Digitalradio Deutschland drängt auf schnelle Abschaltung von UKW
Der Sender Wendelstein versogt weite Teile der Alpenregion derzeit noch mit UKW-Rundfunk
Bild: By Cybertorte (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons
Heute um 11.11 Uhr sind in Norwegen die ersten UKW-Sender vom Netz gegangen. Das Land beendet bis Ende 2017 als erstes Land weltweit die analoge Radio-Verbreitung zugunsten des terrestrischen Digitalradios DAB+. Basierend auf den norwegischen Erfahrungen beim Übergang von UKW zu DAB+ appelliert Dr. Willi Steul, Vorsitzender des Vereins Digitalradio Deutschland und Intendant von Deutschlandradio, mit einem Fünf-Punkte-Forderungskatalog vor allem an den Bund und die Länder. Die Zukunft des digitalen Hörfunks in Deutschland müsse gesichert werden.
Radio darf keine analoge Insel bleiben
Der Sender Wendelstein versogt weite Teile der Alpenregion derzeit noch mit UKW-Rundfunk
Bild: By Cybertorte (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons
Laut Steul müsse angesichts der Tatsache, dass das Antennenfernsehen bereits seit 2009 ausschließlich digital verbreitet wird, das Medium Radio so schnell wie möglich von der analogen in die digitale Welt überführt werden, um zukunftsfähig zu bleiben und den gewachsenen Ansprüchen der Hörerinnen und Hörer zu entsprechen. DAB+ biete einen rauschfreien Klang, sei moderner, effektiver und persönlicher. Es ermögliche bei den bundesweiten Programmen erstmals unterbrechungsfreies Hören in ganz Deutschland und liefere mehr Vielfalt auf ausreichend freien Kapazitäten zu weit günstigeren Verbreitungskosten. Vor diesem Hintergrund sei die Politik gefordert, die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Umgang mit freien oder frei werdenden UKW-Frequenzen sowie bei der Verlängerung von UKW-Lizenzen zu prüfen.
Roadmap und Finanzierung kommerzieller Angebote
Marktbeteiligte beim Digitalradio DAB+ haben sich in einer Koalition zusammengeschlossen, um in einer Roadmap den gemeinsamen Weg zum Rundfunkstandard DAB+ zu beschreiben. Für den regulatorischen Rahmen benötigen alle aber auch die Unterstützung der Politik. Laut Steul müssten Bund und Länder 2017 verstärkt zusammenarbeiten, damit nach der erfolgreichen Einführungsphase nun auch die Eckpunkte für eine Migration von UKW hin zum Standard DAB+ festgelegt werden können. Die Zeit hierfür dränge, unter anderem auch, weil die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) erwarte, dass mit den Anmeldungen von ARD und Deutschlandradio zum 22. Bericht im Frühjahr 2019 mehrere Meilensteine bei DAB+ erreicht worden sind: Unter anderem, dass Bund und Länder eine Entscheidung über ein Konzept zur Abschaltung von UKW getroffen haben.
Kommerzielle Hörfunkanbieter benötigten zudem laut Steul zur Finanzierung eines Simulcasts von UKW und DAB+ finanzielle Mittel. Nur der Freistaat Bayern habe hier bisher ein Konzept zur Förderung der privaten Sender erarbeitet, um die Migration von UKW zu DAB+ voran zu treiben. Eine Förderung der Verbreitungskosten der privaten Sender wäre durch einen Digitalisierungsfonds von Bund und Ländern, etwa durch Erlöse aus der Digitalen Dividende II, einer technischen Infrastrukturförderung durch die Medienanstalten oder besondere Preismodelle der Netzbetreiber möglich. Ähnliche Maßnahmen hätte es auch bei der Digitalisierung der unterschiedlichen Verbreitungswege beim Fernsehen. Radio dürfe hier nicht benachteiligt werden, so Steul.
DAB+ muss serienmäßig in Fahrzeuge
Ganz hart ins Gericht geht der Deutschlandradio-Intendant mit den Autobauern: Ohne DAB+ Radio seien Neufahrzeuge in Deutschland nicht zukunftssicher, blicke man auch auf die Digitalisierung des Hörfunks im Ausland. Derzeit seien erst 14 Prozent der Fahrzeugmodelle in Deutschland serienmäßig mit DAB+-Empfang ausgestattet. Ein DAB+-Chip koste im Schnitt sieben Euro, dazu komme noch der Preis der Antenne. Vor diesem Hintergrund sei es "einfach unverständlich, wenn Autobauer mehrere hundert Euro Aufpreis für den digitalen Radioempfang als Sonderausstattung verlangen. Solche Preismodelle blockieren eine schnellere Marktdurchdringung mit DAB+".
Auch in diesem Punkt seien regulatorische Rahmenbedingungen im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher wünschenswert. So setze sich der Bundesrat dafür ein, dass im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur TKG-Novelle eine Verpflichtung für Gerätehersteller aufgenommen werden soll, zukünftig alle neuen Radiogeräte auch mit DAB+-Empfangsmöglichkeit auszustatten. Mit dieser Multinormchip-Initiative, die zum Beispiel auch vom CDU-Netzwerk Medien und Regulierung getragen wird, könnte der Gesetzgeber im Interesse aller Beteiligten einen maßgeblichen Beitrag zur Beschleunigung der Digitalisierung des Hörfunks und damit auch zu einer langfristigen Senkung der Verbreitungskosten leisten.
Auch TLM-Direktor Fasco appelliert an Politik
Sorgen um die Privatradios aufgrund des immer größer werdenden Erfolgs von DAB+ macht sich unterdessen der Direktor der Thüringischen Landesmedienanstalt (TLM), Jürgen Fasco. Es gebe ein immer größeres Angebot an DAB+-Radios, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hätte hier eine sehr gute Verbreitung, und UKW befände sich auf dem Rückzug. Dennoch können die Privatradios den Simulcast UKW und DAB+ aus eigener Hand nicht finanzieren. Daher dringt der TLM-Direktor auf eine Entscheidung der Landesregierung, "ob es Formen der finanziellen Unterstützung für private Veranstalter geben kann". In anderen Ländern sei das der Fall. Die Landesverfassung fordere die Politik auf, "für ausgewogene Verbreitungsmöglichkeiten zu sorgen", so Fasco.