Behördenfunk

e*message und Vodafone probieren Behördenfunkruf aus

Erste Schritte zum neuen Behördenfunk
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Sicherheitsbehörden, wie Polizei, Rettungsdienste, Technisches Hilfswerk oder Feuerwehr brauchen Funk, um sich zu verständigen oder um einen Alarm auszulösen. Der Fachmann spricht vom BOS-Funk. Doch die verwendeten BOS-Geräte sind inzwischen ziemlich alt geworden: Im Einsatz befindet sich noch immer der in die Jahre gekommener Analogfunk, für den es kaum noch Nachschub oder Ersatzteile gibt. Zudem können Neugierige recht einfach mit an jeder Straßenecke erhältlichen Empfängern mithören - was aber nicht im Sinne von Sicherheit und Datenschutz ist. Strenggenommen ist das private Zuhören strafbar, doch die genaue Rechtslage ist selbst bei Spezialisten höchst umstritten; von Zeit zu Zeit urteilen die Gerichte sehr unterschiedlich dazu.

Klassische Funkgeräte kontra Handy

Schon lange soll ein neues digitales (abhörsicheres) Netz aufgebaut werden, doch seit Jahren wird um die Technik und die Kosten heftig gestritten. "Klassische Funkgeräte kontra Handy" heißt meist die Diskussion, weil es Handys in Massen gibt und diese relativ billig sind. Die BOS-Funker haben bestimmte Anforderungen, die von einem GSM-Handy nicht oder nur schwierig erfüllt werden können. Der Mobilfunkbetreiber Vodafone D2 testet ab nächster Woche in Würzburg ein um sogenannte "ASCI-Features" erweitertes GSM-Protokoll. Im "Ernstfall" sollen die Behörden dann "normale" Kunden aus dem (D2)-Netz kicken können, die Alarmierung würde über spezielle "Blaulicht-SMS" erfolgen, die absolute Prioriät geniessen und ein eigenes SMSC verwenden. Vorteil für den zivilen Kunden: Das eine oder andere Funkloch würde noch durch Basisstationen gestopft, um im Ernstfall eine optimale Netzversorgung zu haben. Vodafone veranschlagt für den Ausbau seines Netzes rund 2 Milliarden Euro.

Die Behördenfunker favorisieren hingegen einen digitalen Bündelfunk mit klassischen Funksprechgeräten, wo ein Vermittlungsrechner den Funkgeräten einen Sprechkanal zuteilt und man klar festlegen kann, wer mit wem wann sprechen oder zuhören kann: Je nach Einsatzlage kann man auch die Feuerwehr aus dem Nachbarort aus der Leitstelle zuschalten, Unbefugte bleiben draußen.

Flächendeckender Behördenfunk zu teuer

Dummerweise gibt es beim Digitalen Bündelfunk zwei Standards: Einmal das vom französischen Unternehmen Matra mit staatlicher Hilfe entwickelte TETRAPOL, das flächenmäßig in Europa wohl weiter verbreitet zu sein scheint, während die Befürworter von TETRA, einem von der europäischen ETSI genormten Standard auf die Mehrzahl der Länder verweisen, die TETRA schon eingeführt haben oder einführen wollen. TETRA ist wie GSM ein "offener" Standard, der u. a. von Motorola und Nokia favorisiert wird, bei TETRAPOL (z. B. von AEG-Matra) scheint das nicht bis ins letzte Details so geregelt zu sein, berichten Insider.

Ein optimales flächendeckendes bundesweites Behördensystem würde je nach Ausbau rund 7 Milliarden Euro kosten, ist also eindeutig zu teuer. Nach langem Hin und Her hat man sich auf eine reduzierte Lösung geeinigt, die "nur" noch etwa 4 Milliarden Euro kosten würde, dann aber nicht mehr flächendeckend ist.

Damit kommt ein Problem ins Spiel, das lange Zeit nicht so recht beachtet wurde, die Alarmierung im Ernstfall. Der Berliner Funkrufbetreiber e*message hat nun angeboten, sein Funkrufnetz um eine eigene exklusive BOS-Frequenz aufzustocken, wo die Behördenfunker ihre Einsatzkräfte binnen wenigen Sekunden alarmieren können, etwa freiwillige Feuerwehren oder örtliche Rettungsgruppen, die mit Geldmitteln für moderne Technik ohnehin nicht so reich gesegnet sind.

e*message verwendet dafür die bewährte POCSAG-Technik. e*message hatte von der DeTeMobil (Vorgänger von T-Mobile) das komplette Funkrufnetz "Cityruf" nebst Skyper und Scall übernommen und betreibt heute den Cityruf und den Skyper Dienst weiter.

Chance für e*message

Für den Behördenfunk hat e*message einen Vertrag mit der Telekom-Tochter T-Systems geschlossen. Falls T-Systems mit dem Aufbau eines bundesweiten BOS-Funknetzes betraut werden sollte, würde T-Systems zur Alarmierung auf e*message zurückgreifen.

Um zu schauen, wie die Alarmierung in der Praxis klappen könnte, alarmiert die Arbeitsgruppe Digitalfunk Niedersachen und e*message seit dem 1. November im Landkreis Osnabrück nicht nur herkömmlich, sondern parallel über die Infrastruktur von e*message. Hauptaugenmerk ist die Abdeckung in abgeschirmten Gebäuden, Kellern oder Tiefgarage wo bis heute die meisten Handynetze versagen.

e*message hat gute Argumente: Das Funknetz und seine Senderstandorte ist schon vorhanden, die Empfänger sind relativ preisgünstig zu bekommen, während die BOS-Funktechnik normalerweise als ziemlich teuer gilt, da spezielle Geräte in kleinen Stückzahlen gefertigt werden müssen.

Enscheidung bis zur Fußball-WM 2006

Eine Entscheidung für das eine oder andere System ist bis heute noch nicht gefallen, aber bis zur Fußball-WM 2006 sollen wenigstens die Spielstätten mit dem neuen Behördenfunk versorgt sein. Doch dann müßten noch dieses oder spätestens nächstes Jahre konkrete Entscheidungen gefällt werden.

Insider spekulieren, ob am Ende aus Kostengründen die GSM-Lösung präferiert wird, aber Behördenfunk ist ein hochsensibles Thema, das man ungern einem internationalen Konzern wie Vodafone überlassen will. Also wäre ein Joint-Venture aus T-Mobile und Vodafone denkbar, das dann gemeinsam die GSM-Netze für den Behördenfunk "aufbohren" könnte, aber nach dem schlechten Erfahrungen bei Toll-Collect steht noch alles in den Sternen. Möglich ist aber auch, dass sich die Industrielobby für TETRA oder TETRAPOL mit dem Arbeitsplatzargument durchsetzt. Es bleibt spannend. Für den Endverbraucher haben beide Systeme Vorteile: Würde GSM genommen, könnten elegant längst fällige Funklöcher gestopft werden. Sollte die TETRA/Funkruf-Lösung kommen, kann als sicher gelten, dass der eine oder andere neue Standort für den Funkruf hinzukommt und die Endverbraucherpreise stabil bleiben oder sogar leicht sinken werden.

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