Erfolgreich

Netflix gegen Trittbrettfahrer: Strategie bringt mehr Abos

Der Plan von Netflix, dem Teilen von Account-Pass­wör­tern einen Riegel vorzu­schieben, war mit Risiko verbunden: Was, wenn verär­gerte Nutzer lieber kündigen, als mehr zu bezahlen? Doch schon nach einigen Wochen sieht sich der Dienst bestä­tigt.
Von mit Material von dpa

Die Rech­nung von Netflix beim Vorgehen gegen das Teilen von Pass­wör­tern außer­halb eines Haus­halts geht bisher auf. Der Video­strea­ming-Riese gewann im zweiten Quartal 5,9 Millionen Kunden hinzu. Netflix machte keine Angaben dazu, wie viele von ihnen zuvor Account-Tritt­brett­fahrer waren, die sich nun ein eigenes Konto zulegten. Doch verzeichne man in jeder Region mehr Abo-Kunden und Umsatz als zuvor, betonte Co-Chef Greg Peters. "Wir sehen, dass es funk­tio­niert."

Netflix geht seit Anfang des Sommers unter anderem in Deutsch­land dagegen vor, dass Nutzer einen Account über einen Haus­halt hinaus teilen. Dafür wird nun zusätz­liches Geld fällig - entweder zahlen die Mitbe­nutzer für ein eigenes Konto, oder der bishe­rige Account-Inhaber fügt sie für 4,99 Euro im Monat als Zusatz­mit­glied hinzu. Soviel kostet in Deutsch­land auch das güns­tigste Abo mit Werbe­anzeigen. Netflix legt Zahlen vor Netflix legt Zahlen vor
picture alliance/dpa
Netflix verkün­dete aber auch, dass es die Option zum legalen Account-Sharing gegen Aufpreis nicht in allen Ländern geben wird. Ab sofort wird Netflix hierzu die Nutzer in den betref­fenden Ländern anschreiben. In vielen dieser Länder (z. B. Indo­nesien, Kroa­tien, Kenia, Indien usw.) habe man kürz­lich die Preise gesenkt und die Bekannt­heit sei in vielen von ihnen immer noch relativ gering, sodass Netflix darauf hofft, dort mehr echte Neukunden gewinnen zu können. Man will sich offenbar also den Neukunden-Markt nicht mit bezahlten Sharing-Accounts selbst "verderben".

Früher 100 Millionen Tritt­brett­fahrer?

Nach früheren Berech­nungen von Netflix nutzten rund 100 Millionen Streamer das Pass­wort aus einem anderen Haus­halt. Die Firma setzt darauf, dass betrof­fene Nutzer lieber zahlen, statt den Dienst zu kündigen. Netflix hatte nun zum Quar­tals­ende insge­samt 238,4 Millionen zahlende Kunden. Für das laufende Vier­tel­jahr rechnet Netflix mit einem Zuwachs bei der Nutzer­zahl in ähnli­cher Größen­ord­nung. Bei einigen betrof­fenen Nutzern könne es mehrere Quar­tale dauern, sie als Kunden zu gewinnen, räumte Peters in der Nacht zum Donnerstag ein.

Der Umsatz legte im Vergleich zum Vorjah­res­quartal um 2,7 Prozent auf knapp 8,2 Milli­arden Dollar (rund 7,3 Mrd Euro) zu. Unterm Strich gab es einen Gewinn von 1,49 Milli­arden Dollar nach schwarzen Zahlen von 1,44 Milli­arden Dollar ein Jahr zuvor. Anleger waren von den Quar­tals­zahlen und der Prognose nicht beein­druckt: Die Aktie fiel im nach­börs­lichen Handel um gut acht Prozent. Zuvor war der Kurs seit Jahres­beginn um mehr als 60 Prozent gestiegen.

Neue Gefahr: Streik der Dreh­buch­autoren und Schau­spieler

Durch den Streik der Dreh­buch­autoren und Schau­spieler in Holly­wood wird Netflix im laufenden Quartal zunächst einmal mehr freies Geld ausgeben. So geht es auch anderen Strea­ming-Diensten und TV-Sendern in Amerika. Doch der Streik bedeutet auch eine Lücke beim Nach­schub von Filmen und Fern­seh­serien. Wenn der Ausstand in den September hinein andauere, "wird das ein echtes Problem", sagte Bran­chen­ana­lyst Michael Nathanson im Wirt­schafts­sender CNBC.

Die Indus­trie bereitet sich darauf vor. So will etwa Para­mount die Lücken im Programm seines Sendern CBS mit Folgen der Serie "Yellows­tone" stopfen, die eigent­lich ein Zugpferd der haus­eigenen Netflix-Konkur­renz Para­mount+ ist. Netflix mit einer großen Biblio­thek an Filmen und Serien sowie über die Welt verteilten Produk­tions­stu­dios wird in einer besseren Posi­tion als einige Rivalen gesehen.

Güns­tigeres Angebot mit Werbe­anzeigen funk­tio­niert

Im Video­strea­ming-Geschäft herrscht ein scharfer Konkur­renz­kampf um Nutzer, insbe­son­dere nachdem immer mehr Player mit eigenen Diensten in den Markt drängten: Studios wie Disney, Warner und Para­mount, Tech-Riesen wie Amazon und Apple. Netflix gehört zu den Anbie­tern, die weniger ausga­befreu­dige Nutzer mit einem güns­tigeren Angebot mit Werbe­anzeigen gewinnen wollen.

Und dieser Ansatz scheint zu funk­tio­nieren. Bei Netflix habe sich die Zahl der Nutzer des Tarifs binnen drei Monaten fast verdop­pelt - wenn auch von einem nied­rigeren Niveau aus, hieß es. Pro Nutzer mache Netflix dank der Anzei­gen­ein­nahmen bereits welt­weit mehr Umsatz im Anzeigen-Abo als in der werbe­freien Basis-Version. In den USA hätten die Erlöse pro Nutzer im dort 6,99 Dollar teuren Werbe­modell sogar das Stan­dard-Abo für 15,49 Dollar über­holt.

Beim Strea­ming-Dienst Disney+ entschieden sich zuletzt 40 Prozent der Neukunden für die güns­tigere Version mit Werbung, wie jüngst Konzern­chef Robert Iger sagte. Netflix will nun für Werbe­kunden so attraktiv wie möglich werden. Unter anderem können sie Anzei­gen­platz auf Wunsch ausschließ­lich in den zehn popu­lärsten Filmen und Serien buchen - was ein breites Publikum garan­tiert.

Eine span­nende Frage in der Branche ist nun, ob Werbe­aus­gaben beschleu­nigt aus dem klas­sischen TV ins Strea­ming mit Werbung abfließen werden. Disney-Chef Iger zeigte sich zuletzt so skep­tisch über die Zukunft des linearen Fern­sehens, dass er nicht ausschloss, die konzern­eigenen TV-Sender wie ABC auf lange Sicht loszu­werden.

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