Lauterbach will E-Patientenakte und E-Rezept beschleunigen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die schleppende Verbreitung digitaler Anwendungen für Patientinnen und Patienten deutlich beschleunigen. "Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück. "Das können wir nicht länger verantworten", sagte der SPD-Politiker heute in Berlin.
Deshalb solle ein "ein Neustart" kommen, um elektronische Patientenakten etwa mit Befunden und Angaben zu Medikamenten für alle zur Regel zu machen. E-Rezepte sollen auf breiter Front alltagstauglich werden, die Forschung auf der Basis von Gesundheitsdaten soll vorankommen.
Im Koalitionsvertrag war das Thema schon festgelegt worden.
Die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, mache die Behandlungen besser, betonte Lauterbach. Vorgesehen ist ein Gesetzespaket, das in den nächsten Wochen mit genaueren Regelungen vorgelegt werden soll.
Gesetzespaket: E-Akte für alle?
Die persönliche Gesundheitsakte sollen möglichst alle Patienten bis Ende 2024 bekommen.
Foto: Picture Alliance/dpa
Vorgesehen ist ein Gesetzespaket. Unter anderem sollen - wie schon berichtet - bis Ende 2024 für alle gesetzlich Versicherten digitale Akten eingerichtet werden - es sei denn, man lehnt das aktiv ab. Gespeichert werden können darin etwa Befunde, Röntgenbilder und Medikamentenlisten.
Als freiwilliges Angebot waren die E-Akten schon 2021 eingeführt worden, aber nur ein Bruchteil der 74 Millionen Versicherten nutzt sie. Erklärtes Ziel bis 2025 ist, dass 80 Prozent der gesetzlich Versicherten E-Akten haben.
Außerdem sollen E-Rezepte nach einer bisher stockenden Einführung einfacher nutzbar und Anfang 2024 zum verbindlichen Standard werden. Gesetzlich geregelt werden sollen auch mehr Datenauswertungen für die Forschung. Dafür soll unter anderem eine zentrale Stelle eingerichtet werden, die einen Zugang zu pseudonymisierten Daten aus verschiedenen Quellen wie Registern und Krankenkassendaten ermöglichen soll.
Verbraucherzentralen: Vorteile für Patienten
Aus Sicht der Verbraucherzentralen profitieren Patienten, wenn sie digital durch das komplizierte Gesundheitswesen navigieren könnten. Bei der Umstellung auf automatisch bereitgestellte E-Akten mit Widerspruchsmöglichkeit müsse aber einfach festzulegen sein, welcher Arzt auf welche Daten zugreifen darf. Ein "Alles oder Nichts" sei der falsche Weg, erklärte der Bundesverband. Menschen ohne Smartphones und Computer dürften bei der Versorgung nicht abgehängt werden.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen begrüßte den "Rückenwind für die Digitalisierung". Dazu gehöre jedoch, dass Ärztinnen und Ärzte die E-Akte auch mit Daten befüllen müssten.
Grüne: Digitale Akte kann Leben retten
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die digitale Patientenakte kann Leben retten, weil sie Ärzten sofort alle wichtigen Informationen über einen Patienten zur Verfügung stellt." Sie müsse daher zum Standard werden. Die Widerspruchslösung sei "ein verhältnismäßiger Weg". Dabei solle man Datenschutz und Gesundheitsschutz nicht gegeneinander ausspielen.
"Patienten sollten flexibel über die Nutzung der Akte entscheiden können." So könnten sie beispielsweise nur einzelne Befunde für bestimmte Ärzte sichtbar machen. Zudem sollte die Digitalakte von vornherein so effizient und benutzerfreundlich wie möglich sein.
Digitalisierung kommt kaum voran
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen kommt seit Jahren kaum voran. Bei der Vernetzung der Praxen gibt es Verzögerungen, zudem schwelt bei mehreren Fragen Streit über den Datenschutz. Beim elektronischen Rezept waren weitere Schritte in der bundesweit einzigen Pilotregion in Westfalen-Lippe im Herbst vorerst auf Eis gelegt worden.
Lauterbach geht es auch darum, mehr Möglichkeiten für die Forschung zu eröffnen. Die systematische Auswertung vieler digitaler Daten kann Erkenntnisse entscheidend beschleunigen. Ein Vorbild dafür ist Israel, das vor mehr als 25 Jahren mit der Digitalisierung begann.
Bitkom: Es herrscht Informationsbedarf
Derweilen stellt der Branchenverband Bitkom fest, dass "bei der elektronischen Patientenakte noch großer Informationsbedarf" herrscht.
79 Prozent der befragten Deutschen wünschen sich mehr Informationen. Bitkom-Präsident Achim Berg findet: "Die verbindliche Einführung der elektronischen Patientenakte ist ein Durchbruch bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Die elektronische Patientenakte ist das Kernstück einer digitalen Gesundheitsversorgung. Mit ihr erhalten die Versicherten einen schnellen Zugriff auf ihre medizinischen Daten und Diagnosen, Ärztinnen und Ärzte können sich ein viel besseres Bild über die Krankengeschichte ihrer Patientinnen und Patienten machen. Wichtig ist jetzt vor allem, dass die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung gesteigert wird. Aktuell können sich 6 von 10 Deutschen vorstellen, die elektronische Patientenakte zu nutzen – das ist noch zu wenig, kann aber durch gute Aufklärungsarbeit und maximale Transparenz in der Kommunikation gesteigert werden. Hier sind Politik und Akteure des Gesundheitswesens gemeinsam gefordert, offen und für die Breite der Gesellschaft gut verständlich zu kommunizieren."
Befragung im Auftrag von Bitkom
Wie eine repräsentative Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom im Oktober 2022 ergeben hat, können sich 59 Prozent der Menschen ab 16 Jahren in Deutschland vorstellen, die elektronische Patientenakte künftig zu nutzen. 37 Prozent können sich dies nicht vorstellen, weniger als 1 Prozent nutzt sie bereits. Die große Mehrheit von 79 Prozent aller Deutschen möchte vor allem besser über die Vorteile sowie die Nutzung der ePa informiert werden.
Dazu wurde eine Umfrage von Bitkom Research im Auftrag von Bitkom durchgeführt. Dabei wurden schon im Oktober 2022 insgesamt 1144 Personen in Deutschland ab 16 Jahren telefonisch befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.
Die Fragestellung lautete: "Nutzen Sie die elektronische Patientenakte bereits oder können Sie sich vorstellen, diese zu nutzen?"; "Inwiefern stimmen Sie den folgenden Aussagen zur elektronischen Patientenakte zu bzw. nicht zu?"
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