Test-Vergleich

EDGE-Netz in Berlin: Telekom Top, Vodafone Flop

Praktisch kein Datenfluss im EDGE-Netz von Vodafone
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Wie beschrieben ist EDGE eine Art "Fallback-Lösung" für den Fall, dass UMTS/HSDPA/LTE nicht zur Verfügung stehen. In manchen Smartphones kann es als Standard-Verbindungstechnik ausgewählt werden - im Telefon-Menü heißt es dort dann "GSM only" oder "2G only". In der Praxis macht das zum Beispiel Sinn, um den Akku zu schonen oder um eine Alternative zu einer völlig überfüllten UMTS-Zelle zu haben. Bei unserem Test in Berlin haben wir uns aber bewusst an Orte begeben, wo die Wahrscheinlichkeit besteht, dass es nur EDGE gibt. An einigen Orten wussten wir auch sicher, dass ausschließlich EDGE als mobiles Datennetz zur Verfügung steht, und zwar sowohl bei Vodafone als auch bei der Telekom.

Als Testgerät diente uns ein Samsung Galaxy Note. Fürs Telekom-Netz nutzten wir eine Xtra Card mit aktivierter Handy-Flat, im Vodafone-Netz eine Karte mit dem Tarif CallYa Smartphone Fun. Beide Prepaid-Tarife verfügen über eine mobile Internet-Flatrate, die nach Erreichen von monatlich 200 MB auf GPRS-Niveau gedrosselt wird.

Die von uns gesuchten und gefundenen Orte mit EDGE-Netz befinden sich interessanterweise oft unter der Erdoberfläche: Eines unserer Haupt-Testgebiete war die U-Bahn-Linie 9, die in Berlin in Nord-Süd-Richtung von Wedding über Moabit und Wilmersdorf nach Steglitz führt - also durch das westliche Stadtzentrum. Das EDGE-Netz haben wir hauptsächlich zwischen den Haltestellen "Leopoldplatz" und "Berliner Straße" getestet.

Andere Testorte waren große, zum Teil ältere Gebäude im Stadtzentrum Berlins, in denen aufgrund von dicken Mauern bzw. Stahlbetonwänden kein UMTS-Signal mehr zu empfangen war. Außerdem bewegten wir uns regelmäßig in der S-Bahn-Infrastruktur mit den teilweise recht überfüllten Funkzellen und großen Bahnhofshallen mit dicken Wänden.

Telekom-Netz: Stetiger Datenstrom mit kleiner "Gedenksekunde"

An allen von uns getesteten Punkten konnten wir im Telekom-Netz jederzeit Daten empfangen und senden. Die Geschwindigkeit des Seitenaufbaus bei mobilen Webseiten variierte zwar manchmal, allerdings konnten wir dies immer auf die Datenmenge der jeweiligen Webseite zurückführen. Webseiten mit Bildern wurden in der Regel langsamer geladen, wofür man natürlich nicht das EDGE-Netz verantwortlich machen darf.

Ein interessantes Phänomen war die kurze Verzögerung, die wir im EDGE-Netz der Telekom bei so gut wie jedem Seitenaufruf feststellen konnten. Nach dem Antippen eines Lesezeichens im Android-Browser - beispielsweise zu mobil.teltarif.de - erschien sofort die URL in der Adresszeile, dann folgte die "Gedenksekunde", in der gar nichts passierte, und anschließend wurde die Seite geladen.

Dabei konnten wir sehen, dass die Seiten so gut wie immer mit konstanter Geschwindigkeit geladen wurden. Dies halten wir im EDGE-Netz auch für eine wichtigere Information als die nackte Angabe einer Datenrate. Denn eine Toleranz von 20 bis 50 kBit/s bei verschiedenen Messungen würden wir bei EDGE tolerieren, da es sich bei der Technik nicht explizit um einen "Datenturbo" wie LTE handelt. Selbst in der fahrenden U-Bahn gab es nur in ganz wenigen Fällen Verbindungsabbrüche - das EDGE-Netz der Telekom scheint im Berliner "Untergrund" also recht gut ausgebaut zu sein. Allerdings muss man dazu sagen, dass die Berliner U-Bahn an vielen Stellen auch recht dicht unter der Erdoberfläche verkehrt.

EDGE-Katastrophe bei Vodafone: Netz vorhanden, aber praktisch kein Datenfluss

Bei eingelegter Vodafone-Karte ging der Wechsel zwischen den Netzstandards genau so flüssig vonstatten wie bei der Telekom. Aber das war's auch schon. Die bereits mehrfach von teltarif.de gemeldeten Datenübertragungsprobleme haben sich als Dauerzustand im EDGE-Netz von Vodafone herauskristallisiert. Dabei kann man nicht von einem Verfügbarkeitsproblem sprechen, denn EDGE-fähige Basisstationen hat Vodafone praktisch ebenfalls flächendeckend installiert - das Smartphone war ins EDGE-Netz eingebucht.

Die nicht nur tröpfelnde, sondern in so gut wie allen Fällen komplett ausbleibende Datenverbindung wollten wir zuerst auf überfüllte U-Bahnen und Bahnsteige schieben. Als wir aber schließlich spät in der Nacht auch auf völlig leeren Bahnsteigen keine Daten über EDGE bekamen, wurden wir stutzig. Der Testzeitraum erstreckte sich von Januar bis August über acht Monate - und das Problem besteht weiterhin. Man kann also keineswegs von einem temporären Problem sprechen - das Wort "Dauer-Katastrophe" wäre wohl eher angebracht.

Bei schlechter Netzversorgung gibt es ja mitunter das Phänomen, dass über EDGE nur Teile einer mobilen Webseite geladen werden - in der Regel sind dies das HTML-Grundgerüst und der Text ohne Bilder oder grafische Elemente. Doch selbst dies konnte das EDGE-Netz von Vodafone nicht bieten. Nach dem Aufruf einer mobilen Seite stockte der Browser, es flossen keinerlei Daten, und auch nach mehreren Minuten waren noch keine Daten auf dem Smartphone angekommen.

Nach mehreren Wochen stellte sich in unserem Test ein merkwürdiges "Glücksgefühl" ein, und zwar immer dann, wenn das EDGE-Netz auch nicht verfügbar war und das Smartphone ins GPRS-Netz wechselte. Denn dann flossen auch bei Vodafone sofort wieder Daten, und das sogar in akzeptabler Geschwindigkeit. Textbasierte mobile Seiten wurden mit Vodafone-GPRS langsam, aber stetig geladen - zumindest konnten wir das mobile Internet nutzen.

Unverständlich bleibt, warum Vodafone auch nach wiederholter Berichterstattung durch teltarif.de bislang nicht gewillt ist, an diesem Zustand etwas zu ändern oder uns gegenüber eine Erklärung abzugeben. Unserer Redaktion sind mittlerweile mehrere Fälle bekannt, wo Kunden wegen der Nichtnutzbarkeit des nicht unwichtigen EDGE-Netzes Vodafone den Rücken gekehrt und zu alternativen Anbietern gewechselt sind.

teltarif.de-Redakteur Alexander Kuch meint:
Alexander KuchDie Probleme sind nicht nur auf Berlin beschränkt: Aus Ostwestfalen, dem Rhein-Main-Gebiet und Süddeutschland erreichen uns regelmäßig Berichte, dass dort über das EDGE-Netz von Vodafone ebenfalls keine Daten fließen. Wir sehen hier also einen dringenden Handlungsbedarf - und zwar nicht, wenn von den LTE-Investitionen noch finanzielle Mittel übrig bleiben sollten, sondern jetzt.

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