Alternative

Bessere Netzabdeckung: Strommast als Mobilfunkstandort?

Um den Ausbau von 5G voran­zubringen und lästige Funk­löcher zu schließen, müssen Netz­betreiber Tausende neuer Mobil­funk­sta­tionen aufbauen. Denkbar sind Strom­masten, Stra­ßen­laternen oder Litfaß­säulen.
Von mit Material von dpa

Smart Farming, auto­nomes Fahren, Indus­trie 4.0: Auf der soge­nannten "Digi­tali­sie­rung" ruhen aller­größte Erwar­tungen. Der Erfolg hängt aber davon ab, wie schnell der Ausbau des 5G-Mobil­funk­stan­dards voran­kommt und wie das Netz an Funk­sta­tionen enger geknüpft werden kann. Dabei geraten offenbar wieder Strom­masten stärker in den Blick. Neu ist die Idee nicht. Strom­masten gibt es in großer Menge quer übers Land verteilt.

Strom­kon­zerne gründen Toch­ter­gesell­schaften

Handy-Sender an Strom-Masten, eine gute Alternative? Handy-Sender an Strom-Masten, eine gute Alternative?
Bild: Picture Alliance / dpa
Der Strom­kon­zern Eon zum Beispiel hat in Mark­klee­berg bei Leipzig eine Toch­ter­gesell­schaft gegründet, um dieses Geschäft zu verstärken. Auch andere Strom­netz­betreiber stellen schon Masten für Mobil­funk zur Verfü­gung. Doch das ist nicht ganz so einfach, wie es scheint.

Schon länger sind solche Antennen an Strom­masten vor allem unter­halb der Hoch­span­nungs­lei­tungen ange­bracht. Um größere Höhen zu errei­chen, sollten sie auch in den Mast­spitzen instal­liert werden, findet Carsten Lage­mann, einer der Geschäfts­führer der Eon TowerCo in einem Gespräch mit der Deut­schen Presse-Agentur (dpa). Lage­mann nannte als wich­tige Stand­orte Masten entlang von Auto­bahnen, Bahn­stre­cken, Wasser­straßen oder an Orts­rän­dern. Hier lägen die Vorteile klar auf der Hand. Einer­seits sind die Masten schon da und es braucht keine extra Bauge­neh­migung.

Sender am Mast geht deut­lich schneller und billiger

Eine Funk­sta­tion dort zu errichten, so Lage­mann, dauere so nur etwa halb so lang wie einen neuen Funk­mast auf der Wiese oder im Ort zu bauen. Lage­mann schafft das "in sechs bis zwölf Monaten" und es koste auch nur etwa die Hälfte.

Auch andere Strom­netz­betreiber stellen schon länger Masten für den Mobil­funk zur Verfü­gung. "Inzwi­schen sind rund 80 unserer Masten so ausge­stattet", so ein Spre­cher des Ener­gie­ver­sor­gers Amprion. Bei 50Hertz werden eben­falls schon Masten von Frei­lei­tungen so genutzt, vor allem in Hamburg. EnBW stellt Masten für den Mobil­funk bereit, sieht in diesem Geschäft nach Einschät­zung von Pascal Kuhn, Leiter Stra­tegie, Breit­band- und Funkin­fra­struktur, aber nur "leise Musik". EnBW hat viel­mehr den Aufbau eines Notfall­netzes von 450connect (auf 450 MHz) im Blick - als Kanal für Einrich­tungen der kriti­schen Infra­struktur wie Strom- und Wasser­wirt­schaft. Dieses Sicher­heits­netz soll auch bei einem größeren Strom­aus­fall mindes­tens drei Tage lang funk­tio­nieren.

Aufwen­diger Zugang zu den Stand­orten

Wenn die Tech­niker des jewei­ligen Netz­betrei­bers an ihren Standort zu Wartungs­zwe­cken möchten, erfor­dert das akri­bische Vorbe­rei­tung. Es muss unter Umständen der Strom der Fern­lei­tungen ganz oder teil­weise abge­stellt werden und es sind einige Sicher­heits­maß­nahmen erfor­der­lich. Schließ­lich können auf einer solchen Frei­lei­tung beispiels­weise 220.000 oder 380.000 Volt Span­nung drauf sein. Wer sich an seinen Physik-Unter­richt erin­nert, weiß, dass 1000 bis 3000 Volt bereits ausrei­chen, um einen Milli­meter Luft zu "über­brü­cken". Wird die Frei­lei­tung während der Mobil­funk­war­tung abge­schaltet, muss außerdem eine ausrei­chend dimen­sio­nierte Reser­velei­tung vorhanden sein.

Nur 0,5 Prozent der Masten genutzt

Hoch­span­nungs­masten ließen sich prin­zipiell nutzen, konsta­tierte Unter­neh­mens­spre­cher Robin Hagen­müller. Bisher seien aber weniger als 0,5 Prozent der rund 19.400 Funk­masten des Unter­neh­mens hier­zulande auf Hoch­span­nungs­masten. Ein Manko ist der beschränkte Zugriff etwa bei Störungen wegen der unter Strom stehenden Leitungen der Masten.

Zudem sei mitunter die Statik der Masten nicht immer ausrei­chend, und die Zufahrt sowie die Strom­ver­sor­gung der Sende­technik könne - so kurios es klingt - eine Heraus­for­derung sein. Hagen­müller stuft das Poten­zial zum weiteren Ausbau aufgrund mehrerer Einschrän­kungen momentan "als relativ gering" ein.

Um den einge­schränkten Zugriff für die Mobil­funk­netz­betreiber bei Antennen an Strom­masten weiß Eon TowerCo-Geschäfts­führer Stephan Drescher. Doch bündele sein Unter­nehmen für die Netz­betreiber alle Leis­tungen der neun Eon-Regio­nal­gesell­schaften, damit sie nur einen Ansprech­partner haben. Dazu gehören auch Strom­anschluss und Glas­faser­anbin­dung von Stationen. Derzeit seien erste Pilot­pro­jekte in Bayern und Nord­rhein-West­falen in der Umset­zung, bei denen es auch um Antennen in den Mast­spitzen gehe. Die neuen Stand­orte sollen Anfang 2023 in Betrieb gehen. Weitere Projekte werden in Sachsen-Anhalt vorbe­reitet. Mittel­fristig sind rund 300 Mobil­funk­sta­tionen ange­peilt, länger­fristig 1000 und mehr, hieß es.

Großer Bedarf

Der Bedarf an neuen Mobil­funk­sta­tionen ist groß. So kommen allein bei der Telekom nach eigenen Angaben jähr­lich mehr als 1500 neue Stand­orte hinzu. "Neben dem Aufbau eines flächen­deckenden 5G-Netzes geht es beispiels­weise auch um Netz­ver­dich­tung, Lücken­schluss und Lizenz­erfül­lungen", erläu­terte Spre­cher Niels Hafen­richter.

Der euro­paweit aktive Funk­mast­betreiber Vantage Towers (eine Ausgrün­dung von Voda­fone) hat nach eigenen Angaben eine Verein­barung mit Voda­fone, wonach bis Ende 2026 bis zu 5500 neue Stand­orte in Deutsch­land in Betrieb genommen werden sollen. Laut Vantage Towers können vorhan­dene Strom­masten etwa in länd­lichen Regionen, für die beson­dere Auflagen im Land­schafts- und Natur­schutz gelten, eine Alter­native zu neuen Funk­masten sein. Denn dort würden neue Masten oft gar nicht oder nur unter erschwerten Bedin­gungen geneh­migt und dauerten die Antrags­ver­fahren sehr lang.

Alter­native: Haus­dächer oder Schorn­steine

Doch vorhan­dene Strom­masten sind längst nicht die einzige Alter­native zum Bau neuer Mobil­funk­masten. Häufig sind die Antennen etwa auf Haus­dächern oder an Indus­trie-Schorn­steinen ("Essen") zu finden. "Insbe­son­dere in Städten sollen sich Mobil­funk-Stand­orte möglichst nahtlos in das Stadt­bild einfügen", heißt es von Voda­fone. So gibt es in Köln inzwi­schen zwei Stra­ßen­laternen, die nicht nur nachts Licht spenden, sondern auch als Mobil­funk­antennen dienen. Und in Düssel­dorf wurden Litfaß­säulen zu 5G-Stationen aufge­peppt.

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