Digitale Demenz

Digitale Demenz: Macht Internet doof?

Hirnforscher: Zusammenhang zwischen digitaler Mediennutzung und abnehmender Merkfähigkeit
Von Marie-Anne Winter mit Material von dpa

Der Psychiater Manfred Spitzer sieht einen Zusammenhang zwischen digitaler Mediennutzung und digitaler Demenz. Der Psychiater Manfred Spitzer sieht einen Zusammenhang zwischen digitaler Mediennutzung und digitaler Demenz.
Bild: dpa
Smartphones und Computer sollen nach Meinung eines Wissenschaftlers trotz neuester Entwicklungen schädlich für die geistige Entwicklung ein. "Die kognitive Leistungsfähigkeit geht runter, die Merkfähigkeit geht runter", sagte der Ulmer Hirnforscher Manfred Spitzer [Link entfernt] gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. "Wir sprechen von Demenz, von geistigem Abstieg." Der Leiter der Psychiatrischen Uniklinik Ulm ist davon überzeugt, dass digitale Medien geistige Arbeit abnehmen. Auch sogenannte Bildungsapps und Programme, um das Gehirn zu trainieren, änderten nichts daran.

Der Psychiater Manfred Spitzer sieht einen Zusammenhang zwischen digitaler Mediennutzung und digitaler Demenz. Der Psychiater Manfred Spitzer sieht einen Zusammenhang zwischen digitaler Mediennutzung und digitaler Demenz.
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Spitzer beruft sich auf Beobachtungen von Ärzten aus Südkorea, die einen Zusammenhang zwischen modernen Medien und geistigem Abstieg bei jungen Erwachsenen erkannten. Sie sprachen von "Digitaler Demenz", erklärt Spitzer, an dem sich die Geister scheiden. Für die einen sind Spitzers Thesen nichts anderes, als die Bestätigung ihrer eigenen Beobachtungen. Andere wiederum vermissen fundiertere Belege.

Spitzer ist überzeugt, wer zu viel Zeit mit digitalen Medien verbringt, ist gefährdet. "Daddeln führt zu weniger konzentriertem Nachdenken, wenn Sie weniger nachdenken, wird weniger gespeichert", sagte Spitzer. Googeln führe auch zu geringerem Einspeichern von Erkenntnissen. Das sei aber wichtig für die Gehirnbildung. "Geistig leistungsfähig sind wir durch ein auf solche Weise strukturiertes Gehirn", erklärte Spitzer. "Wenn Sie weniger Struktur haben und zudem Nervenzellen zugrunde gehen, dann sind Sie früher weiter unten", sagte der Hirnforscher und meinte damit den geistigen Abstieg.

Computer gehören nicht in Kinderzimmer

Wenig Verständnis zeigt er für den vermehrten Einzug von Computern in Klassenzimmer. "Ein Computer in der Schule ändert überhaupt nichts an den schulischen Leistungen und einer im Jugendzimmer macht sie schlechter", ist Spitzer überzeugt. Er bezieht sich auf eine Auswertung von Daten aus einer Pisa-Studie an 250 000 Schülern im Alter von 15 Jahren. Computer beeinträchtigten das Lernen, sagt er.

Digitale Medien wolle er nicht verteufeln, so Spitzer. "Ich sage nur: Da, wo es Wirkungen gibt, gibt es auch Risiken und Nebenwirkungen." Und weiter: "Wenn man sich die Gesamtbevölkerung ansieht, kann man davon ausgehen, dass die geistige Leistungsfähigkeit durch die digitalen Medien heute schon beeinträchtigt ist." Weniger sei besser, sagte der Autor des Sachbuch-Bestsellers Digitale Demenz [Link entfernt] . "Man wird irgendwann in 20 Jahren mal sagen, was wir da gemacht haben, war ja völlig aberwitzig."

Das ist möglich, aber nicht zwingend. Es wurde ja schon bei der Erfindung des Buchdrucks befürchtet, dass nun ein Verfall der Kultur einsetzen würde, wenn dank der beweglichen Lettern jetzt gedruckte Bücher sogar fürs gemeine Volk verfügbar wären. Ganz zu schweigen davon, dass nun jeder Schrott gedruckt und somit verbreitet werden könnte. Ähnliche Reaktionen gab es auch bei der Einführung des Hörfunks und des Fernsehens.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man sich nicht mehr so viel merken muss, wenn man mal eben schnell im Internet nachsehen kann. Allerdings hat auch die Einführung von Lexika, mit denen man sich das geballte Wissen seiner Zeit ins Regal stellen konnte, nicht zu einer massenhaften Verblödung geführt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich bereits seit einigen Jahren die Anzahl der Demenzerkrankungen dramatisch erhöht [Link entfernt] - und zwar insbesondere bei alten Menschen, also jenen, die noch gar nicht die Möglichkeit hatten, sich das Hirn durch den massenhaften Konsum digitaler Medien zu ruinieren.

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