Interview

Regiocast: "UKW spielt noch zentrale Rolle"

Regio­cast ist neben RTL einer der größten Betreiber von privaten Radio­sen­dern in Deutsch­land. Dazu gehören Marken wie R.SH, Radio PSR, Radio BOB! oder 94,3 rs2. Unter anderem über die Zukunft von UKW spre­chen wir mit Geschäfts­führer Dirk van Loh.
Von Björn König

Kommt schon bald das Ende für den analogen UKW-Stan­dard? Diese Frage muss man natür­lich zunächst den privaten Radio­sen­dern stellen, denn sie sind bislang wirt­schaft­lich beson­ders von den Hörern auf UKW abhängig. Dirk van Loh, Geschäfts­führer der privaten Sender­gruppe Regio­cast, glaubt zumin­dest nicht an ein schnelles Ende des analogen Radio­emp­fangs. Unter anderem darüber haben wir mit ihm in einem teltarif.de-Exklu­siv­inter­view gespro­chen. Foto: REGIOCAST GmbH Dirk van Loh ist Geschäftsführer des Radionetzwerks REGIOCAST
Foto: REGIOCAST GmbH
teltarif.de: Herr van Loh, der Digi­tal­radio­stan­dard DAB+ konnte bislang in Deutsch­land nicht richtig zünden. Nun gewinnt das Thema mit dem zweiten Bundesmux noch einmal an Fahrt. Ist das aus Ihrer Perspek­tive nun womög­lich doch endlich der erwar­tete Sarg­nagel für das analoge UKW?
Dirk van Loh: Meine Wahr­neh­mung ist, dass DAB+ in den vergan­genen Jahren in Deutsch­land bereits gezündet hat. Das belegen diverse Zahlen, wie zuletzt der dies­jäh­rige Digi­tali­sie­rungs­bericht Audio der Landes­medi­enan­stalten, sowie die gute Perfor­mance vieler Programm­ange­bote, die seit einigen Jahren über den MUX 1 bundes­weit zu empfangen sind. Die fort­lau­fende Nutzung des DAB+-Verbrei­tungs­wegs durch regional bestehende und auch neue Programme, führt zu einer stetigen Verbes­serung der Ange­bots­viel­falt und damit wach­senden Moti­vation der Menschen, sich ein DAB+-fähiges Gerät zu kaufen. Zusätz­liche Argu­mente dafür liefert der nun star­tende bundes­weite MUX 2 mit neu hinzu­kom­menden Programm­ange­boten. Dass das analoge UKW als Über­tra­gungsweg seine bislang domi­nie­rende Rolle täglich ein wenig mehr verliert, ist ein Fakt. Im Sarg sehe ich UKW aber noch lange nicht liegen. Nach wie vor spielt UKW die zentrale Rolle, wenn es darum geht, eine entspre­chende Reich­weite bei den Menschen und damit eine Rele­vanz im Werbe­markt aufzu­bauen.

teltarif.de: Das Herz von Regio­cast sind regio­nale Radio­sta­tionen wie R.SH in Schleswig-Holstein und Radio PSR in Sachsen. Aller­dings setzt Ihr Unter­nehmen zuneh­mend auf bundes­weite Spar­ten­pro­gramme, wie beispiels­weise 80s80s, RADIO BOB! oder Schlager Planet Radio. Diese Programme werden teil­weise über DAB+ oder auch primär im Web gestreamt. Welcher Verbrei­tungsweg ist für Sie die Zukunft?
Dirk van Loh: Wir setzen in der Tat auf starke, in der Region verwur­zelte Marken, die unseres Erach­tens auch in der digi­talen Ange­bots­welt regional eine Zukunft haben. National konzen­trieren wir uns hingegen auf Formate für spit­zere Ziel­gruppen. Die "Zukunft" ist für uns nicht maßgeb­lich verbrei­tungs­spe­zifisch bestimmt. Die aktuell genutzten Verbrei­tungs­wege haben alle ihre Vor- und Nach­teile und wir entscheiden marken­spe­zifisch, welche Verbrei­tungs­wege wir für welches Angebot nutzen. Zudem ergeben sich bei DAB+ und vor allem UKW lizenz­recht­liche Fragen. Hinzu kommt, dass die UKW-Ressourcen nahezu voll­ständig vergeben sind. Wenn wir "Zukunft" über fünf Jahre hinaus begreifen, werden IP-gestützte Geschäfts­modelle an Bedeu­tung gewinnen. Dafür sorgen allein die sich digi­tali­sie­renden Haus­halte sowie der Werbe­markt.

teltarif.de: Egal ob UKW oder DAB+: Rund­funk­fre­quenzen werden auf Landes­ebene für eine begrenzte Zeit ausge­schrieben. Hier ist natür­lich nie garan­tiert, dass Sie bei einer Bewer­bung auch den Zuschlag bekommen. Diesem Proze­dere kann man doch als Webradio bequem aus dem Weg gehen. Von daher wäre es für Sie doch sicher wünschens­wert, wenn noch mehr Hörer Inter­net­radio-Ange­bote nutzen.
Dirk van Loh: Wir freuen uns über jeden Hörer, der eines unserer Ange­bote nutzt - egal über welchen Weg er zu uns kommt. Die Trans­for­mation der Audio­nut­zung ist im vollen Gange und jeden Tag nutzen mehr Menschen IP-Geräte, um Höran­gebote zu konsu­mieren. Diese gesamte Entwick­lung begrüßen wir außer­ordent­lich. Für Regio­cast ist jeder digi­tale Hörer, im Sinne von IP, mehr "wert", als ein analoger, da wir im Rahmen der digi­talen Nutzung unserer Ange­bote mehr über den Hörer erfahren. Digi­tale Hörer können wir ziel­grup­pen­spe­zifi­scher anspre­chen und besser auf ihre Wünsche eingehen. Vermark­tungs­seitig betrachtet sind wir somit in der Lage mit digi­talen Hörern am Werbe­markt höhere Preise zu erwirt­schaften. Dies gilt für neue, wie auch für unsere tradi­tio­nellen Audio­ange­bote.

teltarif.de: Auffällig ist, dass Regio­cast eher "klei­nere" Märkte im Nord­osten bedient. Im Fokus stehen dabei Länder wie Schleswig-Holstein, Hessen oder Sachsen. Die beiden "großen" Bundes­länder NRW und Bayern sind für Sie keine attrak­tiven Stand­orte? Zumal ja gerade in NRW auch eine landes­weite DAB+-Kette ausge­schrieben wird.
Dirk van Loh: Das hat ausschließ­lich histo­rische Gründe. Die Regio­cast entstand aus dem Zusam­men­schluss von R.SH und RADIO PSR. So sehr ich die Bundes­länder mag, in denen wir agieren, so wäre es wirt­schaft­lich für uns natür­lich deut­lich lukra­tiver in Märkten wie NRW, Baden-Würt­tem­berg oder Bayern ähnlich erfolg­reiche Marken zu haben, wie bspw. R.SH in Schleswig-Holstein. Mit unseren wach­senden digi­talen Ange­boten richten wir uns aber völlig Bundes­land unab­hängig an die entspre­chenden Ziel­gruppen. RADIO BOB! ist beispiels­weise ein Format für Fans von Rock­musik und wird bereits auch nennens­wert in NRW und Bayern gehört. Digital erzielt RADIO BOB! mit seinen viel­genutzten Strea­ming­ange­boten die mit Abstand höchsten Zahlen in NRW. Unseren erfolg­rei­chen Podcast "Mit den Waffeln einer Frau" mit Barbara Schö­neberger nutzen vor allem Frauen in Groß­städten – unab­hängig vom Bundes­land. Die IP-Nutzung sorgt dafür, dass Länder­grenzen für spitze Ziel­grup­pen­ange­bote keine Rolle mehr spielen. Das ist ein großer Gewinn für das Medium, da es für mehr Ange­bots­viel­falt sorgt. Nicht ohne Grunde ist das "Hören" als Nutzungsart der Gewinner der Digi­tali­sie­rung.

teltarif.de: Planen Sie derzeit weitere natio­nale Hörfunk­marken? Es gibt ja durchaus noch die eine oder andere Markt­lücke, welche aktuell noch gar nicht bedient wird. Inter­essant wäre viel­leicht ein privates Nach­richten- bzw. Kultur­radio oder eine bundes­weite Jazz­welle.
Dirk van Loh: Aktuell planen wir weitere Marken. Jedoch liegt der Fokus bei uns darauf, Regio­cast zu einem digital denkenden und agie­renden Unter­nehmen zu entwi­ckeln. Da ergeben sich u.a. viele prozes­suale Heraus­for­derungen. Wir wollen neben der Neuent­wick­lung von Marken auch die bestehenden Programme durch die digi­talen Möglich­keiten attraktiv halten und von Radio­ange­boten zu Audio­ange­boten entwi­ckeln. Wenn UKW denn wirk­lich einmal im Sarg landet, soll eine Marke wie R.SH ja nicht gleich­zeitig auch auf dem Friedhof landen. Solche regio­nalen Hör-Marken erneut aufzu­bauen, ist unmög­lich. In der Entwick­lung der Radio­ange­bote zu Audio­ange­boten steckt noch sehr viel Poten­tial, welches die digi­tale Trans­for­mation in allen Lebens­berei­chen der Gesell­schaft und Wirt­schaft erst ermög­licht. An dieser Trans­for­mation für unsere Audio­welt arbeiten wir.

teltarif.de: Zum Thema Smart Speaker: Wie intensiv werden die Programme von Regio­cast auf Alexa und Google Home genutzt?
Dirk van Loh: Das ist natür­lich von Marke zu Marke und von Markt zu Markt sehr unter­schied­lich. In Meck­len­burg-Vorpom­mern bspw. stehen in den Haus­halten weniger Smart Speaker, als in Frank­furt am Main. Dennoch zeigt sich: Je bekannter die Marke, desto höher ist der Anteil der IP-Nutzung über Smart Speaker. Einige unserer Marken kommen bereits auf einen Anteil von rund 25 Prozent der IP-Nutzung über Smart Speaker, andere errei­chen nicht einmal fünf Prozent. Insge­samt sehen wir zudem, dass die Nutzungs­dauer auf Smart Spea­kern dabei länger ist, als beispiels­weise am PC.

teltarif.de: Sehen Sie die Gefahr, dass Amazon und Google künftig als "Gate­keeper" die Radio­nut­zung kontrol­lieren und Ihnen den Exklu­siv­zugang zum Hörer nehmen?
Dirk van Loh: Diese Möglich­keit besteht selbst­ver­ständ­lich. Alle Platt­form­modelle agieren nach diesem Domi­nanz­gedanken. Und die großen ameri­kani­schen Player agieren hier ja auch durchaus selbst­bewusst. Das ist mitt­ler­weile zu einer gesell­schafts­poli­tischen Thematik geworden, die bis in das Funda­ment unseres demo­kra­tischen Gemein­wesens reicht: Private Unter­nehmen, häufig nicht aus Deutsch­land, als Gate­keeper, nicht nur für Indi­vidu­alkom­muni­kation, sondern auch für jegliche Form der Meinungs­bil­dung und das ohne jegliche demo­kra­tische Legi­tima­tion, wie wir sie bspw. im Bereich des Lizenz­rechts, der Landes­medi­enan­stalten oder dem öffent­lich-recht­lichen Rund­funk kennen. Ich habe den Eindruck, dass viele demo­kra­tisch legi­timierte Insti­tutionen in Deutsch­land und Europa mitt­ler­weile erkannt haben, welche Bedeu­tung dieses Thema hat. Nur auf dieser Ebene können Fragen, wie die von Ihnen genannte, geklärt werden.

teltarif.de: Als Radio­manager haben Sie selbst einige unter­schied­liche Märkte kennen­gelernt: Neben der Zeit bei Regio­cast waren Sie unter anderem bei Radio NRW in Ober­hausen und als Vorstands­vor­sit­zender von Radio Wawa in Polen. Von daher drängt sich eine Frage auf: Lässt sich Radio im digi­talen Zeit­alter auf lokaler oder regio­naler Ebene nicht schwie­riger als auf natio­naler Ebene ökono­misch reali­sieren?
Dirk van Loh: Wie schon gesagt, hängt dies von der jewei­ligen Marke ab sowie vor allem vom unter­neh­meri­schen Willen, diese Marken zu entwi­ckeln. Bekannte regio­nale Marken haben auch in der digi­talen Welt große Poten­tiale, die über das heutige Wirken hinaus­gehen. Da gilt es zu inves­tieren, was unter­neh­merisch auch mal bedeuten kann, Inves­titionen nicht nur aus dem Cash­flow zu finan­zieren. Das gilt für natio­nale Marken sogar noch mehr, weil sie diese aus einer Bekannt­heit von null heraus aufbauen müssen. Als Geschäfts­füh­rung der Regio­cast begrüßen wir es sehr, dass unsere Gesell­schafter das auch so sehen. Wir glauben an eine größere Zukunft von Radio und sind bereit, dafür Inves­titionen zu tätigen und somit die Unter­neh­mens­ent­wick­lung voran­zutreiben.

teltarif.de: Welche Sender der Regio­cast-Gruppe sind aktuell auf welchen Verbrei­tungs­wegen beson­ders stark gehört?
Dirk van Loh: Diese Frage kann man im nicht wirk­lich sauber beant­worten, da die MA Audio, als nach wie vor wich­tigste Grund­lage für Erfolg und Miss­erfolg, eine Erin­nerungs­abfrage ist und die befragten Personen aus der Erin­nerung heraus sagen müssen, über welche Verbrei­tungs­wege sie ein Programm am Vortag gehört haben. Digital können wir das tatsäch­liche Nutzungs­ver­halten natür­lich sehr gut beob­achten. Hier erzielt RADIO BOB! die mit Abstand höchste Nutzung in unserem Port­folio.

teltarif.de: Einige Formate im Regio­cast-Netz­werk hatten keine Zukunft. Dies betraf beispiels­weise Radio NORA, das heute nur noch als Webstream exis­tiert. Auch Sky Radio Hessen musste schließ­lich dem Rock­sender RADIO BOB! weichen. Könnte dies auch noch andere Programme treffen oder bleibt ihr aktu­elles Port­folio bestehen?
Dirk van Loh: Wir sehen uns mit unserem aktu­ellen Port­folio gut aufge­stellt, auch wenn es immer bei dem einen oder anderen Angebot etwas zu opti­mieren gibt. Aber natür­lich muss ein Unter­nehmen stets flexibel sein und auf Entwick­lungen reagieren können. Neue Ange­bote sowie durch die digi­talen Möglich­keiten verbes­serte Bestands­ange­bote wird es durch Regio­cast stets geben.

teltarif.de: Ihr Mitbe­werber RTL Radio Deutsch­land hat in Zusam­men­arbeit mit der Bertels­mann Content Alli­ance die Podcast-App "AUDIO NOW" gestartet. Gestreamt werden dort neben Podcasts auch lineare Radio­sender bzw. Webra­dios der RTL Medi­engruppe. RTL Radio Deutsch­land CEO Stephan Schmitter sagte im Gespräch mit teltarif.de, dass die App auch für Radio­sender außer­halb von RTL geöffnet ist. Planen Sie sich dort mit den Regio­cast-Sendern zu betei­ligen bzw. ist das Thema Podcast für Sie so rele­vant, dass Sie sich auch eine eigene Podcast-App vorstellen könnten?
Dirk van Loh: Die Streams der Regio­cast-Ange­bote finden sie bei den markt­füh­renden Aggre­gatoren wie TuneIn oder radio.de als auch bei vielen weiteren dieser Ange­bote wie den Radio­player. Den Kollegen von AUDIO NOW steht es natür­lich frei, unsere Strea­ming-Ange­bote auch auf dieser Platt­form anzu­bieten. Eigen­pro­duzierte Podcasts sind für uns vor allem Instru­mente, die Nutzer auf die eigenen Platt­formen wie beispiels­weise die barba-radio-App zu bekommen. Diese Stra­tegie funk­tio­niert auch sehr gut. Von daher sind wir mit der Einbin­dung solcher Ange­bote bei Podcast- Aggre­gatoren eher defensiv unter­wegs. Einen eigenen, neuen Aggre­gator für Strea­ming- und/oder Podcasts zu laun­chen, sehen wir für uns nicht, da diese Märkte bereits gut besetzt sind und sie nur mit hohem Druck geringe Markt­anteile erar­beiten können.

teltarif.de: Herr van Loh, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Dirk van Loh
Dirk van Loh ist Geschäfts­führer des privaten Radio­netz­werks Regio­cast. Der Diplom-Sozi­alwirt wech­selte 1997 nach Station bei Radio NRW in Ober­hausen zu RADIO PSR, dem ersten privaten Radio­sender der neuen Bundes­länder. Ab 1999 über­nahm er die Leitung der Markt­for­schung und Produkt­ent­wick­lung des Senders, bevor er in Polen den Vorstands­vor­sitz von Radio Wawa und die Geschäfts­füh­rung der Agencja Rekla­mowa über­nahm. Ab 2002 war Dirk van Loh Geschäfts­führer der MACH 3 Marke­ting GmbH & Co. KG, Toch­ter­unter­nehmen der Regio­cast und Vermarkter der nord­deut­schen Privat­sender R.SH, delta radio und Radio NORA. Seit 2010 ist er Geschäfts­führer der Regio­cast, welche den opera­tiven Radio­betrieb diverser Stationen in Deutsch­land verant­wortet.

In einem weiteren Inter­view haben wir mit Voda­fone-Privat­kun­den­chef Andreas Lauken­mann über Giga TV gespro­chen.

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