Themenspezial: Verbraucher & Service Datenleck

"Credential Stuffing": Wie Hacker an Passwörter kommen

Wenn der E-Mail-Provider von einem fehl­geschla­genen Anmel­dever­such berichtet: Ok, das kann passieren. Sind es aber sehr viele, sollte man aufmerksam werden.
Von

Immer wieder gibt es Meldungen über Angriffe auf Zugangs­konten von E-Mail-Anbie­tern, wie beispiels­weise GMX oder Web.de. Den Kunden werden beim recht­mäßigen Login ins eigene E-Mail-Konto große Anzahlen fehler­hafter Log-in-Versuche ange­zeigt.

Im Februar bemerkten Kunden teil­weise bis zu einhun­dert fehl­geschla­gene Log-in-Versuche in einer Nacht. Diesen Service bieten die E-Mail-Dienst­leister bewusst an, um ihre Kunden darauf aufmerksam zu machen, dass man entweder selbst verse­hent­lich das falsche Pass­wort eingeben hat oder in der Tat Cyber­kri­minelle am Werk waren oder noch sind. Darauf macht der Internet-Anwalt Chris­tian Solmecke von der Kanzlei WBS.legal aufmerksam.

Bei Hackern beliebt: Creden­tial Stuf­fing

Für jeden Dienst und jedes Konto muss es ein eigenes Passwort sein Für jeden Dienst und jedes Konto muss es ein eigenes Passwort sein
Bild: HPI Hasso-Plattner-Institut
Wer wissen möchte, ob seine Zugangs­daten im Internet kursieren, könnte die Seite Have-I-Been-Pwned aufrufen. Diese Platt­form hatte im Januar 2024 fast 71 Millionen E-Mail-Adressen in einer umfas­senden Daten­bank gefunden, von denen etwa 35 Prozent zuvor noch nicht bekannt waren. Das Projekt sammelt offen verfüg­bare, gele­akte Anmel­dedaten und spei­chert sie in einer Daten­bank.

Eine mitt­ler­weile verbrei­tete Methode, die von Hackern ange­wendet wird, nennt sich "Creden­tial Stuf­fing". Dabei handelt es sich um eine Angriffs­technik, bei der gestoh­lene Anmel­dedaten auf verschie­denen Platt­formen auspro­biert werden, um so unbe­fugten Zugriff auf weitere Konten zu erlangen. Es werden also alte Zugriffs­daten genommen und über­prüft, ob mit Hilfe dieser Daten ein Log-in auf anderen Platt­formen möglich ist. Dies führt oft zu fehler­haften Anmel­dever­suchen, wie sie nun bei GMX und Web.de beob­achtet wurden. Mittels dieser Methode konnten Cyber­kri­minelle zum Beispiel Ende des vergan­genen Jahres rund 35.000 PayPal-Konten in den USA knacken.

E-Mail-Dienste infor­mieren über Hacker-Angriffe

Laut einem Spre­cher von 1&1, dem Unter­nehmen hinter GMX und Web.de, sei trotz der allge­meinen Bedro­hung durch Inter­net­angriffe keine spezi­fische Zunahme der Angriffs­akti­vitäten auf diese Dienste fest­gestellt worden. Die Nutzer würden über fehl­geschla­gene Login-Versuche bei ihrem nächsten erfolg­rei­chen Login infor­miert, was eine Sicher­heits­maß­nahme darstellt, um sie zu warnen.

Das bedeutet aller­dings nicht, dass dabei Pass­wörter oder Inhalte gefährdet wären. 1&1 führt die hohe Anzahl an fehler­haften Log-in-Versu­chen auch auf jene Daten­lecks zurück, bei denen größ­ten­teils veral­tete Zugangs­daten in den Daten­samm­lungen von den krimi­nellen Tätern landen.

Ein guter Schutz, so Anwalt Solmecke, seien einzig­artige Pass­wörter für jeden Dienst und die Akti­vie­rung der Zwei-Faktor-Authen­tifi­zie­rung, um den Schutz der Nutzer­konten zu erhöhen. Wenn verdäch­tige Anmel­dever­suche mit korrekten Daten erkannt würden, griffen die Sicher­heits­sys­teme von 1&1 ein, um den Zugriff zu blockieren und den betrof­fenen Nutzer zu infor­mieren, um so die Sicher­heit weiter zu gewähr­leisten.

Was Betrof­fene tun sollten

Betrof­fene, die eine Viel­zahl an fehl­geschla­genen Log-in-Versu­chen fest­gestellt haben, ist zur Vorsicht geraten. Als erste Maßnahme sollte das aktu­elle Pass­wort geän­dert werden.

Solmecke empfiehlt mindes­tens zwölf Zeichen, wobei sowohl Klein- als auch Groß­buch­staben verwendet werden sollten, ebenso wie Zahlen und Sonder­zei­chen. Das E-Mail-Pass­wort sollte zudem nicht auch für andere Online-Accounts genutzt werden. Darüber hinaus empfiehlt sich eine Zwei-Faktor-Authen­tifi­zie­rung. Durch einen zweiten Faktor, ähnlich einer TAN beim Online-Banking, können Hacker nicht in das Post­fach gelangen – selbst wenn sie das Pass­wort des Nutzers kennen.

Erfolg­rei­chen Cyber­angriff nicht als Baga­telle abtun

Betrof­fene eines erfolg­rei­chen Cyber­angriffs sollten einen solchen Angriff nicht als Baga­telle abtun. Dem Anwalt sind teils drama­tische Fälle bekannt, in denen Betrof­fene sich nie hätten vorstellen können, dass ein Angriff so dras­tische Folgen haben kann. Beson­ders gefähr­lich erscheint die wach­sende Bedro­hung, dass Täter erbeu­tete Daten aus verschie­densten Daten­lecks und Daten­dieb­stählen kombi­nieren, um so ziel­gerich­tete Angriffe auf Nutzer durch­zuführen.

Wer z.B. immer die glei­chen Zugangs­daten verwendet, ist schnell Opfer weiterer Taten, da Täter einfa­chen Zugriff erlangen können, schließ­lich liegen die Login-Daten oft durch vorhe­rige Lecks bereits vor. Die Folge: Phis­hing-Angriffe, Iden­titäts­dieb­stähle etc.

Haben Betrof­fene Ansprüche auf Scha­dens­ersatz?

Auf der Grund­lage von Art. 15 DSGVO können Nutzer Auskunft vom Unter­nehmen verlangen, ob sie vom Daten­leck betroffen sind. Erteilt dieses sodann keine oder eine unvoll­stän­dige Auskunft, kann sich daraus zu ihren Gunsten bereits ein Scha­dens­ersatz­anspruch aus Art. 82 DSGVO ergeben. Daneben kommen weitere Pflicht­ver­let­zungen im Zusam­men­hang mit dem jewei­ligen Daten­leck in Betracht, die mögli­cher­weise Scha­dens­ersatz­ansprüche zur Folge haben.

Zuletzt haben deut­sche Gerichte Klägern hohe Scha­dens­ersatz­ansprüche aus Art. 82 DSGVO bei DSGVO-Verstößen zuge­bil­ligt. Die Norm wird von der Recht­spre­chung zuneh­mend sehr weit ausge­legt. Zum Teil wird von den Gerichten auch vertreten, dass der den Klägern zuste­hende Scha­dens­ersatz abschre­ckende Wirkung habe und damit auch eine abschre­ckende Höhe errei­chen müsse.

EuGH stärkt Verbrau­cher­rechte

Der EuGH hatte hierzu Ende 2023 in einem Urteil Spek­taku­läres entschieden, das die Rechte von Millionen von Verbrau­chern in der EU enorm stärkt. Wurden die eigenen Daten infolge eines Hacker­angriffs miss­braucht, so stehen die Chancen, dafür imma­teri­ellen DSGVO-Scha­dens­ersatz zu erhalten, besser denn je. Denn zum einen reicht bereits die Befürch­tung eines Daten­miss­brauchs aus, um Scha­dens­ersatz zu erhalten. Und zum anderen können Unter­nehmen, deren Systeme gehackt wurden, prak­tisch kaum noch vortragen, dass sie daran keine Schuld tragen.

Verschie­dene Anwalts­kanz­leien bieten hier ihre Dienste an, und fragen dabei gerne, ob die Klienten eine Rechts­schutz­ver­siche­rung haben. Wenn diese Versi­che­rung den Fall über­nimmt, muss der persön­liche Schaden je nach Gericht juris­tisch deut­lich gemacht werden, sonst könnten solche Verfahren auch abge­wiesen werden oder im Sande verlaufen. WBS.legal vertritt nach eigenen Angaben etwa zehn­tau­send Betrof­fene im Falle von Face­book- und Deezer-Daten­lecks.

Auf ihrer Webseite gibt es eine Such­maschine, die anzeigt, ob die eigene Handy­nummer von einem Daten­leck betroffen ist.

In einer weiteren Meldung lesen Sie: Bei WhatsApp soll es künftig eine neue Sicher­heits-Login-Funk­tion geben.

Mehr zum Thema Datenschutz Internet