Backbone: Datenautobahnen sollen künftig durch die Arktis führen
Sie sind die Hauptschlagadern der Informationsgesellschaft: Tiefseekabel umspannen den ganzen Globus. Die wichtigsten Verbindungen verlaufen durch den Atlantik zwischen Nordeuropa und der US-Ostküste sowie durch den Pazifik zwischen der US-Westküste und Ostasien, hochleistungsfähige Kapillaren erstrecken sich heute sogar bis auf die Seychellen oder Mikronesien. Nun, da die arktischen Seewege wegen der Klimaerwärmung zunehmend eisfrei werden, könnten die ersten Kabel für Telefon, Internet und Fernsehen durch den hohen Norden gelegt werden. Mehrere Unternehmer stehen in den Startlöchern.
"Wir werden die schnellste Verbindung zwischen Japan und Großbritannien schaffen", sagt Douglas Cunningham, ein Geschäftsmann aus dem kanadischen Toronto. Sein Team arbeitet an Arctic Fibre, einer rund 15 600 Kilometer langen Glasfaserleitung von Tokio durch die Nordwestpassage über Neufundland nach London. Sie bedeute schnelle und sichere Kommunikation für die Menschen in China, Taiwan und Japan.
"Internet-Videos, Skype, Google, Facebook - das sind jede Menge Inhalte, die den Ausbau der Netze vorantreiben", meint der Telekommunikationsanalyst. Früher sei Internet-Telefonie schrecklich gewesen, da die Laufzeit der Signale über Satellit viel zu lange dauerte. Die schnell wachsenden Märkte in Asien benötigten nun neue Kabel, die extrem schnell die immensen Datenmengen transportieren könnten.
Netz-Kommunikation soll durch neue Backbones beschleunigt werden
Datenautobahnen sollen künftig durch die Arktis führen
Bild: dpa
Interesse an dem Arktis-Kabel, das Daten von Tokio nach London und
Frankfurt einige Millisekunden schneller durchleitet als die jetzigen
Leitungen, hätten auch die Börsen, erklärt der frühere
Investmentbanker. Weitere Profiteure seien Kreditkartenunternehmen,
die online eine schnellere Überprüfung der Daten benötigten, und
TV-Sender, die bei Live-Schaltungen Bild und Ton möglichst synchron
wünschten.
Als Herzensangelegenheit bezeichnet Cunningham die rund 60 000 Menschen in Kanada und Alaska, die bisher ohne Internetanschluss leben und an Zweige des Seekabels angeschlossen werden könnten. "Wie muss das für die Menschen im Norden sein, wenn wie neulich der Satellit für 17 Stunden ausfällt? Dann funktionieren keine Handys, keine Telefone, keine Fernseher, die Flugzeuge müssen landen - das Leben kommt zum Stillstand." Diese Isolation möchte er durchbrechen. Auch könnten die Menschen in der Arktis von ärztlichen Ferndiagnosen und Bildungsangeboten per Video-Stream profitieren.
"Arctic-Link" und "Rotax" sollen Bewohner nördlicher Regionen anbinden
"Arctic Fibre" ist nicht das einzige Projekt, das sich derzeit in der Schreibtisch-Planung befindet: In Anchorage in Alaska wurde das Arctic-Link-Kabel entworfen, das ebenfalls von Japan durch die Beringstraße und an Grönland vorbei nach London führen soll. Ein russisches Kabel namens Rotax [Link entfernt] hingegen könnte auf einer ganz anderen Route laufen, nämlich von Großbritannien an der russischen Küste entlang über Murmansk, Anadyr und Wladiwostok bis nach Tokio.
"All diese Projekte befinden sich noch im Planungsstatus. Es müssen noch beträchtliche Mengen an Geld aufgebracht werden, damit mit dem Bau begonnen werden kann", sagt Alan Mauldin, Forschungsleiter beim US-Marktforschungsunternehmen Telegeography. "Arctic Fibre" soll 600 bis 640 Millionen US-Dollar kosten, die vor allem von Telekommunikationsfirmen kommen sollen. Für "Rotax" sind insgesamt sogar fast zwei Milliarden Dollar veranschlagt, wie die russische Agentur Interfax kürzlich meldete [Link entfernt] .
Finanzierung und Rentabilität der Projekte noch ungeklärt
Geldgeber zu finden könnte schwierig werden, meint Mauldin. "Es gibt für die Verbindung zwischen Japan und Großbritannien überhaupt keinen Bedarf, da die bestehenden Kabel ausreichen." Und die Bevölkerungsdichte in der kanadischen Arktis reiche nicht aus, um das Projekt kommerziell erfolgreich zu betreiben, sagte Dan Goldberg, Präsident der kanadischen Satelliten-Telekommunikationsgesellschaft Telesat der Zeitung "The Toronto Star". Das Ganze sei "unrealistisch".
Cunningham jedoch betont, dass es auch um Ausfallsicherheit gehe. Die neue Route führe nicht durch häufig befahrene Seestraßen wie das Südchinesische Meer und den Suezkanal, wo auf dem Meeresboden schleifende Anker und Grundnetze der Fischer immer wieder zu Kabelbrüchen führten. "Die Arktis ist auch ein schöner Platz - hinsichtlich der seismischen Aktivitäten", fügt er hinzu, da eine weitere Bedrohung der Kabel Erdbeben sind.
Auf der zweiten Seite erläutern wir, warum Unterseekabel in der Arktis besser geschützt sind, wie lange die Kabel im arktischen Meer aushalten müssen und auf welche Tradition heutige Ideen aufbauen.