Interview

Radio FFN: "Begrüßen DAB+-Planungen in Niedersachsen"

Kehrt­wende in Nieder­sachsen: Sah es zunächst nach einem Aus für DAB+ im Norden aus, setzt die Landes­politik mitt­ler­weile auf den Digi­tal­radio­stan­dard. Unter anderem darüber spre­chen wir mit Radio FFN-Geschäfts­führer Harald Gehrung.
Von Björn König

Foto: Radio FFN Radio FFN-Geschäftsführer Harald Gehrung
Foto: Radio FFN
Bislang stand Nieder­sachsen dem Thema DAB+ eher kritisch gegen­über, doch die poli­tischen Rahmen­bedin­gungen haben sich mit der zuneh­menden Verbrei­tung des Digi­tal­radio­stan­dards geän­dert. Die nieder­säch­sische Sender­gruppe Radio FFN setzt vor diesem Hinter­grund aller­dings digital nicht nur auf den Heimat­markt, sondern will auch außer­halb der Landes­grenzen wachsen. Darüber spre­chen wir mit Radio FFN-Geschäfts­führer Harald Gehrung. Foto: Radio FFN Radio FFN-Geschäftsführer Harald Gehrung
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teltarif.de: Herr Gehrung, hören Sie privat Radio lieber über UKW, DAB+ oder Smart Speaker?
Harald Gehrung: Kreuz und quer... Zu Hause habe ich vier Alexas; daher dort über Smart Speaker, im Auto über UKW und in NRW im Auto über DAB+.

teltarif.de: Beim Thema digi­taler Rund­funk schieden sich über viele Jahre die Geister. Während die öffent­lich-recht­lichen Sender beim Thema DAB+ von Anfang an dabei waren, zeigten sich insbe­son­dere die privaten Radio­sender skep­tisch. Lange Zeit glaubten die Veran­stalter nicht, Hörer­zahlen und Werbe­umsätze auf dem digi­talen Empfangsweg kompen­sieren zu können. Bei FFN gibt es dazu nun einen Sinnes­wandel. Was war ausschlag­gebend?
Harald Gehrung: Die zusätz­lichen Verbrei­tungs­kosten durch DAB+ können wir immer noch nicht am Werbe­markt refi­nan­zieren. Im Simul­cast Bereich (also in Gebieten, wo wir über UKW und DAB+ empfangbar sind) wäre es vergleichbar, als würde man an einem Strand versu­chen, den "weißeren Sand" gebüh­ren­pflichtig zu verkaufen. Es gibt mitt­ler­weile aber einen Grund, der in einer EU-Richt­linie begründet liegt. Alle Neufahr­zeuge müssen ja mitt­ler­weile mit einem DAB+ Chip ausge­stattet werden und wir wären dann ohne DAB+ Verbrei­tung im Sender-DAB+-Bouquet nicht auffindbar. Ferner haben wir mit DAB+ die Möglich­keit, neues Programm recht kosten­günstig zu verbreiten. Liegen doch die Kosten bei 1/10 einer UKW-Distri­bution.

teltarif.de: Wie stehen Sie zur gene­rellen poli­tischen Entschei­dung für DAB+ in Nieder­sachsen? Dort hatte es ja eine deut­liche Verän­derung gegen­über vorhe­rigen Posi­tionen gegeben.
Harald Gehrung: Das ist richtig. Aber wenn sich Rahmen­bedin­gung ändern, kann man auch seine Meinung ändern. Wir begrüßen daher die Planungen, auch in Nieder­sachsen DAB+ als Verbrei­tungsweg einzu­führen und werden uns an diesem Prozess betei­ligen.

teltarif.de: Halten Sie DAB+ mit Blick auf 5G Broad­cast für eine Über­gangs­tech­nologie?
Harald Gehrung: Die One-to-Many-Verbrei­tung ist lang­fristig sicher­lich eine Über­gangs­lösung. Das träfe auch auf 5G Broad­cast zu. Aber hier ist noch nicht hundert­pro­zentig klar, wohin die Reise geht. Als werbe­finan­ziertes Medium haben wir ein hohes Inter­esse an einer One-to-One-Über­tra­gung. Nur so lernen wir unsere Ziel­gruppe besser kennen, können Abschalt­fak­toren iden­tifi­zieren und unseren Kunden maßge­schnei­derte Werbe­ange­bote anbieten. Schlichtweg das tun, was bei Social Media schon immer üblich ist. Fakt ist aber auch, dass bei einer One-to-One-Über­tra­gung die Vertriebs­kosten propor­tional mit der Nutzung steigen, da man bei stei­gender Nutzung auch mehr gleich­zei­tige Streams anbieten muss. DAB+ ist daher keine eindeu­tige Über­gangs­tech­nologie, sondern eher die Vorgän­ger­tech­nologie zu 5G Broad­cast, was aber meines Wissens nach flächen­deckend erst in sehr vielen Jahren zur Verfü­gung stehen wird.

teltarif.de: Abseits des mobilen Empfangs erscheint es unwahr­schein­lich, dass DAB+ jemals den glei­chen Stel­len­wert wie UKW erreicht. In der Wohnung erfüllt ein Smart Speaker vermut­lich noch besser diesen Zweck und bietet gleich­zeitig eine größere Programm­viel­falt. Sind größere Inves­titionen in DAB+ vor diesem Hinter­grund über­haupt sinn­voll?
Harald Gehrung: Auch bei DVB-T2 gibt es ja vergleich­bare Diskus­sionen, die Mobil­funk­betreiber haben großes Inter­esse an den Frequenzen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle Smart Speaker auch Bild­schirme haben werden und dann rückt lineares Radio ganz schnell an die zweite Stelle. DAB+ ist vor allem ein Thema für den mobilen Empfang im Auto und da ist die Tech­nologie schon sehr komfor­tabel. Bereits heute kann man seinen Lieb­lings­sender von Flens­burg bis Garmisch hören, ohne Rauschen und ohne den Daten­tarif seines Handys zu nutzen. Terres­tri­sches Radio und TV-Nutzung ließen sich noch nie verglei­chen. Die terres­tri­sche Nutzung von TV lag schon in den 90er Jahren des letzten Jahr­hun­derts bei nur 4 bis 8 Prozent. Beim Radio dagegen schon immer bei 90 Prozent. Daher ist DAB+ als Ergän­zung zu UKW sehr wohl sinn­voll, um mehr Programm­viel­falt herzu­stellen. In Bayern kann man in einigen Regionen bereits 70 und mehr Programme digital und ohne Mehr­kosten empfangen. Selbst in Nieder­sachsen empfängt man bereits heute fast 40 Programme. DAB+ wird daher noch sehr lange eine wich­tige Rolle bei der terres­tri­schen Audio­über­tra­gung spielen.

teltarif.de: In NRW ist FFN mit dem Party­sender "Radio Boller­wagen" im neuen Landesmux vertreten. Wie zu hören war, hatten Sie aber auch an der landes­weit ausge­schrie­benen UKW-Kette Inter­esse. Aller­dings haben sich mit der Antenne Bayern Group, Studio Gong und Arabella das Who is Who der privaten Veran­stalter beworben. Warum ist UKW für Sie in NRW ein Thema?
Harald Gehrung: Die FFN-Medi­engruppe hat sich bewusst nicht mit dem Spar­ten­sender Radio Boller­wagen auf die UKW-Ausschrei­bung in NRW beworben. Als reich­wei­ten­stärkster Privat­sender nörd­lich des Mains wissen wir, wie man erfolg­rei­ches Radio macht. In NRW gibt es eben einen kleinen Unter­schied zu anderen Bundes­län­dern. Während es beispiels­weise in Nieder­sachsen drei landes­weite Privat­sender und über 10 regio­nale und lokale Privat­sender gibt, hat NRW eben nur seine 44 Lokal­sta­tionen und noch keine landes­weite Bede­ckung. Auch ist der Werbe­druck in NRW durch die begrenzten Werbe­mög­lich­keiten im Privat­funk noch nicht optimal. Daher ist unserer Ansicht nach noch Platz für ein reich­wei­ten­starkes Programm wie NRW GOLD. Mit diesem AC-GOLD-Format spre­chen wir bewusst eine etwas ältere Ziel­gruppe an, die derzeit im Privat­funk so noch nicht bedient wird. Wir glauben damit eine Lücke im Angebot zu schließen und viel vermarkt­bare Reich­weite zu gene­rieren.

teltarif.de: Antenne NRW startet mit einem Current Based AC-Format. Das ist mit Blick auf die regio­nale und natio­nale Konkur­renz nicht gerade eine Markt­lücke. Glauben Sie, dass für solche Formate über­haupt noch Platz ist? Sie sind ja in NRW bewusst einen völlig anderen Weg gegangen.
Harald Gehrung: Auf alle Fälle ist das noch eine Markt­lücke. Die Kollegen zielen ja in die gleiche Rich­tung wie wir. Wie gesagt, unser Party­sender ist für DAB+ ein Thema, weil es hier eben noch kein Format in dieser Rich­tung gibt; dafür aber viele Main­stream­for­mate. Das ist im UKW-Bereich völlig anders. Ja, da gibt es den WDR mit all seinen Wellen, aber eben noch kein privates AC-basiertes landes­weites Programm. Das wird sich mit der Ausschrei­bung dieser UKW-Kette ändern. Wir glauben mit NRW GOLD eine breite Ziel­gruppe eben anders zu errei­chen, als dies bislang der Fall ist.

teltarif.de: Wie entwi­ckeln sich die FFN-Webra­dios gene­rell im Vergleich zum Haupt­pro­gramm?
Harald Gehrung: Sowohl das Haupt­pro­gramm als auch die Streams entwi­ckeln sich sehr gut. FFN und alle anderen Marken wachsen gem. MA IP audio jähr­lich um ca. 1 Mio. Sessions oder 15 bis 20 Prozent. Radio Boller­wagen hat beispiels­weise so viele Sessions, dass mancher landes­weite AC-Sender dahinter zurück­fällt. Das ist auch der Grund warum wir dieses Spar­ten­pro­gramm auf DAB+ gelauncht haben. Weitere Spar­ten­pro­gramme, die es so noch nicht gibt, sind noch in der Pipe­line.

teltarif.de: Zumin­dest beim Thema Musik sind Strea­ming-Dienste sicher­lich auch für Sie eine Konkur­renz. Wie müssen Radio­sender darauf reagieren? Eine tradi­tio­nelle Stärke ist ja z. B. der Wort­anteil mit regio­nalen Infor­mationen.
Harald Gehrung: Ja sie sind eine Konkur­renz. Insbe­son­dere im Werbe­markt. Dennoch unter­scheiden sich die Nutzungen (noch). Auch die längste Play­list ist irgend­wann zu Ende und am Ende nicht so gut, wie ein kura­tiertes Radio­pro­gramm. Ja, teil­weise ist der Algo­rithmus auch seelenlos. Guten Wort­anteil gibt es derzeit aber auch bei Spotify und leider erhalten sie diesen teil­weise umsonst von öffent­lich-recht­lichen Sendern. Das verzerrt nicht nur das System, sondern hier kanni­bali­sieren wir uns auch mit nicht linearen Audio­diensten. Das Gute jedoch für Radio ist, dass viele Menschen es bequem mögen und diese Entschei­dungen gar nicht treffen möchten. Und da kommen wir dann wieder ins Spiel. Ein weiterer Punkt ist die Strahl­kraft und Verbun­den­heit einer regio­nalen Marke mit einem Bundes­land. So ist das Image von Radio FFN eben auch seit 35 Jahren gefes­tigt, und die Menschen, die uns einschalten, wissen eben genau, was sie kriegen. Nämlich Musik, Nieder­sachsen und Comedy. Bei einem nicht linearen, seelen­losen Musik­kanal fehlen diese Skills.

teltarif.de: Ihr Mitbe­werber Regio­cast ist mit Ange­boten wie Radio BOB! und 80s80s auch bundes­weit expan­diert. Wie sehen Ihre Pläne dazu aus?
Harald Gehrung: Als mittel­barer Gesell­schafter der Regio­cast sehen wir diese nicht als Mitbe­werber, sondern als Partner. Wir planen in eine ähnliche Rich­tung, da wir glauben, dass man bei einem Spar­ten­sender eben nur über einer kriti­schen Masse wirk­lich auch erfolg­reich wirt­schaften kann. Auch hier gilt eben das Gesetz der großen Zahl und 10 Prozent von 82 Mio. Bundes­bür­gern sind eben ein paar Hörer mehr als 10 Prozent von 8 Mio. Nieder­sachsen.

teltarif.de: Eine wich­tige Frage zum Schluss: Durch den demo­gra­fischen Wandel wird die Kern­ziel­gruppe tenden­ziell älter. Es geht weg von 14-49 zu 30-59. Ist diese Entwick­lung mittel­fristig noch stärker in den Ange­boten von FFN hörbar?
Harald Gehrung: Wir entwi­ckeln uns mit unseren Hörern in unseren Programmen. Man darf jedoch nicht dem Fehl­schluss erliegen, dass die heute älteren Menschen auch nur "ältere" Musik mögen oder "alt" ange­spro­chen werden wollen. Hier hat sich doch in den letzten 20 Jahren sehr viel verän­dert.

teltarif.de: Herr Gehrung, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Harald Gehrung:
Harald Gehrung studierte BWL an der Univer­sität des Saar­landes und arbei­tete schon während seines Studiums als Mode­rator für Radio Salü in Saar­brü­cken. Danach wech­selte der Diplom-Kauf­mann als Geschäfts­führer zu 100,5 DAS HITRADIO nach Eupen. Seit 2003 ist er Geschäfts­führer der FFN-Medi­engruppe und verant­wortet unter anderem FFN, Energy Bremen sowie Radio Roland.

Über die Zukunft von UKW spra­chen wir in einem weiteren Inter­view mit Regio­cast-Geschäfts­führer Dirk van Loh.

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