Nokia 8110 4G im Test: Erfahrungen mit dem Kult-Phone
Nichts wurde von den "alten Hasen" so sehr gefeiert wie die Rückkehr der "Kultmarke" Nokia. Nokia begann mit Holz und Gummistiefeln, später produzierten sie Fernsehgeräte und schließlich kamen Mobiltelefone, womit Nokia einst Weltmarktführer wurde.
Nokia ist...
Heute ist Nokia ein weltweit aktiver Netzausrüster-Konzern, zu dem ehemalige Teile von Siemens-Networks, Alcatel-Lucent und noch einiges mehr gehören. Nach einem Ausflug zu Microsoft darf die Marke "Nokia" auch wieder auf Smartphones und Handys prangen, welche das Unternehmen HMD Global in Fernost fertigen lässt.
Geheimnisvoll wie ein Schneewitchensarg: So wird das Nokia 8110 4G ausgeliefert.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Nokia ist HMD Global
Zum einen liefert Nokia / HMD Global Smartphones mit dem Betriebssystem Android, was für den früheren Chef der Original-Nokia-Mobilfunksparte Anssi Vanjokki noch völlig undenkbar gewesen wäre. Die ganze Zeit produzierte Nokia einfache Feature-Phones, mit denen man telefonieren kann, internetbasiert Nachrichten lesen und vielleicht auch verschicken und vielleicht auch eingeschränkt im Netz surfen kann.
Dass die "Nokia by Microsoft"-Handys mit dem untergegangenen Betriebssystem Windows Phone eigentlich gar nicht so schlecht waren, ist ein längst vergessenes Kapitel der Marken-Geschichte.
Zielgruppe Sprachtelefonierer
Trotz aller Smartphones, Smartwatches oder Smart Gadgets gibt es eine bis heute nicht zu unterschätzende Zielgruppe, die einfach nur telefonieren will. Für die hatte Nokia die ganze Zeit ein umfangreiches Angebot an "einfachen" Telefonen im Portfolio. Diese Einfachtelefone beherrschen oft nur GSM (900/1800 oder vielleicht auch 850/900/1800/1900), später tauchte auch 3G (UMTS) darin auf.
Doch die Zeit schreitet fort, 5G klopft an die Tür, die Abschalttermine für 2G und 3G sind schon in greifbare Nähe gerückt. Ein Feature-Phone mit 4G und VoLTE (Voice over LTE) wurde bisher kaum gesichtet, bis Nokia sich beim MWC 2018 mit einem Donnerschlag zurückmeldete:
Die "Banane" in Qietsch-Gelb oder - wer es seriöser mag - in Anthrazitgrau. Das Original-Modell von 1996 hatte erstmalig eine LCD-Punkt-Matrix und war in zwei Varianten lieferbar: Als Nokia 8110 für GSM 900 ("D-Netz") und als Nokia 8148 ("E-Netz") für GSM 1800.
Design weiter entwickelt
Nokia/HMD Global hat von damals den Formfaktor übernommen, das leicht gebogene Gehäuse und den Schiebedeckel über der Tastatur. Das Telefon klingelt, einfach Schieber auf und Gerät ans Ohr. Das Mikrofon im unteren Ende des Schiebers gleitet nach unten Richtung Mund, also ideal zum Telefonieren, wie wir das früher gewohnt waren. Gespräch fertig und Klappe zu. Die Gefahr, etwas ungewollt zu drücken oder zu verstellen, ist damit weitgehend gebannt.
Eingeschaltet wird oben rechts, durch längeren Druck auf die seitliche Taste. Das Gerät meldet sich mit "Powered by KaiOS" einem "neuen" Betriebssystem für einfache Handys, das inzwischen von Google mit 22 Millionen Dollar unterstützt wird. Mit an Bord sind verschiedene Mobilfunk-Netzbetreiber, Gerätehersteller wie HMD Global und einige andere.
Auspacken und Einschalten
Wenige Sekunden nach dem Einschalten löst der Schriftzug "NOKIA" das "KaiOS" ab und eine modernisierte Fassung des Nokia-Tones meldet uns, dass das Gerät startklar ist. Es verlangt nach der Eingabe der PIN-Codes für die SIM-Karten, beim allerersten Start auf Englisch, danach kann die Sprache gewählt werden.
Im Nokia 8110 4G steckt eine Menge technischer Möglichkeiten.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Dual- oder Single-SIM
Das Nokia 8110 4G gibt es in einer Dual-SIM-Variante (auf Wunsch soll auch eine Single-SIM-Version lieferbar sein). Die Dual-SIM-Variante verlangt im Schacht 1 eine MicroSIM-Karte, die auch für Datenübertragungen verwendet wird, unter der Klappe für SIM 2 findet eine Nano-SIM-Karte Platz. Über der SIM 1 kann noch eine MicroSD-Speicherkarte eingeschoben werden, die im praktischen Gebrauch unentbehrlich ist, der Hersteller nennt 64 GB als oberste Grenze.
Feature Phone mit WLAN
Ungewohnt für ein Feature Phone ist, wenn man nach einem WLAN-Zugangscode gefragt wird. Die fummelige Eingabe des Codes kann man sich ersparen, wenn man die WPS-Methode wählt, sofern sie im besuchten Netz verfügbar ist. Das Nokia 8110 4G "versteht" WLAN im 2,4-GHz-Bereich, aber 5 GHz kennt es nicht.
"Hinweise" zeigen im Display an, ob eine SD-Karte erkannt wurde, welche SIM-Karten aktiv sind oder ob eine neue SMS, MMS oder E-Mail eingetroffen ist. Wird nur eine SIM-Karte eingelegt, erscheint ein durchgestrichenes Symbol "2" an dieser Stelle im Display. Eine Zahl oben links im Kreis nennt die Anzahl der aktuellen Systemhinweise oder frisch eingetroffenen Nachrichten. Der Dienst WhatsApp soll für KaiOS später geplant sein, ist aber derzeit noch nicht verfügbar. Einen KaiOS-Shop zum Herunterladen von kleinen Zusatzprogrammen (aktuell zumeist Spiele) gibt es schon.
Das Nokia 8110 4G wird in Vietnam hergestellt.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Bedienung fast wie gewohnt
Das Bedienen des Handys ist im Wesentlichen selbsterklärend. Die Tasten könnten für größere Finger etwas klein sein, man sollte schon hinschauen, wo man drauf tippt.
Fangen wir mit den Menüs an. Im Grundzustand erlaubt die rechte Menütaste "Verknüpfungen" WLAN, Freisprechen, Taschenlampe, Taschenrechner oder Kamera zu aktivieren, auch Bluetooth ist möglich.
Mit Druck auf den "Feuerknopf" wird das Menü geöffnet, wo Apps und Einstellungen erreichbar sind. Das Adressbuch kann auf den SIM-Karten (nur Name und Nummer) oder dem Handy speichern und bei Eingabe eines Outlook- oder GMail-Kontos können auch Daten von dort auf das Handy heruntergeladen werden. Das Eingeben von Benutzername und Passwort erfordert Geduld. Über die "#" Taste wird bei Texteingaben zwischen Groß/Klein-Schreibung und Ziffern umgeschaltet, "Vorschläge" startet das fast in Vergessenheit geratene T9-Texterkennungs-Systen. Vertipper werden mit der "Auflegen"-(mit Pfeil nach links)-Taste korrigiert.
Noch wartet das Nokia 8110 4G, wachgeküsst - sprich mit SIM-Karten, SD-Speicher und Akku beladen zu werden.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Telefonbuch von GMail oder Outlook importierbar
Unter Kontakte haben wir 408 Kontakteinträge von einem GMail-Konto eingelesen. Dank Zwei-Faktor Authentifizierung muss erst an einem anderen Android-Device die Freigabe für das Google-Konto erteilt werden, die Anfrage kommt von KaiOS/2.5. Nach Abschluss des Imports, Telefonbuch verlassen, neu aufrufen und die Daten sind da! Inklusive verschiedener Telefonnummern, Adressen und Notizen.
E-Mail möglich für Fans
Auch E-Mails lassen sich mit dem Nokia 8110 4G lesen und schreiben, aber ein Vergnügen ist das nicht. Sie brauchen gute Augen, Fingerspitzengefühl und Geduld. Wenn der Web-Browers benötigt wird, bieten die Tasten 1, 2 oder 3 eine Zoomfunktion und eine grobe Navigation, um den Seiteninhalt auf dem winzigen Display (240 mal 320 Pixel, Diagonale 62,2 mm = 2,45 Zoll) zu Gesicht zu bekommen.
Auch GPS
In dem Winzling ist sogar GPS eingebaut, man kann sich beispielsweise mit Google Maps grob orientieren. Es dauert einen Moment, bis alle Satelliten ausgewertet wurden, aber es geht wie vom Smartphone gewohnt.
Klar, dass das Kultspiel "Snake" wieder mitgeliefert wird. Es fühlt sich ein wenig moderner an als die klassische Variante. Spielefreaks werden es mögen, sobald sie sich an die "neue" Bedienerführung gewöhnt haben. Zwei weitere Spiele sind schon installiert, über den "Shop" sind weitere Downloads möglich.
Die leicht gebogene Form macht das Nokia 8110 4G handlich. Auf der Rückseite die einfache Kamera mit Licht, auch als Taschenlampe nutzbar und die Außenlautsprecheröffnung.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Wo ist die Musik?
Das Musikprogramm "bemängelt" zunächst, keine Song-Daten gefunden zu haben, im zweiten oder dritten Anlauf wurden die Dateien dann doch noch gefunden. Einmal reichte es, über die USB-Verbindung ein weiteres Musikstück vom PC aufzuspielen.
Kontakt zur Außenwelt
Das Nokia 8110 4G wird über ein Micro-USB-Kabel mit der Außenwelt verbunden, um den Akku zu laden. Nicht nur das: Sofern im Menü USB (Einstellungen - Speichermedium - USB-Speicher - aktiviert) des Handys die Freigabe erteilt wurde, kann vom PC/Laptop unter MS-Windows (und vermutlich auch unter MacOS oder Linux) auf das Handy und die SD-Speicherkarte zugegriffen werden.
Damit können beispielsweise Musiktitel ins Verzeichnis "music" der Speicherkarte geladen werden, am besten im MP3-Format. Das Handy sortiert sich die Musikbibliothek irgendwann dann ein.
Klassisches Telefon-Handy
Das klassische Telefonieren geht wie von alten Nokias gewohnt. Man drückt zweimal kurz hintereinander "*", um das internationale "+" zu erhalten, gefolgt von den Ziffern. Man kann Namen und Nummern abspeichern oder abrufen. Zu beachten ist, dass bei Texteingabe unter der Taste "*" eine umfangreiche Tabelle mit Sonderzeichen erscheint, zweimal "*" führt dann nicht mehr zum gewohnten "+".
Endlich VoLTE - aber nicht auf jeden Fall
Die echte Besonderheit des Nokia 8110 4G ist die eingebaute VoLTE-Funktion. Bevor man diese nutzen kann, sind jedoch einige Hürden zu überwinden.
Der eigene Mobilfunkvertrag muss die Nutzung von LTE (4G) und VoLTE (Voice over LTE, Sprache über LTE) erlauben - sprich dafür freigeschaltet sein, wenn der gewählte Vertragspartner (Netzbetreiber, Provider) diese Funktionen seinen Kunden auch anbieten kann, will oder darf.
Selbst dann ist noch keine Garantie gegeben, dass es auch gelingt. Wir haben Karten aller Netzbetreiber eingelegt, das Ergebnis ist ernüchternd.
Um es kurz zu machen: Derzeit ist man auf einen Original-Laufzeitvertrag bei der Telekom beschränkt, selbst eine Telekom-Prepaid-Karte mit LTE oder eine Discounter-SIM im Telekom-Netz mit aktiver LTE-Option bieten derzeit kein VoLTe. Die Funktion VoLTE und Wifi-Calling muss im Kundenmenü des Laufzeitvertrages oder von der Hotline aktiviert sein. Bei Vodafone oder o2 gelang es uns überhaupt nicht, VoLTE zu aktivieren.
Blick ins Innere: Oben unter einer Klappe die Nano-SIM-Karte für Schacht 2. Unten wird die Micro-SIM für Schacht 1 eingeschoben, huckepack darauf kommt die SD-Karte.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Am Anfang war das Update
Ein interessantes Indiz: Das Nokia 8110 4G muss die allerneueste Software an Bord haben! Als wir das Gerät bekamen, stand die aufgespielte Softwareversion noch bei 11.00.17.03 und VoLTE war generell nicht möglich. Unter Einstellungen - nach rechts zu "Gerät" - "Geräteinformationen" - nach unten zu Softwareaktualisierung - nach Updates suchen - das Handy muss mit dem Internet via SIM-Karte oder WLAN verbunden sein - wurde uns die Version 12.00.17.06 angeboten. Sie muss heruntergeladen werden (etwa 29 MB), dann wird die Installation gestartet und das Handy startet neu. Unser Testmuster wollte VoLTE erst dann "finden", nachdem es nach dem installierten Update nochmal auf Werkseinstellungen zurückgesetzt worden war.
WLAN oder VoLTE
Zum erfolgreichen Telefonieren via VoLTE mussten wir noch WiFi abstellen, damit sich das Handy auch wirklich in LTE einbucht. Man erkennt die VoLTE-Funktion daran, dass während des Telefonats die Anzeige "LTE" nicht durch H+ oder 3G ersetzt wird, sondern permanent da bleibt. Der Lohn der Mühe: Eine kristallklare Sprachqualität auch ins Festnetz (bei Telekom wird HD Voice angezeigt).
Die Codes
Nokia hat seinen Geräten immer einen internen Herstellungs-Code gegeben, das 8110 4G heißt hier TA-1048. Wenn Sie *#0000# in die Tastatur des eingeschalteten Handys tippen, verrät Ihnen auch das aktuelle Nokia seine Namen und die Software-Stände: Nokia 8110 4G 12.00.17.06 TA-1048 (c)Nokia Variant:23ARG03ROW1/DS.
Das Gerät wiegt mit Akku 118 Gramm, wir haben 13 cm Länge, 5 cm Breite und 2 cm Höhe gemessen, ohne dabei die Biegung des Gerätes zu berücksichtigen.
Das Internet - ja, aber...
Ja, es ist ein Internet-Browser eingebaut. Aufgrund der Bildschirmgröße ist flüssiges Surfen kein Vergnügen, weil andauernd Seitentexte vergrößert und der Cursor frisch positioniert werden muss.
Die Kamera
Ja, das Handy hat eine Kamera, die mit 1,9 Megapixel (1600 mal 1200 Pixel) angegeben wird. Möglich sind Fotos (auf Wunsch auch mit Blitz) und Videos (Format 3GP). Mehr als Schnappschuss-Qualität ist damit nicht zu erwarten und ausreichend natürliches Licht muss es ohnehin haben, die Bildqualität erinnert an die Anfänge des mobilen Fotografierens vor rund 20 Jahren.
Der Akku
Nokia-Handys waren immer berühmt für ihre lange Akkulaufzeit. Nach einer ersten Vollladung hatten wir Strom für etwa vier Tage. Gegenüber Smartphones, die teilweise schon nach einem Dreiviertel-Tag "aufgeben", eine echte Wohltat. Nokia hat den Akku BV-6A getauft und gibt ihn mit 3,85 Volt und 5,78 Wh an. Der "Klassiker" BL-5C würde (mechanisch) ins Fach passen, ist aber schmäler und das Gerät blieb auch stumm. Also keine Experimente und nur Original-Zubehör verwenden.
Vorsicht Raubkopien
Zum Schluss noch eine Warnung: Das Nokia 8110 4G sollte nur bei zuverlässigen Quellen gekauft werden, beispielsweise in renommierten Handyläden oder etablierten Verbrauchermärkten oder bei verifizierten Online-Anbietern. Der Grund: Im Internet werden bereits "Nachbauten" gehandelt, die teilweise ganz ohne Funktion sind oder nur eingeschränkt arbeiten und am ehesten an unglaublich niedrigen Verkaufspreisen zu erkennen sind. Regulär kostet das Nokia 8110 4G knapp unter 100 Euro.
Ein Fazit: Ein Kult-Phone mit leichten Schwächen
Wir haben mit dem Gerät herumgespielt, SIM-Karten gewechselt und auf einmal war VoLTE wieder weg, trotz "richtiger" SIM-Karte. Abhilfe schaffte ein General-Reset. Musikstücke wurden anfangs nicht gefunden, dann spielten wir ein weiteres auf, ein anderes Mal mussten wir nur warten. Da hat die Software wohl noch kleinere Schwächen.
Klar: Die Geräte-Software wird sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln; es lohnt sich, regelmäßig nach Updates zu schauen. Hersteller HMD Global und die Netzbetreiber sollten sich unverzüglich daran machen, die Nutzbarkeit von VoLTE in möglichst vielen Netzen zu ermöglichen. Das ist nicht alleine ein Thema für Nokia, da müssen wohl noch einige "Hardliner" bei den Netzbetreibern über ihren Schatten springen, die VoLTE - falls überhaupt - nur in den Premium-Tarifen zulassen möchten, um ihre Kunden auf diese Weite von höherwertigen Tarifen zu überzeugen.
Das Nokia 8110 4G liegt voll im Trend bei Kunden, die wirklich "nur telefonieren" wollen, bei Nostalgikern, die den Run auf das immer wieder allerneuste Smartphone nicht mehr mitmachen möchten und schlicht bei allen, die heute ein Telefon haben möchten, das nicht alle haben.
Das 8110 4G erlaubt die Nutzung von Internet, allerdings ein richtiges Surfvergnügen kann sich auf dem Mini-Bildschirm nicht einstellen, dafür ist er einfach zu klein. Der verbaute Qualcomm-Prozessor ist auf Energiesparen getrimmt, was logischerweise zulasten der Performance geht. Dennoch hat das Nokia Telefon einen Riesenspaß gemacht, besonders, wenn man "in der guten alten Zeit" mit Nokia-Telefonen aufgewachsen ist.
Ob man sich das Gerät in Quietsch-Gelb oder doch in Anthrazit holt, sei jedem selbst überlassen.