Bericht

Ist Google das neue Apple?

Wieso eifert Google mit den aktuellen Produktvorstellungen rund um die Pixel-Handys den Konkurrenten Microsoft und Apple nach? Und könnte es damit die eigenen Hardware-Partner verärgern?
Von Johannes Kneussel

Google Pixel Google Pixel
Bild: Google
Google hat gestern zwei neue Smartphones vorgestellt. Das erste Mal verzichtet das US-Unternehmen dabei auf den Nexus-Namenszusatz und vermarktet die Geräte unter der bereits von Laptop und Tablets bekannten Pixel-Bezeichnung. Die Namensänderung hat aber mehr als nur kosmetische Gründe. Google möchte damit zeigen, dass die Handys komplett aus dem eigenen Hause stammen: Die Hardware wurde von Google entwickelt, die Software ohnehin.

Datenblätter

Die neuen Geräte stellen einen grundlegenden Strategiewechsel im Hause Google dar, auch wenn der Internetriese immer wieder betont, dass auch die anderen Partner von großer Wichtigkeit seien. Tatsache ist, dass Google ein geschloss­eneres System nach dem Vorbild von Microsoft und Apple anstrebt - inklusive exklusiver Funktionen.

Googles Probleme

Google Pixel Google Pixel
Bild: Google
Google hat mit Android zwar unangefochten die Marktführerschaft im Smartphone-Markt inne, trotzdem aber immer wieder mit Problemen zu kämpfen: Die Fragmentierung der unterschiedlichen Android-Versionen ist ein sehr großes Problem, welches Google nicht in den Griff zu bekommen scheint. Apple macht vor, wie es funktionieren sollte: Eine neue Software-Version wird binnen Tagen oder Wochen auf zahlreiche Geräte, auch ältere, ausgeliefert. Bei Android-Geräten von Drittherstellern dauert der Vorgang in der Regel Monate, wenn der neue Software-Flicken denn überhaupt seinen Weg auf das Gerät findet. Im schlimmsten Fall bleiben kritische Sicherheitslücken für immer ungeschützt.

Mit der Nexus-Reihe hatte Google zwar schon lange eigene Smartphones im Portfolio, bei denen das Problem nicht auftrat: Sie wurden mit einem unmodifizierten Android ausgeliefert, die Updates kamen direkt und extrem schnell von Google. Die Nexus-Reihe wurde aber nie offensiv vermarktet. Es handelte sich bei den Geräten auch nie um wirkliche Flaggschiffe oder Preis-Leistungs-Kracher, die eine große Zahl an Interessenten anziehen hätten können. Auch die Verfügbarkeit war in Deutschland meist nicht gut. Bei den Geräten handelte es sich um solide Mittelklasse-Produkte, die sich vor allem dadurch auszeichneten, dass sie ein unverfälschtes Google-Erlebnis ermöglichten, aber keine Massen durch besondere Alleinstellungsmerkmale begeistern konnten.

Mit den neuen Pixel-Smartphones soll nun alles anders werden. Und das erkennt man auch schon am Preis. Bis zu 1009 Euro möchte Google für seine Taschen-Rechner haben, damit ist man endgültig in den Preisregionen von Apple angekommen. Und das in Zeiten, in denen Flaggschiffe aus China immer besser und günstiger zu haben sind. Ist der Preis gerechtfertigt? Bietet Google ein so gutes Erlebnis, dass sich die Kosten gegenüber einem Huawei-Smartphone rechtfertigen lassen? Google Pixel kommt in drei Farben auf den Markt: blau, silber und schwarz Google Pixel kommt in drei Farben auf den Markt: blau, silber und schwarz
Bild: Google

Strategiewechsel: Microsoft und Apple als Vorbild

Apple und zuletzt auch Microsoft mit der Surface-Reihe konnten zuletzt große Erfolge im Premium-Segment feiern. Die iPhone verkaufen sich erfahrungsgemäß wie geschnitten Brot, auch die Surface-Reihe und Ultrabooks mit Windows 10 und Kosten von teilweise weit über 1000 Euro erfreuen sich nicht nur bei Testern immer größerer Beliebtheit. So überrascht es auch nicht, dass Apple nach aktuellen Informationen die wertvollste Marke der Welt ist - mit weitem Abstand vor Google und den ursprünglichen Größen von Coca Cola und Co.

Google möchte nun ein Stück von diesem Kuchen abhaben. Aber natürlich sind es nicht nur kurz- oder mittelfristige Überlegungen, die Google dazu bewogen haben, den Weg von Apple einzuschlagen. Google muss schlicht aufpassen, dass es auf lange Sicht nicht den Anschluss an die anderen Branchengrößen verliert. So bietet Apple bereits seit Langem mit Siri einen digitalen Assistenten, Lösungen für den Smart-Home-Bereich sollen bald folgen. Amazon hat mit Echo bereits seit Jahren ein Produkt auf dem Markt, welches wie das neue Google Home funktioniert. Microsoft bietet mit Cortana eine Lösung an, die sogar auf dem PC funktioniert.

Der gestrige Abend stellte also keinen Reigen an innovativen Produktvorstellungen dar, sondern einen Versuch, mit der Konkurrenz mitzuhalten. So hat man erkannt, dass geschlossene Systeme mit Hardware und Software aus einer Hand große Erfolge feiern kann. Android hat bis heute häufig das Image von einem langsamen OS, welches auf billigen Handys läuft. Mit den Pixel-Handys und den exklusiven Software-Features wie dem Assistant möchte Google dies nun ändern. Der Google Assistant soll mehr als nur einfache Fragen beantworten können Der Google Assistant soll mehr als nur einfache Fragen beantworten können
Bild: Google

Ob die neue Strategie aufgeht, wird wie so oft erst die Zeit zeigen. Google hat zwar mit der offenbar sehr guten Kamera und der tiefen Integration des Google Assistant einige Neuerungen im Gepäck, ob das Gesamtpaket überzeugen kann, müssen aber am Ende die Tester bzw. vor allem die Käufer entscheiden. Denn ein solide verarbeitetes Smartphone mit schneller Software, Quick-Charge-Funktion und großem Speicher ist auch im Android-Lager keine Seltenheit mehr - und das zu einem teils deutlich niedrigeren Preis. Und hier stellt sich natürlich die Frage, ob Google genug getan hat, um sich abzusetzen. Auch oder vor allem wenn das Vorhaben gelingt: Google könnte damit bisherige Partner verärgern oder sogar vertreiben.

Neue Strategie birgt Risiken

Zwar beteuert Google weiterhin, dass die Partner in Form von Drittherstellern, die Android auf ihren Geräten installieren, weiterhin ungemein wichtig seien. Es wird aber wohl kaum jemand bestreiten, dass Samsung oder LG sonderlich erfreut über die Entwicklung sind. So werden ihnen das erste Mal überhaupt Software-Features vorenthalten.

Über ungute Stimmung zwischen Google auf der einen und Samsung und Huawei auf der anderen Seite wird immer wieder spekuliert. Samsung hat außerdem mit Tizen ein eigenes Mobile-OS auf dem Markt, welches bereits auf den eigenen Smartwatches weltweit im Einsatz ist. Auch die anderen Bestandteile des Android-Ökosystems hat Samsung fast 1 zu 1 kopiert. Es klingt vielleicht kurzfristig unwahrscheinlich, aber auf keinen Fall undenkbar, dass Samsung und vielleicht auch weitere Hersteller Google und Android auf Lange Sicht die Gefolgschaft kündigen werden, wenn der Suchmaschinenriese beginnt, sein eigenes Süppchen zu kochen und den anderen "nur noch den Rest" überlässt.

Mehr zum Thema Google Assistant