o2 erprobt Small Cells mit Open RAN
Die Mobilfunkversorgung bleibt ein Dauerthema. Zum einen geht es um weiße Flecken, wo gar nichts geht, dann gibt es Ecken, wo es besser sein könnte ("graue Flecken"). Aber auch da, wo man denkt, dass schon alles gut wäre, gibt es Möglichkeiten die Versorgung vor Ort besser zu machen, besonders, wenn besonders viele Teilnehmer auf einer kleinen Fläche aktiv sind.
Die Zauberformel heißt "Small Cells". Das sind - wie der Name schon sagt - kleine Funkzellen, die von kleinen fast unauffälligen Antennen versorgt werden. Das könnte etwa eine Einkaufsstraße mit vielen Läden und Cafés sein. Hier hängen die Antennen tiefer, an Hauswänden, an Laternenmasten, verstecken sich auf oder in Litfasssäulen oder sind auf oder innerhalb von Telefonsäulen oder in Werbeplakaten ("Stadtmöblierung") versteckt. In der Schweiz können Small-Cell-Antennen sogar in Kanalschächten versteckt sein.
o2-Small Cell an der Außenwand einer Bäckerei in der Fraunhofer Straße in München
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Small Cells sind in der Branche nichts Neues (mehr). Sie finden sich in den Telekom-Telefonsäulen (oder früher Telefonzellen oder -Kabinen), in Litfasssäulen von Telekom, Vodafone oder bald auch o2.
In München ist der Netzbetreiber Telefónica (o2) noch einen Schritt weitergegangen. Man hat die Small Cells mit OpenRAN kombiniert.
Was sind Single-RAN und Open-RAN?
Bei einer klassischen Sendestation würde eine Antenne montiert und unterhalb oder neben dran müssten noch verschiedene Schaltschränke aufgebaut werden, worin die gesamte Signalaufbereitung und Stromversorgung stattfindet, die vom gleichen Hersteller wie die Sendeendstufen geliefert werden. Dabei spricht man von Single-RAN eines bestimmen Herstellers, beispielsweise Huawei, Ericsson oder Nokia.
Die notwendigen Funktionen und Programme sind in besonders dafür konstruierten Spezial-Chips integriert, die vom Hersteller entwickelt und optimiert wurden und darum sehr schnell und stromsparend sind. Die eigentlichen Sende-Antennen können dann von einem anderen Hersteller sein. "RAN" steht für Radio-Access-Network, als Zugriff zum Nutzer per Funk.
Bei Open-RAN wird das Single-RAN-Konzept aufgebrochen, d.h. die einzelnen Komponenten können von verschiedenen Herstellern sein. Als Prozessoren werden altbekannte X86-Prozessoren (z.B. von Intel) verwendet, wie sie in den heimischen Windows- oder Linux-PCs vorkommen, weil es dafür Hardware und Software an jeder Hausecke gibt. Das soll langfristig die Kosten senken und die Geschichte flexibler machen.
Small Cell von Airspan
An der Unterseite der Antenneneinheit wird ein Glasfaser-SFP-Modul eingesteckt und eine 230-Volt-Leitung angeklemmt. Mehr braucht es nicht
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
In München wird eine Small Cell des US-Herstellers Airspan verwendet, der in das Open-RAN-Testnetz von o2 integriert wurde.
Am Einsatz-Ort hängt eine Art "Eimer", der allerdings 16 Kilogramm wiegt, an der Wand und wird nur noch mit Strom (230 Volt) und einer Glasfasersignalleitung verbunden. Diese Glasfaser ist dezidiert, d.h. sie führt direkt zum nächsten Rechenzentrum von o2.
Glasfaser von M-net
Die Glasfaser steuert der Münchner Netzbetreiber M-net bei, eine Tochter der Münchner Stadtwerke, die schon länger dabei ist, die komplette Landeshauptstadt mit Glasfaser zu erschließen und neben Bayern auch in anderen Bundesländern Glasfasern verlegt und Netze baut und betreibt.
Für Privat- und Geschäftskunden werden beleuchtete Fasern mit der passenden IP-Infrastruktur dahinter geliefert, damit die Kunden sofort ins Netz gehen, surfen, telefonieren oder TV schauen können. Für Netzbetreiber-Kunden wie o2 (oder Telekom, Vodafone und künftig 1&1) hat M-net ein eigenes Produkt entwickelt, wo spezielle Fasern von beispielsweise einem Antennenstandort direkt ohne "fremde" Zwischenstationen zum Netzbetreiber geführt werden können.
Integration durch NEC, Montage durch Abel-Mobilfunk
SFP-Modul mit Blick auf die Glasfaseranschlussbuchsen
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Die Integration der aktiven Antennen hat bei o2 das japanische Unternehmen NEC übernommen, die gerade dabei sind, auf dem Mobilfunknetz-Ausrüstungsmarkt bekannter zu werden.
Die Montage der Antennen macht weder NEC noch o2, sondern die Firma Abel-Mobilfunk. Abel-Mobilfunk ist ein Technik-Dienstleister, der Mobilfunkstandorte aufbaut, beispielsweise Antennenmasten, Dachstandorte und so weiter und darin über sehr viel Erfahrung und spezielles KnowHow verfügt. Dabei geht es nicht nur um Antennen weit draußen in der Einsamkeit, sondern immer mehr auch um Netzverdichtungen bis hin zu Inhouse-Versorgungen in Bürogebäuden und vieles mehr. Die Nachfrage steigt mit der aktuellen Netzausbaudiskussion zunehmend, war zu erfahren.
Erste Small Cell in München
Die erste Antenne wurde in der Klenzestraße in München und eine weitere "um die Ecke" in der Fraunhoferstraße montiert. Die Sendeleistung dieser Antennen ist sehr gering, dadurch fallen sie unter die 10 Watt EIRP Grenze (EIRP = effektive Sendeleistung mit einer isotropischen Antenne = ein idealer, aber nur theoretisch denkbarer Kugelstrahler).
Small Cells als Ergänzung - nicht als Ersatz
Beim ausführlichen Fachgespräch mit hochrangigen Experten aller beteiligten Unternehmen wurde vor Ort klar gestellt, dass die Small Cells die Makrostandorte (auf Dächern oder Masten) nicht ersetzen, sondern nur ergänzen sollen. Die Idee ist, dass an einem Brennpunkt (wo viele aktiv sind), die Signale der Kunden aufgefangen und solange wie möglich behalten werden sollen, um die darüberliegende Makrozelle zu entlasten.
Small Cells im Test
Fällt im Alltag gar nicht auf: Small-Cell-Antenne in der Klenzestraße
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Wir haben das ausprobiert. Ein Sprach-Telefonat zu Fuß "wackelte" kurz beim Handover von Small Cell nach Makro, brach aber nicht ab. Die genauen Parameter werden von o2 aktuell untersucht, um Erfahrungen für zukünftige Ausbauten zu bekommen.
Wer sich in München befindet und o2-Kunde ist (egal, ob bei o2 direkt oder bei einem Service-Provider im o2-Netz, einschließlich die 1&1-Drillisch-Marken, kann über diese Zelle bereits telefonieren und surfen. Technisch Kundigen wird dabei auffallen, dass die Small Cells derzeit nur im Band 3 (1800 MHz) in LTE (4G) funken. Da hängt damit zusammen, dass die für später geplanten aktiven Kombinationsantennen für 4G/5G noch nicht lieferbar sind. Dann soll das Band n78 (3600 MHz) noch mit 5G dazu kommen.
Zum Versuch in der Klenzestraße werden in Kürze weitere Antennen in der Nähe des Gärtnerplatzes dazu kommen.
Was ist denn da drin und was braucht der Kunde?
In diesen "Eimern" befindet sich eine Menge Technik. Die über Glasfaser angelieferten Signale werden aufbereitet und auf die einzelnen Sektor-Sendeantennen mit integrierter Sende-Endstufe gegeben. Die 230 Volt Versorgungsspannung müssen in die intern benötigten Spannungen umgewandelt werden. Außerdem soll die Antenne über die Glasfaserleitung auch Informationen über die Auslastung, die Bewegung der Nutzer und sonstige wichtige Dinge liefern, damit der Kunde möglichst unterbrechungsfrei surfen und telefonieren kann.
Für den Kunden sind keine neuen Geräte notwendig. Wer ein 4G-fähiges Telefon hat, kann diese Small Cells benutzen und wird es gar nicht bemerken. Wenn die kombinierten 4G/5G-Small-Cells laufen, wird der Kunde mit 4G-Handy weiterhin im 4G-Netz bleiben, der Kunde mit einem 5G-fähigen Handy freut sich über größeren Datenumsatz bei geringerer Latenz. Der gebuchte Tarif muss 5G unterstützen, was bei den meisten neueren Tarifen längst der Fall ist oder notfalls über die Mein-o2-App auf dem Smartphone, über die Webseite oder über die o2-Hotline auch nachgebucht werden kann. Ausländische Roaming-Kunden können das ebenfalls nutzen, wenn ihr Heimatnetzbetreiber die Freigabe für 4G oder 5G gegeben hat.
Eine Einschätzung
Der Netzausbau im Land ist ein teures Unterfangen. Die weißen und grauen Flecken werden längst in einer Kooperation von Telekom, Vodafone und o2 ausgeleuchtet. Darüber spricht man aber in der Öffentlichkeit nicht groß, sondern macht das einfach, hier hat sich viel verändert. Ein Netzbetreiber strahlt nicht nur die eigene Netzkennung, sondern auch die der Kooperationspartner aus, die müssen dann nur noch ihre Signale über eine eigene Leitung an der Sendestation anliefern.
Der Netzausbau in versorgten Gebieten dient zur Kapazitätserweiterung. Die Vorstellung, dass es eine Tages nur noch sehr sehr viele Small Cells mit kleinen auffälligen und unsichtbaren Antennen gibt, wird bestimmt die Akzeptanz des Mobilfunks erhöhen, mancher Dachmakrostandort sieht auf den ersten Blick "unheimlich" aus. Doch ob es je dahin kommt, ist eine Kostenfrage.
Die Fahrt nach München hat wieder einmal gezeigt, was viele teltarif.de-Leser schon wissen: Dort wo o2 richtig ausgebaut hat, kann man für bezahlbares Geld eine Menge damit machen. Wer allerdings z.B. mit dem Zug aus der "Provinz" in die Ballungszentren fährt, merkt schnell, wieviel Ausbaubedarf es noch gibt. Okay, ein Video- oder ein Musikstream wird im Smartphone oder dem Tablet oder PC gepuffert, wenn es aber auf unmittelbare Reaktionen eines Internet-Angebotes ankommt, dann ist viel Geduld gefragt.
Wenn das Datenvolumen aufgebraucht ist, lesen Sie in einer weiteren Meldung, was das Nachbuchen kostet.