setzt dem noch einmal eins drauf. Am Maschsee in Hannover, am Dom in Osnabrück oder in der Braunschweiger Fußgängerzone sind in den vergangenen Tagen Hunderte Pokémon-Go-Spieler auf der Jagd nach virtuellen Monstern unterwegs. Aber auch in der Hauptstadt Berlin sieht man unterwegs viele Spieler, die ein Pokémon jagen.

Wer noch vor einer Woche beim Wort "Spaziergang" verständnislos auf dem Sofa sitzen blieb, für den sind kilometerweite Strecken plötzlich kein Problem mehr. Zur Freude vieler Städte: "Die Menschen sollen doch lieber draußen herumrennen, als im dämmerigen Zustand vor dem Bildschirm zu sitzen", sagt Osnabrücks Stadt-Sprecher Sven Jürgensen. Plötzlich seien ganze Menschengruppen in den Grünanlagen und Fußgängerzonen unterwegs. "Das ist doch toll."

In Hannover hofft die Stadt darauf, dass die Einheimischen ihre Heimat noch einmal neu entdecken. Den Menschen seien die Sehenswürdigkeiten ihrer Stadt oft gar nicht präsent, das könnte sich nun ändern, hofft Stadt-Sprecher Andreas Möser. "Und wenn das mit Pokémon spielerisch geschieht - warum nicht?" Die Spieler seien schon an vielen Orten aufgetaucht: am Maschsee, im Maschpark und auch in den Herrenhäuser Gärten. Nur in den Landtag haben es die Monsterjäger noch nicht geschafft. "Wir sind da relativ sicher, weil hier ohne Führung niemand rein kommt", erklärt Sprecherin Ly Do. Ohnehin gebe es wegen der Sommerpause gerade keine Führungen.

Virtuelle Kampfarenen an Friedhöfen und Gedenkstätten

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In Wolfsburg wurde das Angebot dagegen sogar kurzfristig erweitert. Nachdem immer wieder Menschen rund um das Fußballstadion unterwegs waren, öffnet der VfL Wolfsburg seine Arena seit Donnerstag für die Monsterjäger. In speziellen Führungen dürfen die Teilnehmer auch an nicht-öffentlichen Bereichen wie den Trainerbänken oder in der Heimkabine auf die Suche nach den Figuren gehen, erklärte eine Vereinssprecherin.

Doch der Trend löst nicht bei aller Euphorie aus. "Geschmacklos" nennt Wolfgang Freitag, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Ostfriesland, das, was gerade an der Gedenkstätte für jüdische Opfer der NS-Zeit in Aurich passiert. Dort befindet sich eine von den Machern der Pokémon-App eingerichtete virtuelle Kampfarena in der die Spieler ihre Figuren gegeneinander antreten lassen können. "Wenn gerade an einem Ort, an dem der durch Rassenwahn Ermordeten gedacht wird, virtuelle Kämpfe ausgefochten werden sollen, ist das völlig deplatziert", meint Freitag.

Auch an anderen Orten gab es schon Probleme, an Friedhöfen etwa. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft will sich an den Spielebetreiber wenden, um die Gedenkstätte als Kampfarena aus dem Spiel nehmen zu lassen. So weit wollen die Städte nicht gehen. Sie appellieren daran, niemanden zu behindern oder zu stören. "Auf einem Friedhof kann ja auch eine Beerdigung stattfinden", sagt Jürgensen. "Wir bitten die Spieler deshalb, auf ihre Umgebung Acht zu geben."

Pokémon Go startet im Geburtsland Japan

Zum Start des Smartphone-Spiels Pokémon Go in Japan haben sich trotz Regens sofort begeisterte Fans auf die Jagd nach den virtuellen Figuren gemacht. "Ich bin glücklich, ich habe so lange auf die Veröffentlichung gewartet", sagte ein 20-jähriger Angestellter im Tokioter Manga- und Animations-Mekka Akihabara der Nachrichtenagentur Kyodo. Das Spiel ging am Freitag im Geburtsland der Pokémon-Monster an den Start. Zuvor war die App bereits in gut 30 anderen Ländern veröffentlicht worden und hatte einen Ansturm ausgelöst.

Auf der Jagd nach den Figuren sind die Spieler dabei häufig so in das Spiel vertieft, dass mancher von seinem Umfeld kaum etwas wahrnimmt. Angesichts von Berichten aus dem Ausland, wo es bereits mehrere Unfälle mit unaufmerksamen Pokémon-Spielern gab, startete die japanische Regierung kurz vor der Veröffentlichung eine Kampagne, um die Bevölkerung zu erhöhter Vorsicht und gutem Benehmen aufzurufen. "Wenn man sich ansieht, was in Übersee passiert ist, sollten die Leute ihre Smartphones sicher benutzen", sagte Regierungssprecher Yoshihide Suga. In der Hauptstadt Tokio rief die besorgte Polizei die Bürger auf, ihre Smartphones nicht beim Gehen zu nutzen.

Doch kaum ist das Spiel im eigenen Land angekommen, konnten die ohnehin spieleverrückten Fans kaum an sich halten. In der Stadt Akita im hohen Norden des fernöstlichen Inselreiches versteckte sich ein Oberschüler vor seinen Lehrern, um ungestört Pokémon Go zu spielen. "Ich bin schon seit meiner Grundschulzeit Pokémon-Fan", erzählte der Schwänzer einem Reporter. In der südwestlichen Stadt Fukuoka wurde ein 18-Jähriger Pokémon-Spieler um Haaresbreite von einem Auto erfasst, wie Kyodo berichtete. In der Millionen-Stadt Osaka fiel ein Oberschüler beim Spielen eine Treppe runter.

Japans Bahngesellschaften forderten die Zuggäste eindringlich auf, die App nicht zu benutzen, während sie auf dem Bahnsteig auf einen Zug warten. Generell solle niemand Smartphones benutzen, während er auf dem Bahnsteig gehe, das habe man immer wieder erklärt, hieß es.

Neben den teilweise geschmacklosen Orten, an denen die Arena-Kämpfe stattfinden, hat das Spiel auch weitere Schattenseiten. So existieren zahlreiche Fake-Apps von Pokémon Go, die die Spieler abzocken wollen oder gar Schadsoftware beinhalten. Aber es können auch Kostenfallen beim Mobilfunk-Tarif entstehen, wenn der Nutzer nicht aufpasst. Zudem kritisieren die Verbraucherschützer die Nutzungsbedingungen von Pokémon Go. Mehr dazu erfahren Sie in einem weiteren Hintergrundbericht.

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