Social-Media-App

Tiktok führt neue Sicherheitsfunktionen für Teenager ein

Die Kurz­video-Platt­form Tiktok zieht viele Kinder und Jugend­liche so sehr in ihren Bann, dass sie Stunden am Tag in der App verbringen. Der Dienst, der im Zentrum einer poli­tischen Kontro­verse steht, will Teen­agern und Eltern nun eine bessere Kontrolle ermög­lichen.
Von dpa /

Inmitten einer heftig geführten poli­tischen Kontro­verse um Tiktok hat die chine­sische Kurz­video-Platt­form neue Sicher­heits­funk­tionen beson­ders für Teen­ager ange­kün­digt. Die Maßnahmen sollen die Anwen­derinnen und Anwender in die Lage versetzen, die mit Tiktok verbrachte Bild­schirm­zeit besser zu kontrol­lieren, erklärte das Unter­nehmen heute in Berlin. Außerdem sollen Eltern von Minder­jäh­rigen die Tiktok-Nutzung ihrer Kinder besser im Blick haben können.

Tiktok wolle auf Bedenken aus der Politik reagieren

Logo der Social-Media-Plattform Tiktok Logo der Social-Media-Plattform Tiktok
Bild: picture alliance/AP/dpa
Mit den Ände­rungen unter­nimmt Tiktok einen zweiten Anlauf, auf Bedenken aus der Politik zu reagieren. Im vergan­genen Juni hatte Tiktok zum Abschluss von einjäh­rigen Gesprä­chen mit der EU-Kommis­sion einen besseren Schutz vor versteckter Werbung zuge­sagt. Zuvor hatte der euro­päi­sche Verbrau­cher­ver­band Beuc bemän­gelt, dass Kinder und Jugend­liche nicht ausrei­chend vor versteckter Werbung und poten­ziell schäd­lichen Inhalten geschützt würden.

Aktuell geht es um die Frage, wie viel Zeit beson­ders Kinder und Jugend­liche mit Tiktok verbringen. Der Dienst ändert künftig die Stan­dard­ein­stel­lungen für die Bild­schirm­zeit von Teen­agern unter 18 Jahren auf maximal 60 Minuten am Tag. Danach wird aller­dings die App nicht blockiert. "Wenn Jugend­liche sich entscheiden, dieses neue Stan­dard­limit zu deak­tivieren und mehr als 100 Minuten an einem Tag auf Tiktok verbringen, werden sie mit einem Hinweis dazu aufge­for­dert, selbst ein tägli­ches Bild­schirm­zeit­limit für sich fest­zulegen." Bei einem Test habe dieser Ansatz die Nutzung der Tools zur Verwal­tung der Bild­schirm­zeit um 234 Prozent erhöht.

"Beglei­teten Modus" für Eltern

Tiktok erwei­tert auch die Kontroll­mög­lich­keiten für die Eltern. Im "beglei­teten Modus" könne von den Erzie­hungs­berech­tigten ein tägli­ches Zeit­limit für Teen­ager fest­gelegt werden, das für jeden Tag der Woche ange­passt werden kann. Eltern könnten einen Über­blick über die in der App verbrachte Zeit erhalten. Außerdem könnten sie sehen, wie oft Tiktok geöffnet worden sei. Das Dash­board biete auch Über­sicht, wie sich die Zeit in der App auf Tag und Nacht aufteilte.

Tiktok sieht sich aktuell schwer­wie­genden Vorwürfen ausge­setzt, die weit über den Kinder- und Jugend­schutz hinaus­gehen. Die Regie­rungen in den USA und Kanada sowie die EU-Kommis­sion hatten in den vergan­genen Tagen aus Angst vor chine­sischer Daten­spio­nage ihren Beschäf­tigten unter­sagt, Tiktok auf ihren Dienst­handys zu nutzen. Tiktok: Der "begleiteten Modus" ist eine neue Kontrollmöglichkeit für Eltern Tiktok: Der "begleiteten Modus" ist eine neue Kontrollmöglichkeit für Eltern
Bild: picture alliance/dpa
Eine Tiktok-Spre­cherin wies die Vorwürfe zurück. Sie beruhten auf "grund­legenden Miss­ver­ständ­nissen". Tiktok verbes­sere aktuell die Daten­sicher­heit, unter anderem durch die Einrich­tung von drei Daten­zen­tren in Europa, um Daten von Nutze­rinnen und Nutzern lokal zu spei­chern. Außerdem werde der Zugang von Mitar­bei­tern zu Daten weiter redu­ziert und der Daten­fluss außer­halb Europas mini­miert.

Wie gefähr­lich ist die Tiktok-App wirk­lich?

Bei Jüngeren ist die Kurz­video-App Tiktok oft beliebter als Anwen­dungen der großen Social-Media-Netz­werke aus den USA. Nachdem etliche Regie­rungen Tiktok von den Dienst­handys ihrer Beschäf­tigten verbannt haben, fragen sich viele User, ob ein Risiko besteht.

Die Beamten der Euro­päi­schen Kommis­sion und die Regie­rungs­beschäf­tigten in den USA oder Kanada gehören nicht gerade zur Kern-Ziel­gruppe von Tiktok. Der Kurz­video-Dienst aus dem chine­sischen ByteDance-Konzern ist mit seinen viral verbrei­teten Inhalten vor allem bei Teen­agern beliebt, die sich um die Sicher­heits­bedenken der Regie­rungen weniger Sorgen machen. Doch nach der Anwei­sung, Tiktok von den Dienst­handys zu löschen, steht erneut ein gene­relles Verbot des Dienstes in den west­lichen Ländern im Raum.

Die bishe­rige Erfolgs­geschichte von Tiktok hat vor allem die großen Social-Media-Konzerne im Silicon Valley kalt erwischt. Insbe­son­dere beim Face­book-Konzern Meta versucht man seit Monaten fieber­haft, mit einem ähnli­chen Konzept eine Antwort für den Über­raschungs­erfolg aus China zu finden. Auch YouTube tat sich zunächst schwer, die Tiktok-Offen­sive zu kontern. Im Sommer 2021 stellte die Google-Platt­form YouTube Shorts vor, ein Format, das stark an Tiktok erin­nert. Nur Twitter, das einst mit "Peri­scope" Vorreiter beim Live-Strea­ming von Videos war, ist bis heute eine Antwort schuldig.

Kritiker warnen vor Abfluss der Nutzer­daten nach China

70 Prozent der Jugend­lichen in den USA nutzen angeb­lich Tiktok bereits. Mit dem Aufstieg des Dienstes meldeten sich auch immer wieder warnende Stimmen zu Wort, die einen Abfluss der Benut­zer­daten nach China befürch­teten.

Auch der Bundes­daten­schutz­beauf­tragte Ulrich Kelber sieht Tiktok kritisch. Bereits im Juni 2021 empfahl der Daten­schützer den Bundes­minis­terien und -behörden, die Video-App des chine­sischen Anbie­ters nicht auf dienst­lichen Geräten einzu­setzen. Das Ergebnis einer ange­kün­digten umfang­rei­chen Analyse steht aller­dings noch aus.

Das Bundesamt für Sicher­heit in der Infor­mati­ons­technik (BSI) formu­liert seine Bedenken auch eher vage: "Grund­sätz­lich ist bekannt, dass zahl­reiche Apps Daten an die jewei­ligen Hersteller wie auch an Dritte über­mit­teln."

Härter fällt das Urteil von Rüdiger Trost aus, der bei der Sicher­heits­firma WithSecure arbeitet: Er schätze Tiktok als "sehr gefähr­lich" ein, sagte der Experte der Deut­schen Presse-Agentur. "Der Algo­rithmus von Tiktok benach­tei­ligt gezielt Indi­viduen, die nach west­lichem Verständnis eines beson­deren Schutzes bedürfen." So würden etwa Videos von Behin­derten auf Tiktok gezielt seltener ausge­spielt.

Tiktok weist Vorwürfe zurück

Als proble­matisch sieht Trost auch die Verbin­dung zur Regie­rung des Herkunfts­landes: "Ereig­nisse, die dem chine­sischen Staat nicht gefallen, fallen der Zensur zum Opfer." Vieles an Tiktok sei mit dem west­lichen Verständnis von Menschen­würde, Gleich­berech­tigung, freier Meinungs­äuße­rung und Minder­hei­ten­schutz nicht in Einklang zu bringen. "Mindes­tens so groß wie die Gefahr vor Spio­nage ist das Risiko einer gezielten Beein­flus­sung der öffent­lichen Meinung in west­lichen Gesell­schaften. Nicht zuletzt vor Wahlen."

Tiktok will Vorwürfe wie diese nicht im Raum stehen lassen. Spre­cher des Konzerns behaupten immer wieder, die Daten der Anwen­derinnen und Anwender aus den USA würden in den Verei­nigten Staaten verar­beitet, Backup-Server befänden sich in Singapur. Tiktok sei auch unab­hängig gegen­über dem in Peking sitzenden Firmen­teil von ByteDance. Doch viel Eindruck haben diese Beteue­rungen im poli­tischen Washington nicht hinter­lassen. Insbe­son­dere Vertreter der Repu­bli­kani­schen Partei behan­deln Tiktok so, als hätten sie es direkt mit einem Dienst der Kommu­nis­tischen Partei Chinas zu tun.

Bereits Trump drohte mit Tiktok-Verbot in den USA

Die Tiktok-feind­liche Haltung hat bei den Repu­bli­kanern schon Tradi­tion. 2020 drohte der dama­lige US-Präsi­dent Donald Trump mit dem gene­rellen Verbot von Tiktok, wenn ByteDance den Dienst nicht an den US-Soft­ware­kon­zern Oracle verkaufe. Trump sah die natio­nale Sicher­heit der Verei­nigten Staaten bedroht, ohne aller­dings auf Details einzu­gehen. TikTok setzte sich recht­lich zur Wehr, bis Trumps Nach­folger Joe Biden die wirren Über­nah­mepläne stoppte und die Maßnahmen seines Vorgän­gers einkas­sierte.

Doch vom Tisch sind die Verbots­pläne in den USA noch lange nicht. In einem großen Geset­zes­paket zur Absi­che­rung des staat­lichen Haus­halts brachten die beiden repu­bli­kani­schen Sena­toren Josh Hawley (Missouri) und Ken Buck (Colo­rado) das Verbot auf den Dienst-Smart­phones der Regie­rungs­beschäf­tigten unter. Eigent­lich streben sie aber ein komplettes Verbot von Tiktok in den USA an und werden dabei auch von einzelnen Vertre­tern der Demo­kra­tischen Partei unter­stützt.

Die Daten­sammler seien nicht allein

Der renom­mierte US-Sicher­heits­experte Bruce Schneier hält diese Verbots­pläne für "eine schreck­liche Idee". "Die Neben­wir­kungen wären uner­träg­lich", schrieb Schneier in seinem Blog. Am Ende würden alle wirk­samen Optionen (für den Verbot von Tiktok) das freie Internet, wie wir es kennen, zerstören.

Es bestehe kein Zweifel, dass Tiktok und ByteDance, zwie­lichtig seien, schrieb Schneier. "Sie arbeiten, wie die meisten großen Unter­nehmen in China, im Auftrag der chine­sischen Regie­rung. Sie sammeln extrem viele Infor­mationen über ihre Nutzer." Aber Tiktok sei nicht allein: "Viele Apps, die Du verwen­dest, tun das Gleiche, darunter Face­book und Insta­gram sowie scheinbar harm­lose Apps, die keinen Bedarf an den Daten haben. Deine Daten werden von Daten­mak­lern gekauft und verkauft, von denen du noch nie etwas gehört hast und die wenig Skrupel haben, wo die Daten landen. Sie haben digi­tale Dossiers über die meisten Menschen in den Verei­nigten Staaten."

Der Experte setzte sich für ein wirk­sames Daten­schutz­gesetz in den USA ein, mit dem die Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher lang­fristig geschützt werden könnten, "und nicht nur vor der App der Woche."

In einer weiteren Meldung rund um den Social-Media-Dienst geht es um: Tiktok: Video-App droht ein Verbot in der EU.

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