BNetzA: Telekom missbraucht Marktmacht im Festnetz
Die Bundesnetzagentur hat festgestellt, dass die Telekom bei Vorleistungsprodukten ihre Marktmacht missbraucht habe.
Foto/Montage: teltarif.de, Grafik: Image licensed by Ingram Image
"Es ist weiterhin schwierig mit der Telekom und der Regulierer bleibt gefordert", das ist der Tenor einer aktuellen Pressemitteilung des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM).
Beschlusskammer fällt ein Urteil
Die Bundesnetzagentur hat festgestellt, dass die Telekom bei Vorleistungsprodukten ihre Marktmacht missbraucht habe.
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Unter dem Aktenzeichen "BK2b-20/024" hatte die Beschlusskammer 2 der Bundesnetzagentur (BNetzA) festgestellt, dass die Telekom Deutschland (TDG) "erneut ihre marktbeherrschende Stellung bei wichtigen Vorprodukten für den Geschäftskundenmarkt missbraucht". Sie behindere damit ihre Konkurrenten und beeinträchtige deren Wettbewerbsmöglichkeiten. Die Telekom muss daher bereits ausgesprochene Kündigungen für 2022 und 2023 gegenüber den Wettbewerbern bei bestimmten "Vorleistungsprodukten" zurücknehmen und diese so lange weiter anbieten, bis sie eine Alternative zur Verfügung stellt, die für die deutsche Wirtschaft gleich gut nutzbar ist.
Kein SDH-Angebot mehr?
Bei diesen Vorleistungsprodukten handelt es ich um SDH-basierte Übertragungswege für Breitbandanschlüsse zwischen 2 und 155 MBit/s, wie sie seit etlichen Jahren zur Versorgung von besonders anspruchsvollen Endkunden aus Industrie und Wirtschaft genutzt werden, beispielsweise Banken, Behörden und Fabriken, die etwas mehr Bandbreiten benötigen.
Mit Schreiben vom 14.10.2020 hat die TDG der Beschlusskammer 2 der Netzagentur geantwortet, dass sie ihren "Nachfragern auf der Vorleistungsebene" (sprich alternativen Telekommunikations-Anbietern) die Einzelleistungen von Übertragungswegen auf der Basis ihrer SDH-Plattform zum 30.09.2022 bzw. zum 31.03.2023 kündige. Die entsprechenden Leistungen beträfen auch Übertragungswege, die der sektorspezifischen Regulierung unterliegen und zu deren Leistung die TDG nach der geltenden Regulierungsverfügung sowie aufgrund entsprechender Vorgaben (in Standardangeboten) gegenüber den Wettbewerbern verpflichtet sei.
Die Telekom würde wohl gerne auf modernere Technologien umstellen, aber die sind wohl deutlich teurer, und das gefiel den Anbietern beim VATM verständlicherweise nicht. Und die Netzagentur pflichtete dem bei: Es gebe keine Rechtfertigung, die Verpflichtung zur Bereitstellung von diesen SDH-basierten Mietleitungen zu begrenzen, so der Spruch aus Bonn und Mainz.
Was ist SDH?
SDH steht für "Synchrone Digitale Hierarchie". Mithilfe von SDH lassen sich viele einzelne Datenströme zu hochbitratigen Datenströmen zusammenfassen. Dabei arbeitet das SDH-Netz synchron mit einem gemeinsamen Takt. Im Vergleich zu den früheren PDH-Netzen (Plesiosynchrone digitale Hierarchie) erlaubt SDH deutlich bessere Fehlerkorrekturen. SDH-Netze, so die Experten, sind auf höchste Dienstgüte und -verfügbarkeit ausgelegt.
Aber: SDH ist nicht mehr die allerneueste Technik. SDH-Netze werden zunehmend durch DWDM (Dense Wavelength Division Multiplex)-Technik verdrängt, die über Glasfaser läuft und noch mehr Bandbreiten, mehrere Verbindungen durch Einsatz verschiedener Wellenlängen (= Lichtfarben) erlaubt.
Gigabit-Netz nicht flächendeckend
Doch fette Glasfaserleitungen gibts noch nicht immer und überall. „Solange es noch keine bundesweiten alternativen Gigabit-Netze gibt – und das wird noch zehn Jahre dauern –, sind die Wettbewerberunternehmen bei der Realisierung von Angeboten in ganz Deutschland auf das Kupfernetz der Telekom und deren Vorprodukte angewiesen“, betont der VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner.
Aufgrund des Vorstoßes der Telekom bat der VATM schon Ende 2020 die BNetzA um Hilfe. Diese leitete erneut ein sogenanntes "Missbrauchsverfahren" ein. Schon im September 2020 hatte die Aufsichtsbehörde wegen der schlechten Termintreue der Telekom bei der Bereitstellung von Zugangsprodukten nach einer Intervention durch den VATM eingreifen müssen.
VATM freut sich über Entscheidung
Die Entscheidung der Beschlusskammer freut den VATM, der die "klare Positionierung der Bundesnetzagentur" begrüßt: „Die Entscheidung wird wesentlich dazu beitragen, dass die Telekom stärker auf die Einhaltung der vertraglichen Zusagen achten muss und den aufgrund ihrer Marktmacht auferlegten Regulierungsverpflichtungen nachkommt. Die Entscheidung ist zudem generell eine gute und wichtige Grundlage für unsere weiteren Verhandlungen mit der Telekom. Denn wir wollen auch in Zukunft, wo immer möglich, die Einigung im Markt. Wir sind bereit, dem marktmächtigen Unternehmen eine faire Chance zu geben, sich marktkonform zu verhalten und auf das Ausspielen seiner Marktmacht zu verzichten. Dabei muss der Regulierer aber weiter sehr wachsam bleiben, da Marktmacht extrem leicht zu Missbrauch und Wettbewerbsverdrängung genutzt werden kann.“
Gerade vor wenigen Tagen erst hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) hohe, von der EU-Kommission verhängte Bußgelder gegen die Deutsche Telekom bestätigt, weil deren ebenfalls marktmächtiges Tochterunternehmen im EU-Staat Slowakei ihren Wettbewerbern den Zugang zu Teilnehmeranschlüssen unter "unfairen Bedingungen" angeboten hatte.