Kontroverse

Diskussion um Netzausbau beim bundesweiten Digitalradio DAB+

Private drücken auf die Bremse - nur 60 Sendeanlagen bis Ende 2015?
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Die Zukunft des DAB-Sender-Ausbaus ist ungewiss. Die Zukunft des DAB-Sender-Ausbaus ist ungewiss.
Bild: Sony
Eigentlich sollte beim bundesweiten Digitalradio Ende 2015 der vorläufige End­ausbau erreicht sein. 110 Sende­anlagen deutschlandweit, das war das ehrgeizige Ziel beim Start des DAB-"Bundesmuxxes" im August 2011. Inzwischen aber knistert es hinter den Kulissen. Während das öffentlich-rechtliche Deutschlandradio und die religiösen Sender Radio Horeb und Evangeliumsrundfunk, die sich über Spenden finanzieren, einen möglichst schnellen Netz­ausbau wünschen, drücken die kommerziellen Sender auf die Bremse. Die Gefahr besteht, dass bei DAB+ eine ähnliche Entwicklung wie beim digital-terres­trischen Fernsehen (DVB-T) eintreten könnte: Die Land­bevölkerung und struktur­schwachen Regionen könnten vom bundesweiten Digitalradio und dem Angebot der Privat­sender ausgeklammert werden.

Radio Energy: Es fehlt am Marketing

Die Zukunft des DAB-Sender-Ausbaus ist ungewiss. Die Zukunft des DAB-Sender-Ausbaus ist ungewiss.
Bild: Sony
So dämpfte etwa der Chef von Radio Energy, Olaf Hopp, mit Blick auf den Ausbau des nationalen Digitalradio-Netzes die Erwartungen. Finanzielle Mittel würden den privaten DAB+-Programm­veranstaltern nur sehr limitiert zur Verfügung stehen, hinter den geplanten flächen­deckenden Ausbau setze das Unter­nehmen deshalb dicke Fragezeichen. "Aus meiner persönlichen Sicht heraus ist es bis Ende 2015 für die privaten Programm­veranstalter nicht darstellbar, das bundesweite Sendenetz auf mehr als 60 Sende­standorte auszubauen", betont Hopp in einem Interview mit dem Magazin Infosat.

60 Sendeanlagen, das wären 50 weniger als noch im Jahr 2011 geplant. Bislang sind 52 Sendestationen am Netz. Viele Personen in strukturschwächeren Regionen wie dem Schwarzwald, Vorpommern, Ostfriesland, der Pfalz oder in Südbrandenburg hätten somit auch in den kommenden Jahren keine Chance die bundesweiten digitalen Hörfunkprogramme terrestrisch zu empfangen. Auch wichtige Autobahnen wie die "Sauerlandlinie" (A45 zwischen Seligenstadt und Dortmund) oder die A6 zwischen Saarbrücken und Nürnberg blieben weiter auf vielen Abschnitten unversorgt.

Hopp betont, dass die Medienpolitik, die Geräteindustrie, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und auch der Netzbetreiber Media Broadcast selbst deutlich mehr Mittel für Marketing beim Digitalradio zur Verfügung stellen müssten.

Media Broadcast unterbreitet Vorschlag zum Netzausbau

Ob tatsächlich bis Ende 2015 nur acht weitere Sendeanlagen für den Bundes-Multiplex ans Netz gehen, hängt von Verhandlungen zwischen Netzbetreiber Media Broadcast, dem Deutschlandradio und den Privatsendern ab. Wie teltarif.de aus gut unterrichteter Quelle erfuhr, habe der Netzbetreiber den Kunden nun einen Vorschlag zum Netzausbau bis Ende 2015 unterbreitet, über den momentan hinter den Kulissen verhandelt wird. Einzelheiten über die Anzahl der Sender sind noch nicht bekannt. Wie es aber heißt, dürften weitere Sendeanlagen frühestens ab Jahresmitte 2014 zugeschaltet werden, da den Programmveranstaltern ein Sonderkündigungsrecht bis zum 30. Juni 2014 eingeräumt werden soll. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass einige Veranstalter aufgrund der hohen Kosten im Vergleich zum gegenwärtigen Nutzen passen könnten. Schon 2011 räumte der Netzbetreiber den Veranstaltern ein solches Kündigungsrecht ein, ursprünglich lief es bis Ende 2013. Das war aber offenbar noch zu früh für eine Entscheidung, ob sich die Investition in DAB+ auch in den Folgejahren lohnt.

Aktuell besitzen die Deutschen laut den Marktforschern von TNS Infratest rund drei Millionen Digitalradios, ungefähr 2,5 Millionen davon können den Standard DAB+ empfangen. Die Privatradios benötigen laut eigenen Angaben eine potenzielle Reichweite von mindestens sechs Millionen Geräten, damit es eine Refinanzierungschance gebe. Der gegenüber DAB+ nach wie vor kritisch eingestellte Verband privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) spricht sogar von 16 Millionen Geräten.

Das Deutschlandradio machte bereits vor längerer Zeit einen Vorschlag: Für die Privatradios, die den bundesweiten Ausbau des Digitalradios nicht mitfinanzieren können oder wollen, soll ein zweiter Multiplex, der vorrangig in Ballungsgebieten und entlang der wichtigsten Verkehrsrouten ausgestrahlt wird, ans Netz gehen. Die Gefahr bestünde dabei jedoch, dass alle kommerzielle Sender des Bundesmuxxes in dieses neue Bouquet wechseln könnten. Der einstige bundesweite Multiplex bestünde dann nur noch aus den Sendern des Deutschlandradios und den religiösen Programmen. Eine weitere Finanzierung wäre ungewiss, ganz zu schweigen von einem Attraktivitäts-Verlust.

Kompromiss wahrscheinlich

Am Ende wird wahrscheinlich - wie in den vergangenen Jahren auch - ein Kompromiss stehen. Denn der Druck aus der Industrie nach einem raschen Netzausbau wächst, vor allem die Autobauer haben in der Vergangenheit sehr positiv auf zusätzliche Sendegebiete reagiert. Und ein Zurück kann es eigentlich nicht mehr geben, dafür war die Entwicklung des Digitalradios seit dem Start im August 2011 zu positiv, wenn auch nicht alle Erwartungen erfüllt wurden. 2013 hat Media Broadcast sieben Sendeanlagen im Bundes-Multiplex neu ans Netz gebracht. In dieser Größenordnung könnte sich letztendlich auch der Netzausbau in den kommenden zwei Jahren gestalten.

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