Ausbildung

IT-Ausstattung an Schulen: Fachkräftemangel ist hausgemacht

Deutsche Schüler geben der IT-Ausstattung ihrer Schulen schlechte Noten. Damit ist eine Ursache des Fachkräftemangels in der ITK-Branche identifiziert.
Von Marie-Anne Winter

IT-Einsatz in deutschen Schulen: Oft nur die teurere Kreidetafel. IT-Einsatz in deutschen Schulen: Oft nur die teurere Kreidetafel.
Bild: dpa
Auf der Konferenz digitising europe, auf der neben Spitzenmanagern und Experten aus der ITK-Branche auch Bundeskanzlerin Merkel sprach, zog sich eine Klage durch fast sämtliche Vorträge: Der Mangel an jungen, engagierten Fachkräften für die IT-Branche. Sowohl Vodafone, als auch Ericsson oder Intel beklagen die Tatsache, dass viele der hochqualifizierten Jobs, die gerade durch die fortschreitende Digitalisierung geschaffen würden, nicht besetzt werden könnten, weil die entsprechenden Bewerber fehlten. Natürlich räumten die Unternehmenschefs ein, dass das gerade im Hinblick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit insbesondere in Südeuropa eine Schande sei - aber konkrete Ideen, wie die Unternehmen selbst dabei helfen könnten, die von ihnen doch so dringend benötigten Fachkräfte auszubilden, wurden keine geäußert.

IT-Einsatz in deutschen Schulen: Oft nur die teurere Kreidetafel. IT-Einsatz in deutschen Schulen: Oft nur die teurere Kreidetafel.
Bild: dpa
Dafür meldet der Branchenverein Bitkom heute [Link entfernt] , dass die IT-Ausstattung an deutschen Schulen immer schlechter werde. Insbesondere die Schüler selbst würden der IT-Ausstattung an ihren Schulen von Jahr zu Jahr schlechtere Noten geben und wünschten sich einen stärkeren Einsatz von digitalen Medien im Unterricht. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 512 Schülern weiterführender Schulen im Auftrag des Bitkom und der Messe Lerntec.

Damit dürfte zumindest eine Ursache des akuten Fachkräftemangels identifiziert sein: Wie sollen Schüler und Schülerinnen denn für IT-Berufe begeistert werden, wenn die weiterführenden Schulen in Deutschland nicht einmal das grundlegende Handwerkszeug haben, Schüler an Computertechnik heran zu führen, geschweige denn, sie entsprechend auszubilden?! Mehr als jeder zweite Schüler (54 Prozent) bezeichnet den Zustand der Computertechnik an seiner Schule als mittelmäßig oder schlecht. Die Kritik der Schüler an der mangelhaften IT-Ausstattung der Schulen wird damit immer schärfer: Im Jahr 2010 waren nur 40 Prozent der Schüler so unzufrieden. Jeder dritte Schüler (35 Prozent) bringt daher sein eigenes Notebook mit in den Unterricht, jeder fünfte (19 Prozent) einen Tablet Computer.

Digitale Agenda für die Schulen

"Wenn die Ausstattung nicht stimmt, sind die Bemühungen zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht zum Scheitern verurteilt", sagte Bitkom-Vizepräsident Achim Berg. "Die Schüler helfen sich selbst. Ihre Smartphones und Tablets haben nicht selten ein Vielfaches der Rechenleistung der in die Jahre gekommenen 'Computerkabinette' unserer Schulen. Die Schere zwischen der privaten IT-Ausstattung und dem Gerätepark der Schulen öffnet sich immer weiter. Wir brauchen eine Digitale Agenda für die Schulen."

Nur auf den ersten Blick gehören PCs, Notebooks und Beamer im Unterricht zum Standard. Immerhin geben jeweils 9 von 10 Schülern an, dass diese Geräte eingesetzt werden. 8 von 10 Schüler werden zudem mit Hilfe von digitalen Tafeln, sogenannten Whiteboards, unterrichtet. Schon deutlich seltener wird auf Tablet Computer (29 Prozent) oder E-Book-Reader (6 Prozent) zurückgegriffen. Wirklich täglich genutzt werden all diese Geräte aber kaum. Nur 35 Prozent der Schüler erleben täglich Whiteboards im Unterricht, noch weniger nutzen Notebooks (34 Prozent) oder stationäre PCs (28 Prozent). Selbst der Beamer wird nur bei jedem vierten Schüler (25 Prozent) an jedem Schultag eingesetzt. Ein Schattendasein fristen alle Geräte, die im beruflichen und privaten Umfeld in den vergangenen Jahren ihren Siegeszug angetreten haben: Smartphones (7 Prozent), Tablet Computer (6 Prozent) und E-Reader (0 Prozent). Zum Vergleich: Herkömmliche Fotokopien werden an 85 Prozent der Schüler täglich ausgegeben.

Dazu kommt, dass digitale Geräte hauptsächlich für die Präsentation von Lerninhalten durch Lehrer (97 Prozent) und Schüler (94 Prozent) sowie zur Internetrecherche (88 Prozent) genutzt werden. Deutlich seltener kommen spezielle Lernprogramme (42 Prozent) zum Einsatz. Relativ selten werden die Geräte zum Programmieren (27 Prozent) oder Gestalten einer Website (25 Prozent) verwendet. "Wir verschenken in unseren Schulen enormes Potenzial, wenn wir Computer & Co. nur als die bessere Kreidetafel einsetzen", so Berg. "Die Schere zwischen der Qualität der IT-Ausstattung an unseren Schulen und dem Stand der Technik sowie der Qualität der Ausstattung in den Wohn- und Kinderzimmern öffnet sich immer weiter."

Selbstlernen ist "in"

Dabei nutzen zwei Drittel (67 Prozent) der Schüler bereits digitale Medien zum Lernen – allerdings in ihrer Freizeit. 41 Prozent greifen dabei auf Lernvideos zurück, 15 Prozent belegen Online-Kurse, 12 Prozent spielen Lernspiele und 7 Prozent nutzen Lernprogramme bzw. Lern-Apps. Entsprechend wünscht sich eine große Mehrheit der Schüler (70 Prozent), dass mehr digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden. Vor allem Lernvideos (71 Prozent), Lernprogramme (37 Prozent), Lernspiele (32 Prozent) sowie Online-Kurse (26 Prozent) würden die Schüler gerne auch in der Schule nutzen.

Drei Viertel der Schüler (75 Prozent) fordern, dass es mehr und bessere digitale Lernmaterialien an ihrer Schule geben soll, 71 Prozent unterstützten die Forderung nach einem Notebook oder Tablet Computer für jeden Schüler. Auch wichtig: 8 von 10 Schülern glauben, dass ihre Lehrer besser für den Einsatz digitaler Medien geschult werden müssten.

Um noch einmal auf die Konferenz digitising europe zurückzukommen: Als Fazit waren sich viele Teilnehmer einig, dass es wenig Sinn hätte, von der Politik immer wieder eine Umgestaltung der Lehrpläne und der Ausbildungsgänge zu verlangen, weil in zehn bis fünfzehn Jahren, wenn die Änderungen greifen und die ersten Schüler eben diese Ausbildung durchlaufen haben, schon wieder ganz andere Dinge gefragt wären. In einer Zeit, in der die Technik so rasante Fortschritte mache, dass man nicht wissen könne, welche Fähigkeiten in wenigen Jahren gefragt wären, bliebe also nur, den Leuten beizubringen, wie man lernt und sie motiviert, sich selbst immer weiter zu bilden. So wie es aussieht, sind die jungen Leute von heute durchaus dazu bereit - um so wichtiger ist es also, ihnen die technischen Möglichkeiten dafür unabhängig von der jeweiligen Ausstattung ihres Elternhauses zur Verfügung zu stellen.