Interview

Ametsreiter: Wir stehen vor einem digitalen Erdbeben

Ein digitales Erdbeben möchte Vodafone mit dem Umbau seiner Kabel-TV-Netze auf DOCSIS3.1 auslösen, wobei langfristig die Koaxkabel durch Glasfaser ersetzt werden. Was passiert aber in weißen Flecken?
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Warum bekommen Franzosen, Finnen und Niederländer für 35 Euro im Monat unbegrenzt Datenvolumen? Warum sind die Deutschen in Sachen Mobilfunknetzausbau und günstigen Tarifen fast Schlusslicht in Europa? Wann beginnt in Deutschland wirklich das Gigabit-Zeitalter? Warum ist das Netz in der Bahn so schlecht? Über diese und andere Fragen hat das digitale Wirtschaftsmagazin T3N mit Vodafone-Deutschland-Chef Hannes Armetsreiter gesprochen.

Mehr Flatrate fürs Geld?

Das Wirtschaftsmagazin T3N hat Vodafone CEO Hannes Ametsreiter zu Tarifen, Lizenzen und zum Netzausbau in Deutschland befragt. Das Wirtschaftsmagazin T3N hat Vodafone CEO Hannes Ametsreiter zu Tarifen, Lizenzen und zum Netzausbau in Deutschland befragt.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Die Antwort: "Weil nicht nur Topographie und Bevölkerungsverteilung in Europa sehr unterschiedlich sind, sondern auch die regulatorischen Rahmenbedingungen, die für Netzausbau und Preise eine entscheidende Rolle spielen. Es gibt Länder wie eben Finnland, da haben die Netzbetreiber wie in der gerade stattgefunden 5G-Vergabe kaum etwas für die Frequenzen bezahlen müssen. Die große Nationalstaatlichkeit bei der Lizenzvergabe hat somit auch zu großen Unterschieden in der Tarifgestaltung geführt. Wir wären offen dafür, wenn die EU das künftig gemeinsam gestalten würde. Bei den Preisen zählt Deutschland laut OECD zu den relativ günstigen Ländern. Und man sollte auch deren Entwicklung im Auge haben: Während Verbraucherpreise in den letzten Jahren deutlich anstiegen, sind die Mobilfunkpreise fürs Gigabyte (in Deutschland) massiv gesunken. Diesen Preisverfall gibt es so in keiner anderen Branche bei uns im Land."

Teure deutsche Tarife wegen teurer UMTS-Versteigerung?

Ametsreiter räumt ein, das sei "vermessen", die hohen Preise auf die Auktion vor 18 Jahren zurückzuführen, aber der staatliche Wunsch nach möglichst hohen Erlösen habe damals und in den folgenden Auktionen zum Preisgefüge beigetragen. In den letzten Jahren habe die Branche rund 60 Milliarden Euro für Lizenzen ausgegeben, für das Geld hätte man "eine Menge Masten bauen oder eben günstigere Preise anbieten können – wie die Finnen."

Günstigere Datenflatrates?

t3n wollte wissen, wann der RedXL mit unbegrenztem Datenvolumen für knapp unter 80 Euro deutlich günstiger werden wird. Ametsreiter ist sich sicher, dass der Trend weiter anhalten wird, immer mehr Leistung in Tarife zu packen.

Weltweites Roaming wie bei T-Mobile USA?

Ametsreiter widerspricht. Zum einen verlange T-Mobile USA dafür etwas über 100 US-Dollar (ca. 85 Euro) und im Übrigen wären die Preise etwa 2-3 mal so hoch wie hierzulande. Zum anderen gebe es nach wie vor Interconnection-Gebühren, welche die ausländischen Netzbetreiber für jedes Gespräch und jedes Megabyte an Daten dem deutschen Anbieter (wie Vodafone) in Rechnung stellten. "Und völlig gegen solche Preise können wir auch keine Preise für unsere Kunden gestalten."

Frequenzen kaufen - nicht mieten

In einem Punkt habe die USA Vorteile: "In den USA werden Frequenzen einmal versteigert und gehören einem dann für immer – als Besitz, nicht als Miete." Genauso wenig gebe es dort den Zwang für Netzbetreiber, ihre Leistungen zu bestimmten Preisen Unternehmen ohne eigene Netze anbieten zu müssen, die diese Leistungen nur weiterverkaufen möchten. All das schafft für Investitionen mehr Sicherheit und mehr Spielraum. Und mit mehr finanziellem Spielraum kann man auch andere Angebote machen."

Ametsreiter wünscht sich ein investitionsfreundliches Verfahren, das weitere Investitionen ins Netz unterstützt und damit den Ausbau von schnelleren und besseren Netze erlaubt. Auch der Versuch, möglichst viel Geld einzunehmen, viele Auflagen zu machen sei keine sinnvolle Lösung für Deutschland. "Man kann jeden Euro nur einmal ausgeben. Wir investieren ihn lieber in Netzausbau anstatt teurer Lizenzen."

Ein (5G)Netz für Alle?

Die "Grünen" schlagen für Deutschland nach dem Vorbild von Schweden, Kanada oder Australien nur ein 5G-Netz vor, das sich die Anbieter dann über nationales Roaming teilen sollten. Dann müsste alles nur einmal aufgebaut werden.

Ametsreiter glaubt wie sein Kollege Höttges (Deutsche Telekom) an Marktwirtschaft und damit auch den Wettbewerb der Infrastrukturen. In den Regionen, in denen es viele Menschen gibt, wäre das gut zu realisieren. In dünn besiedelten Regionen wäre es schwieriger. Vodafone sei aber offen, in den Gebieten, die schwieriger zu versorgen sind, mit allen Betreibern zu kooperieren.

Wann kommt die Gigabit-Gesellschaft?

"Wir haben damit vor kurzem gestartet", berichtet der Vodafone-Chef, "gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten von Bayern. Seit Ende September können rund 800.000 Menschen in 400.000 Haushalten in Nürnberg, Landshut, Dingolfing und Fürth ein Gigabit im Download nutzen. [...] Bis Dezember 2018 werden es etwa zwölf Millionen Menschen in über sechs Millionen Haushalten im gesamten Bundesgebiet sein. Das ist ein Infrastruktur-Erdbeben, das es in dieser Form noch nie gegeben hat." Diese Netz, von dem Ametsreiter spricht, wird über Docsis 3.1 (Digital over Cable Service Interface Specification) realisiert, aber meist nur da, wo schon heute ein Kabel-TV-Angebot vorhanden ist. Kritiker werfen Vodafone und anderen Kabelanbietern wie Unitymedia vor, wenig Aussagen darüber zu treffen, ob weitere bisher überhaupt nicht mit Kabel-TV erschlossene Gebiete versorgt werden und wann. Dazu bezog Ametsreiter im Interview keine Stellung, gibt aber bekannt: "In der ersten Phase schaffen wir damit ein Gigabit, in der nächsten Phase werden es zehn Gigabit sein. Dafür wandert ab jetzt auch immer mehr Glasfaser in unser Kabelnetz. Am Ende wird es ein reines Glasfasernetz werden."

Warum das analoge Kabel "abgedreht" wird, wie gegen überlastete Kabel-TV-Netze angegangen wird und wer das beste Mobilfunknetz hat, lesen Sie auf der nächsten Seite

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