Frust: Wenn große Unternehmen den Anbieter wechseln
Große Unternehmen haben oft mit einem Netzbetreiber ein Rahmenabkommen geschlossen. Ab und zu wird gewechselt.
Image licensed by Ingram Image; Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de
Von Zeit zu Zeit geben Mobilfunkunternehmen ihre Kunden- und Geschäftszahlen bekannt und fühlen sich dabei meist als "führend".
Marktführer nach Karten, Kunden oder Umsatz?
Große Unternehmen haben oft mit einem Netzbetreiber ein Rahmenabkommen geschlossen. Ab und zu wird gewechselt.
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Wer wirklich Marktführer ist, können Beobachter, Kunden und selbst Fachleute schlecht beurteilen, weil es keine vernünftigen Messgrößen gibt. Lange war die Anzahl der geschalteten SIM-Karten das Kriterium schlechthin. Bei 150 Millionen SIM-Karten (und 80 Millionen Einwohnern) haben viele Kunden längst zwei oder mehr Karten. Viele SIM-Karten stecken in Maschinen und Sensoren (Internet of Things = IoT) und sind nur ein Posten in einem Geschäftskundenkonto.
Der Preis entscheidet, es wird schon Netz geben?
Den Einkäufer interessiert am Ende nur der Preis pro Karte, da die Industrieanwender einfach davon ausgehen, dass das Netz schon irgendwie funktionieren wird. IoT-SIM-Karten haben teilweise auch nationale Roaming-Abkommen, d.h. irgendein Netz wird schon empfangbar sein.
Privatkunden vs. Geschäftskunden
Neben dem Privatkundenvertrieb der Mobilfunker gibt es auch die Geschäftskunden-Einheiten. Die haben teilweise gedruckte Tariflisten, teilweise werden die Preise auch frei verhandelt. Und je mehr Karten in dem Rahmenvertrag enthalten sind, desto interessanter können die Konditionen werden.
Größere Abschlüsse werden selten öffentlich bekannt gegeben. Insbesondere größere Netzwechsel, d.h. wenn ein großes Unternehmen mit allen seinen Karten komplett von Netzanbieter X zu Netzanbieter Y wechselt, werden selten in der Öffentlichkeit bekannt. Sie können aber ein Indiz über die tatsächliche oder "gefühlte" Netzqualität sein.
Deutsche Post setzt auf Vodafone
Das Unternehmen Deutsche Post AG wurde ab 1995 privatisiert. Mobilfunktechnisch ist man vor einiger Zeit komplett zu Vodafone gewechselt. Das brachte seinerzeit einige Mitarbeiter dazu, sich privat eine SIM-Karte im Netz der Telekom oder von o2 zuzulegen, weil sie mit der Netzqualität ihrer Diensthandys nicht einverstanden gewesen seien, wie sie gegenüber teltarif.de glaubhaft versicherten. Sie baten aber namentlich nicht genannt zu werden.
BASF wechselte zur Telekom
Von Anfang an (ab 1992) hatte der Chemiekonzern BASF in seinem Stammwerk in Ludwigshafen am Rhein (mit knapp 39.000 Beschäftigten nur an diesem Standort) auf den Anbieter Mannesmann Mobilfunk (D2 Privat) gesetzt, heute Vodafone. Die Werkstelefonanlage wurde damals so eingerichtet, dass man durch Einfügen einer Kennzahl zwischen Stamm-Rufnummer (0621-60-xxxxx) und der Nebenstellen-Nummer direkt zum dazu gehörenden Mobiltelefon des Mitarbeiters im D2-Netz verbunden wurde, ohne die eigentliche Handynummer zu kennen.
Vor einiger Zeit hat nun die BASF, wie Mitarbeiter berichten und uns von mit den Vorgängen vertrauten Personen aus der Branche bestätigt wurde, den kompletten Kartenbestand zur Telekom umgestellt. Dabei sollen, so schätzt man, rund 50.000 Karten getauscht worden sein. Dafür wurden auf dem etwa 13 km langen und bis zu 4 km breiten Werksgelände in Ludwigshafen zahlreiche neue Sendestationen der Telekom installiert. Was die genauen Gründe für diesen Wechsel waren (Netzqualität, Technik, Preise?) wurde nicht bekannt.
Deutsche Bahn fährt mit Vodafone
Bei der Deutschen Bahn wurden die Diensthandys des Zugbegleitpersonals schon vor längerem auf Vodafone (im Volksmund weiter "D2") umgestellt. Seitdem rissen die Klagen der Mitarbeitenden nicht ab, in den Zügen streckenweise kaum oder nur schlechtes Netz zu haben. Mit Telekom sei das etwas besser, aber auch nicht ideal. Der Zugbahnfunk (GSM-R) der Lokführer hat weiterhin ein Roaming-Abkommen mit dem öffentlichen Netz der Telekom ("D1"), wo es - warum auch immer - kein GSM-R-Netz gibt.
ARD und ZDF wechseln komplett zu Vodafone - aus Kostengründen
Die Rundfunkanstalten von ARD und ZDF stehen seit einiger Zeit unter Beschuss. Es soll gespart werden, wo immer auch möglich. Wie aus gut informierten Quellen zu erfahren war, haben ARD und ZDF kürzlich einen Mobilfunkrahmenvertrag für alle Diensthandys europaweit neu ausgeschrieben. Dabei geht es nicht nur ums Telefonieren, sondern auch um mobile Laptops und mehr. Reportageeinheiten verbinden sich heute über Mobilfunk, damit sind bei wichtigen Außenterminen schnelle Liveschaltungen möglich. Der teure schwerfällige Satellitenübertragungswagen kann zu Hause bleiben.
Aufgrund des besseren Angebotes erhielt Vodafone den Zuschlag. Vodafone habe, so ist auf den Fluren zu hören, nicht nur die Einbeziehung der Schweiz in die EU-Roaming-Tarife ins Paket gepackt (bei der Telekom scheint das nur in Privatkundentarifen zu gelten, bei o2 geht das auch nicht immer), sondern sei unterm Strich etwa 50 Prozent günstiger als die Konkurrenz gewesen.
Nun werden alle ARD-Anstalten und das ZDF ihre Mitarbeiter-SIM-Karten zum neuen Anbieter umgezogen. Manche Mitarbeiter sollen sich daraufhin in internen sozialen Medien der Sender gefreut haben, "im Homeoffice bald nicht mehr erreichbar" zu sein.
Offenbar sollen Bestandskarten der Rundfunk- und TV-Mitarbeiter im Telekom-Netz noch eine Zeitlang aktiv bleiben können. Neue Dienstkarten würden nur noch bei Vodafone geschaltet, teilten die Sender ihren Mitarbeitern mit.
Automobilkonzern fährt gut mit o2
Der Automobilkonzern Daimler (Mercedes-Benz) ist vor einiger Zeit zum Anbieter Telefónica-o2 gewechselt. Auch hier landen die Durchwahlen der Mitarbeiter in vielen Fällen direkt auf dem Handy (es gibt oft gar keinen Tischapparat mehr). Die Mitarbeiter-SIM-Karte enthält zwei Rufnummern, wovon eine Nummer rein für private Zwecke genutzt und bekannt gegeben werden kann. Befragte Mitarbeiter berichten, dass die o2-Versorgung im Werksgelände ausgezeichnet sei und es auch sonst wenig Probleme mit o2 gäbe. o2 baut jetzt ein 5G-Netz in der Automobilproduktion von Daimler auf.
Lösungen mit mehreren Rufnummern auf einer SIM-Karte gibt es auch bei der Telekom und Vodafone auf Nachfrage. Teilweise muss die Karte mit einer um eine Zahl ergänzten PIN frisch gestartet werden.
Ein Fazit: Netzqualität vs. Preis?
Das Thema Netzqualität wird in vielen Fällen viel zu wenig berücksichtigt. Wenn eine große Firma wegen der Netzqualität den Anbieter wechselt, sollte das beim Anbieter die Alarmglocken schrillen lassen. Wenn aber andere Unternehmen für ein Linsengericht, also nur wegen wirklich oder vermeintlich günstigerer Preise auch in weniger gut ausgebaute Netze wechseln (müssen), freut das sicher die Kostenrechner. Oder andersherum: Wozu soviel Geld in den Netzausbau stecken, mit günstigen Preisen kriegen wir sie ja doch. Nicht jedem Groß-Kunden scheint die bessere Netzqualität den Mehrpreis wert zu sein.
Hoffentlich nutzen die erfolgreichen Netzbetreiber ihre gewonnenen Neukunden auch dazu, das eigene Netz noch viel intensiver als bisher auszubauen. Und vielleicht überlegen sich die Anbieter, für die Zukunft die Schweiz generell in die EU-Tarife einzubinden.
Gibt es ein bestes Netz?
Beobachter berichten schon länger, dass die Netzqualität beispielsweise in Deutschland je nach Anbieter immer noch nach Region oder Bundesland stark voneinander abweichen kann. So soll es ein Nord-Süd-Gefälle geben. Der Norden sei mit Vodafone stärker ausgebaut, während im Süden eher die Telekom vorne liege. Ausnahmen finden sich im Südwesten, wo in dünn besiedelten Regionen noch viel zu tun ist, aber auch schon viel geleistet wurde. Und o2 kann sogar "abseits" der Ballungsgebiete recht gut mit Sprachtelefonie versorgen, teilweise nur mit GSM (2G), doch der 4G-Ausbau schreitet gewaltig voran, wie die Firma Opensignal kürzlich bestätigte.
Viele Fragen
Telefonieren Sie im Rahmenvertrag ihrer Firma? Wurde der Anbieter schon gewechselt? Wurden Sie vorher gefragt? Wie erleben Sie die Netzqualität in Deutschland? Wo sind die Regionen, wo bis heute nichts richtig funktioniert? Gibt es lokale Initiativen, die den Bau von Sendestationen aus optischen oder vermeintlichen gesundheitlichen Gründen verhindern? Schreiben Sie es in unser Forum.