WIK legt Gutachten zum Glasfaser-Überbau vor
Das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK-Consult) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) eine Studie "Doppelausbau von Glasfasernetzen - Ökonomische Analyse und rechtliche Einordnung" veröffentlicht. Dazu hat der (Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO)), der etwa 470 Unternehmen der Branche vertritt, Stellung genommen.
Die Studie nehme anhand einer Auswertung von 93 konkreten Doppelausbau-Fällen eine ökonomische und rechtliche Analyse der sogenannten "Überbauproblematik" im Glasfaserausbau vor. Von Überbau spricht man, wenn in einem Ort oder Ortsteil mehrere Unternehmen parallel Glasfaserleitungen verlegen, ohne sich mit dem anderen Unternehmen abzustimmen.
Die Analyse der WIK zeige, dass ein Doppelausbau von Glasfasernetzen - beziehungsweise alleine schon dessen Ankündigung – nicht nur in Regionen problematisch sein könne, in denen entweder kein oder nur ein Glasfasernetz wirtschaftlich betreibbar ist, sondern auch dort, wo theoretisch zwei oder mehr Glasfasernetze wirtschaftlich wären.
Der BREKO-Verband sieht sich durch die WIK-Studie bestätigt und fordert, die Telekom zu bremsen
Grafik: BREKO
Marktanteile, Bestandskunden und Doppelausbau
Entscheidend für die Frage, ob der Doppelausbau tatsächlich problematisch ist, ist laut den Autoren der Studie die Verteilung der Marktanteile, die wiederum von der Bestandsinfrastruktur und der Anzahl der Bestandskunden abhängt.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass ein Doppelausbau von Glasfasernetzen – oder nur die Ankündigung – dann problematisch ist, wenn dies durch ein marktbeherrschendes Unternehmen (sprich die Telekom) geschieht.
Strategischer Doppelausbau problematisch?
Für den BREKO ist damit alles klar: "Die Studie zeigt, dass der strategische Doppelausbau und auch reine Doppelausbau-Ankündigungen der Telekom ein großes Problem für den weiteren erfolgreichen Glasfaserausbau in Deutschland darstellen. Ein Abwarten und Zögern bei diesem für die Erreichung der Ausbauziele entscheidenden Thema kann sich Deutschland mit Blick auf die vielen ausbauwilligen Unternehmen und Investoren nicht erlauben."
Der Verband stellt die konkrete Forderung, dass "das Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf Basis dieser Erkenntnisse umgehend konkrete Maßnahmen ergreift, um die strategischen Doppelausbau-Aktivitäten der Telekom zu stoppen."
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Als "effiziente und praxiserprobte Maßnahme" die auch von den Studienautoren als rechtlich möglich und "grundsätzlich zielführend"eingestuft werde, könnte nach Ansicht des BREKO so aussehen: Zum Schutz vor strategischem Doppelausbau solle die Telekom als marktbeherrschendes Unternehmen verpflichtet werden, ihre Glasfaser-Ausbauplanung jeweils mit einem Vorlauf von neun Monaten in eine nicht öffentliche Liste einzutragen.
Damit solle ausgeschlossen werden, dass die Telekom kurzfristig auf Ausbauplanungen von Wettbewerbern reagieren könnte, um deren Ausbauprojekte zu gefährden oder gar zu verhindern. Der BREKO erwartet, dass dieser Vorschlag in der am 26. Oktober geplanten Bund-Länder-Runde auf Staatssekretärsebene diskutiert wird.
Doppelausbau Monitoring ein Flop?
Die Einrichtung der Doppelausbau-Monitoringstelle bei der Bundesnetzagentur habe zu keiner Verbesserung der Situation geführt. Fast vier Monate nach dem Start gebe es noch keinerlei Auswertung der mehr als 290 gemeldeten Doppelausbau-Fälle. Der BREKO unterstellt dem Digital-Ministerium, dass das Thema nicht die erforderliche Priorität habe.
teltarif.de hat hingegen aus der Branche gehört, dass bei dieser Monitorstelle mehr Beschwerden über den Doppelausbau durch die Konkurrenz der Telekom eingegangen sein sollen, als durch die privaten Anbieter im Wettbewerb.
Die wichtigsten Studienergebnisse des WIK
Im Kern bestätige die Studie die Kritik des BREKO am Glasfaser-Doppelausbau der Telekom und unterstreiche den akuten Handlungsbedarf. Vier Aussagen findet der BREKO besonders wichtig:
- WIK-Consult hat ermittelt, dass mindestens zwei Drittel der deutschen Haushalte in so dünn besiedelten Gebieten liegen, dass sich höchstens ein Glasfasernetz wirtschaftlich bauen und betreiben lasse. Damit sei der Doppelausbau in 66 Prozent der Fälle schon rein betriebswirtschaftlich unsinnig, weil mindestens eines der beiden bauenden Unternehmen Verluste machen würde.
- Selbst in den Ballungsräumen, wo laut WIK-Consult auch zwei oder gar noch mehr parallele Glasfasernetze rentabel sein könnten, wäre kein fairer Infrastrukturwettbewerb möglich, wenn eines der ausbauenden Unternehmen (sprich die Telekom) bereits über viele Bestandskunden auf dem althergebrachten Kupfernetz verfügt. Dieser Vertriebsvorteil der Telekom bedeute schlicht, dass Wettbewerber bei parallelem Glasfaserausbau keine ausreichenden Marktanteile erreichen können, um ihr Netz rentabel zu betreiben.
- Neben dem tatsächlichen Glasfaser-Doppelausbau sei auch die Ankündigung eines möglichen Doppelausbaus durch die Telekom "hochproblematisch", da Wettbewerber laut WIK-Consult in den meisten Fällen dann davon ausgehen müssen, niemals rentabel zu werden.
- Alleine die Ankündigungen entfalten ihre destruktive Wirkung sofort, wodurch bereits ein Viertel der betroffenen Wettbewerbs-Unternehmen ihre Ausbauvorhaben verkleinert oder ganz abgesagt haben. Es werden also präventive Maßnahmen verhindert.
WIK-Consult schlage eine systematische Überwachung der Ausbauplanung vor, "um rein taktisches Verhalten unmittelbar zu erkennen".
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die Geschichte wurde hier schon mehrfach erklärt: Nehmen wir einen Ort A, der bislang nur langsames Internet hat. Ein privates Unternehmen X erklärt sich bereit, eigenwirtschaftlich (also auf eigene Kosten) den gesamten Ort auszubauen, wenn sich beispielsweise 40 Prozent der Einwohner entschließen, einen Vorvertrag (Mindestlaufzeit 24 Monate) zu unterschreiben. Das freut die Bürger: "Hurra, bald haben wir schnelles Internet."
Nun kommt die Telekom und erklärt, dass sie selbst auch bauen könnte, vielleicht aber nur in der Innenstadt (beispielsweise). Die Randbereiche seien schließlich nicht wirtschaftlich. Natürlich könne man die auch ausbauen, wenn die Stadt/Gemeinde dafür Fördermittel bereitstelle. Nur Fördermittel sind knapp oder ausgeschöpft oder kommen vielleicht erst in vielen Jahren an.
Die Folge: Anbieter X bekommt Angst, dass seine Kalkulation nicht mehr passt und sagt ab. Die Stadt/Gemeinde und die Bürger sind sauer. Die Konkurrenz behauptet, das mache die Telekom mit Absicht, es sei "strategisch", um die lästige Konkurrenz klein zu halten.
Die Forderung der Branche: Die Telekom müsse schon sehr lange vorher rechtsverbindlich ankündigen, wo sie bauen wolle, damit die private Konkurrenz vorgewarnt wäre. Auf die Schnelle durch die Telekom auszubauen, wo die private Konkurrenz schon am Werk ist oder es vorhat, wäre verboten. Die Sache hat einen Haken: Die Telekom könnte schlicht bundesweit den (geplanten) Ausbau ankündigen und somit wäre der Vorschlag ad absurdum geführt.
Verhandelt miteinander - nicht gegeneinander
Verhandeln, aber richtig: Man könnte sich ja verabreden, wer baut und wer darf beim anderen Anbieter die Glasfasern mitbenutzen.
Beispiele von solcher Zusammenarbeit zwischen Telekom und der privaten Konkurrenz gibt es, leider viel zu wenige. Nach langer Prüfung erhielt die Glasfaser Nordwest, ein Joint-Venture von der privaten EWEtel und der Telekom, ihren amtlichen Segen. Es ist ein Erfolgsmodell, die nördlichen Bundesländer berichten von traumhaften Ausbauquoten. Ähnliche weitere Kooperationen könnte sich Kartellamtschef Mundt gut vorstellen, aber es gibt sie bislang nicht.
Regional gibt es mutige Stadtwerke, welche die Zeichen der Zeit verstanden haben und mit der Telekom erfolgreich kooperieren. Wie man hört, zum Vorteil beider Seiten. Der Wunschtraum der privaten Konkurrenz, gemütlich und in aller Ruhe das Land auszubauen und regional möglichst keinen Konkurrenten zu haben, der nur die Preise verderben würde, wird nicht in Erfüllung gehen. Die Telekom wird doch kaum zuschauen, wie ihre Stammkundschaft enttäuscht zur privaten Konkurrenz wechseln muss.
Viele private TK-Miniunternehmen haben sich viel mehr zugemutet, als sie leisten können. Treten Störungen auf und sind die einmal komplizierter, dauert Störungsbeseitigung ewig. Die Folge: Die Kunden springen ab und kehren reumütig zur Telekom zurück, wo immer es für sie möglich ist. Die betroffenen Gemeinden beantragen lieber gleich die komplette Förderung, weil die dem Braten "Eigenwirtschaftlicher Ausbau" nicht trauen.
Der Staat hat aber nicht den Mut, ein milliardenschweres Komplett-Förderprogramm aufzulegen und dann im Rahmen einer Ausschreibung (wo sich alle bewerben könnten) das Land komplett auszubauen, um schneller die Unterschiede zwischen Stadt und Land auszugleichen. Wie könnte das Dilemma am Ende gelöst werden? Eigentlich nur, indem der Gesetzgeber/Regulierer die Streitparteien dazu bringt, sich an einen Tisch zu setzen und gemeinsam zu bauen und zu vermarkten.
Warum die Branche den Doppelausbau fürchtet, erklären wir in einer weiteren News.