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Datenschutzbeauftragter: "Wir verharren im Vor-Internet-Zustand"

"Kann nur noch versuchen, das Schlimmste zu verhindern"
Von dpa / Ralf Trautmann

Traut er sich überhaupt noch, im Internet zu surfen? Hartmut Lubomierski lächelt. "Ich gebe zu, dass ich das Netz benutze", sagt der Datenschutzbeauftragte von Hamburg, der Ende des Jahres aus dem Amt scheidet. Auch er habe dort schon mal Urlaubsreisen oder Flüge gebucht. Aber natürlich müsse man höllisch aufpassen, ergänzt der hochgewachsene 64-Jährige. "Man sollte schon gucken, wem man etwas anvertraut."

Vier Jahre lang hat Lubomierski sich tagtäglich mit den dubiosen Geschäftspraktiken windiger Adressenhändler befasst, die technische Entwicklung im Kommunikationssektor kritisch begleitet und Stellung gegen die zunehmend hemmungslosere Erfassung sensibler Daten durch Wirtschaft und Staat bezogen. Wenn Hamburgs oberster Datenschützer also seinen Posten zum Jahresende niederlegt und in den Ruhestand geht, blickt er auf eine ebenso bewegte wie arbeitsreiche Amtszeit zurück.

Illegaler Datenhandel in Callcentern, Datenlecks bei der Telekom oder die Diskussion um das Ausspähen von Computern durch die Polizei haben mittlerweile vielen die Gefahren einer zunehmenden Vernetzung und einer technisch immer einfacheren Datenspeicherung in digitaler Form verdeutlicht.

"Alte Art von Privatsphäre" ein Auslaufmodell?

Wegen der technisch immer einfacheren Daten-Erfassung im Internet sind die Menschen nach Ansicht Lubomierskis mit dem Schutz sensiblen persönlicher Informationen zunehmend überfordert. "Es kann sein, dass unsere alte Art von Privatsphäre ein Auslaufmodell ist", sagte Lubomierski. Die damit einhergehenden Gefahren hätten die meisten Menschen aber noch nicht begriffen. "Wir verharren gewissermaßen in einem Vor-Internet-Zustand und müssen erst lernen, wie wir mit diesem neuen System so umgehen, dass es nicht gegen uns ausschlägt", mahnte der Experte.

In den vergangenen Jahren habe sich mit der Digitalisierung der Datenverarbeitung und der stetig wachsenden Bedeutung des Internets eine Entwicklung vollzogen, die es dem Einzelnen nahezu unmöglich mache, die Verbreitung seiner persönlichen Daten zu kontrollieren. Vor allem die Rückverfolgung von Nutzerspuren im Netz und die dort mögliche Datenerfassung im Hintergrund ermögliche es Unternehmen und Behörden, Persönlichkeitsprofile ohne Wissen der Betroffenen zu erstellen. Die Potenziale heutiger Suchmaschinen und die einfachen Kopiermöglichkeiten bei elektronisch gespeicherten Daten erlaubten es, diese später ungehindert auszuwerten und zu verbreiten. "Eine Gnade des Vergessens gibt es nicht mehr", betonte Lubomierski. "Ich kann nicht mehr so tun, als wenn der Einzelne Herr seiner Daten ist."

"Reaktionsmöglichkeiten" der Datenschützer im Internet begrenzt

Vor allem junge Menschen verhielten sich angesichts dieser Gefahr noch viel zu naiv, sagte der Datenschützer. Aber auch Ältere seien durch die technische Entwicklung in ihrer Privatsphäre bedroht. Er hoffe, dass in der Bevölkerung allmählich ein Bewusstseinswandel einsetze. "Wir müssen erreichen, dass die Leute lernen, dass das Internet öffentlich ist". Nötig seien zudem eine bessere staatliche Kontrolle datenverarbeitender Firmen. Zugleich warnte Lubomierski aber vor zu hohen Erwartungen der Bürger an den Staat und seine Datenschützer. Deren Reaktionsmöglichkeiten im weltweiten Netz seien begrenzt: "Ich kann das Rad nicht mehr zurückdrehen. Nein, ich kann eigentlich nur noch warnen und versuchen, das Schlimmste zu verhindern."

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