Warum Live-TV das Streaming rettet
Live TV bleibt vor allem bei Sportübertragungen relevant
Foto: teltarif.de
Sich um 20.15 Uhr mit der Familie vor dem Fernseher versammeln, um einen nicht ganz taufrischen Hollywood-Film mit fünf oder sechs Werbeunterbrechungen zu schauen, war in Deutschland seit Jahrzehnten ein eingespieltes Ritual. Lange Jahre galt diese Form des Medienkonsums als alternativlos, sofern man sich nicht auf den Weg ins Kino oder die Videothek machen wollte.
Spätestens mit Einführung breitbandiger Internetanschlüsse war das Konzept aber endgültig überholt, schließlich gibt es mittlerweile jeden Blockbuster auf Abruf im Netz - und das sogar rund um die Uhr. Die Tage des Fernsehens müssen also zwangsläufig gezählt sein, so die einhergehende Meinung in der Medienbranche. Nach Jahren mit Netflix, Disney und Prime Video scheint sich der Wind aber zu drehen, da Fernsehen durchaus Mehrwert für SVoD und AVoD hat.
On-Demand mit Grenzen
Live TV bleibt vor allem bei Sportübertragungen relevant
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Filme, Serien, Dokumentationen - das alles ist für Netflix und Co. kein Problem. Schwieriger wird es bei Nachrichten, Events und Live-Sport. Hier spielt auch heute noch das Fernsehen eine signifikante Rolle. Und das hat relativ wenig mit der Lizenzsituation zu tun. Vielmehr sind On-Demand-Dienste schlicht nicht für Live-Streaming konzipiert. Sie repräsentieren vielmehr große Bibliotheken, in denen "zeitlose" Inhalte rund um die Uhr abgerufen werden.
Da passt eine aktuelle Nachrichtensendung überhaupt nicht ins Konzept. Denn worin besteht für Zuschauer der Mehrwert, eine Nachrichtensendung am nächsten Tag oder in der kommenden Woche abzurufen? Wenn also ein Streaming-Dienst Nachrichten in den eigenen Katalog aufnehmen will, funktioniert das nur als linearer Live-Stream. Und damit sind wir wieder beim klassischen Fernsehen.
Zuschauer wollen sich berieseln lassen
Der zweite Punkt ist mindestens ebenso relevant: Zuschauer lieben die große Vielfalt in den Katalogen von Disney und Netflix. Aber sie wollen nicht unbedingt selbst danach suchen. Fernseher an und sich berieseln lassen: Das ist ein großer Vorzug aus der linearen TV-Welt, auf welchen viele Zuschauer auch im Streaming-Zeitalter nicht verzichten wollen.
Eine Antwort darauf sind FAST-Channels, also kuratierte Themenkanäle. Der Zuschauer wählt einen solchen Kanal nach den eigenen Interessen aus und bekommt rund um die Uhr passende Inhalte serviert. Dieses Konzept entdecken immer mehr Streaming-Dienste für sich. Trendsetter war hier Pluto TV von Paramount, mittlerweile sind aber auch deutsche Konkurrenten wie Joyn auf diesen Zug aufgesprungen.
Graben US-Konzerne Broadcastern das Wasser ab?
Vor allem Amazon will Zuschauern das Gesamtpaket bieten: SVoD mit Prime Video, AVoD mit Freevee und dazu Live-Kanäle von Broadcastern sowie FAST-Channels. Beim US-Versandhändler bekommt man alles unter einem Dach in einer App. Bislang ein unschlagbares Angebot, das sich nur schwer kopieren lässt. Auf jeden Fall ist eine deutliche Entwicklung erkennbar: Live-TV und On-Demand wachsen immer mehr zusammen, statt sich voneinander zu entfernen.
Fernsehen hat also durchaus eine Zukunft, wenn es seine Stärken gegenüber On-Demand ausspielt. Auch Broadcaster sollten das Thema FAST stärker im Auge behalten und nicht mehr mit aller Kraft an der Idee von 24 Stunden-Vollprogrammen festhalten. Hier können Zattoo, waipu.tv & Co. eine Brücke für die TV-Wirtschaft bauen, da sie ähnliche wie TuneIn im Radio gewissermaßen als Aggregatoren für Inhalte von Broadcastern dienen.