Themenspezial: Verbraucher & Service Auskunfteien

Sammeln Schufa & Co. unberechtigt Handyvertragsdaten?

Wirt­schafts­aus­kunf­teien sammeln und spei­chern seit Jahren Handy­ver­trags­daten von Millionen Menschen in Deutsch­land - ohne Einwil­ligung?
Von

Fast jeder kennt die "Schufa", das ist eine von vielen Wirt­schafts­aus­kunf­teien. Diese Unter­nehmen sammeln und spei­chern nach Recher­chen von NDR (Nord­deut­scher Rund­funk) und Süddeut­scher Zeitung (SZ) seit vielen Jahren die Handy­ver­trags­daten mutmaß­lich von Millionen Menschen in Deutsch­land, teil­weise ohne deren Einwil­ligung einzu­holen.

Nach Ansicht der Daten­schutz­behörden ist das nicht rech­tens. Auch Verbrau­cher­schützer kriti­sieren die Daten­spei­che­rung und warnen vor nega­tiven Auswir­kungen für Verbrau­cher.

Was wird gesam­melt?

Was speichern Auskunfteien wie die Schufa über Handykunden? Was speichern Auskunfteien wie die Schufa über Handykunden?
Foto: Picture Alliance/dpa
Bei den Daten handelt es sich übri­gens nicht um Verbin­dungs­daten (wer tele­foniert zu welcher Rufnummer, wann und wie lange), sondern um Angaben beispiels­weise zum Vertrags­abschluss, zur Dauer des Vertrages oder einem Vertrags­wechsel.

Solche Vertrags­daten dürfen seit Inkraft­treten der Euro­päi­schen Daten­schutz­grund­ver­ord­nung (DSGVO) im Mai 2018 den Daten­schüt­zern zufolge nur noch von Auskunf­teien gespei­chert werden, wenn eine ausdrück­liche Einwil­ligung der Betrof­fenen vorliegt. Das haben die in der Daten­schutz­kon­ferenz (DSK) orga­nisierten Aufsichts­behörden der Länder und des Bundes in einem Beschluss vom September 2021 noch einmal ausdrück­lich klar­gestellt.

Nur säumige Zahler und Betrüger dürfen demnach gespei­chert werden, nicht aber die Daten von Millionen unbe­schol­tener Kunden, die nicht einge­wil­ligt haben.

Daten für Scoring

Darüber hinaus werden diese Daten nach Angaben des Bran­chen­ver­bandes "Die Wirt­schafts­aus­kunf­teien" für die Ermitt­lung der Bonität von Verbrau­chern genutzt, für das soge­nannte Scoring - eine Praxis, die vor allem Verbrau­cher­schützer äußerst kritisch sehen. Es gebe ein hohes Risiko, dass sie zu Lasten von Verbrau­chern genutzt werden, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, so der Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­band (VZBV).

Wie die Handy­ver­trags­daten ausge­wertet würden, sei zudem höchst intrans­parent. So könne man aus einer Viel­zahl von gleich­artigen Verträgen etwa schließen, dass die Betrof­fenen schnell zu güns­tigeren Kondi­tionen wech­seln oder Einstiegs­ange­bote mitnehmen. "Wir haben die große Sorge, dass Menschen hier gläsern gemacht werden und womög­lich in der Zukunft keine Verträge bekommen, weil sie gerne mal den Anbieter wech­seln und so viel­leicht aus Sicht der Unter­nehmen anstren­gend sind", so VZBV-Chef Klaus Müller. Die Daten müssten gelöscht werden, fordert Deutsch­lands oberster Verbrau­cher­schützer.

Vorteile für Finanz­schwache?

Der Bran­chen­ver­band "Die Wirt­schafts­aus­kunf­teien" hingegen betont, bestimmte finanz­schwä­chere Menschen profi­tierten von der Auswer­tung der Handy­ver­trags­daten, nament­lich dieje­nigen, die bei den Unter­nehmen bislang unbe­kannt seien.

Die Logik dahinter: Wenn jemand beispiels­weise bislang keinen Bank­kredit hatte und die Auskunf­teien deshalb nicht wissen, ob er ihn zuver­lässig zurück­gezahlt hat, dann wisse man wenigs­tens, dass jemand seine Handy­rech­nung regel­mäßig bezahlt. "Gerade Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher, die bisher keine posi­tive Kredithis­torie haben, wie zum Beispiel junge Konsu­men­tinnen und Konsu­menten, Migran­tinnen und Migranten sowie häufig auch Senio­rinnen und Senioren, sind auf die Verar­bei­tung solcher Infor­mationen ange­wiesen", so der Bran­chen­ver­band.

Aus diesem Grund hätten die Auskunf­teien auch ein "berech­tigtes Inter­esse", die Daten zu spei­chern, und müssten die Betrof­fenen nicht um Erlaubnis fragen. Außerdem sei das Ganze eine "jahr­zehn­telange, unbe­anstan­dete Praxis, die auch von Verbrau­che­rinnen und Verbrau­chern besten­falls nur verein­zelt kriti­siert wurde."

Daten­schützer sehen das anders

Diese Praxis beur­teilen Daten­schützer mitt­ler­weile aber grund­legend anders. Die vor drei Jahren in Kraft getre­tene DSGVO habe "die Rechts­posi­tion der Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher gestärkt", sagt der hessi­sche Landes­daten­schutz­beauf­tragte Prof. Alex­ander Roßnagel. Hessen ist in der DSK zusammen mit Nord­rhein-West­falen feder­füh­rend bei diesem Thema.

"Jeder hat das Recht, selbst darüber zu bestimmen, welche Daten er preis­gibt", sagt Roßnagel, und deshalb dürften Wirt­schafts­aus­kunf­teien Infor­mationen über Mobil­funk­ver­träge nicht spei­chern, ohne dafür eine ausdrück­liche Einwil­ligung der Betrof­fenen zu haben.

Seit 2018 nicht mehr gefragt?

Diese Einwil­ligung aber hätten die Auskunf­teien seit 2018 nicht mehr einge­holt, so ein Spre­cher der nord­rhein-west­fäli­schen Landes­daten­schutz­beauf­tragten, "weil sie die hohen Anfor­derungen an die Einwil­ligung (...) scheuten", die die DSGVO vorsehe.

Aus Kreisen der deut­schen Landes­daten­schützer heißt es zudem, dass die Auskunf­teien lange gar nicht offen­gelegt hätten, dass sie die Handy­ver­trags­daten quasi zweck­ent­fremden, um damit die Bonität von Menschen zu beur­teilen. Einzelne Unter­nehmen hätten die Spei­che­rung zunächst damit gerecht­fer­tigt, dass auf diese Weise früh­zeitig Betrüger erkannt werden könnten. Erst als das Spei­che­rungs­verbot gedroht habe, hätten die Auskunf­teien einge­räumt, dass sie die Daten für die Beur­tei­lung der Kredit­wür­dig­keit unbe­schol­tener Handy­kunden brau­chen. Landes­daten­schützer spra­chen von einem "intrans­parenten Verhalten", das sie "enttäuscht" habe.

Wird die Frage vor Gericht geklärt?

Ob die Auskunf­teien gegen den Beschluss vorgehen werden, lässt der Bran­chen­ver­band offen. Mögli­cher­weise müssen am Ende Gerichte klären, ob die Vertrags­daten von Millionen Handy­kunden weiterhin von Schufa & Co. gespei­chert werden dürfen oder nicht.

Anfragen von NDR und SZ an die einzelnen Unter­nehmen zu deren Geschäfts­modellen wurden von diesen mit Verweis auf die Stel­lung­nahme des Verbandes nicht bzw. nicht ausführ­lich beant­wortet. Ledig­lich eine Auskunftei, die Baden-Badener Auskunftei Info­score Consumer Data [Link entfernt] , erklärte ausdrück­lich, sie spei­chere keine Handy­ver­trags­daten. Das Münchner Unter­nehmen Crif Bürgel betonte, man nutze gespei­cherte Handy­ver­trags­daten nicht zur Boni­täts­beur­tei­lung.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Wer einen Handy­ver­trag abschließen möchte, muss die AGBs auf Papier oder im Internet "bestä­tigen". Darin steht oft, dass der Mobil­funk­anbieter die Daten an bestimmte Auskunf­teien weiter­geben kann, die auch nament­lich genannt werden. Dort kann der Kunde, nachdem er sich legi­timiert hat, nach­fragen, welche Daten das sind.

Bei Kredit­ver­trägen (ein Handy­ver­trag, der länger läuft und wo es viel­leicht ein teures Handy dazu gibt, ist ein Kredit) möchte der Anbieter wissen, wie hoch die Chance ist, dass er sein Geld wieder sieht. Hat der Anbieter Bedenken oder kennt den Kunden nicht, so kann er den Vertrag ablehnen.

Es gibt Anbieter, die lehnen Kunden gene­rell ab, die sie nicht in der Schufa oder bei anderen Anbie­tern finden. Ein Eintrag kann sogar Vorteile haben. Ist der Kunde bekannt und hat schon andere Verträge pünkt­lich bedient, so stei­gert das seinen Score-Wert. Je höher, je besser.

Doch gerade der Score-Wert ist den Daten­schüt­zern unheim­lich, weil die Auskunf­teien absolut nicht verraten wollen, wie sie diesen genau berechnen, denn darauf beruht ja ihr Geschäfts­modell. Wäre dieser Algo­rithmus bekannt, könnten findige Mitmen­schen ihr Verhalten so ändern, dass sie einen guten Wert bekommen, obwohl ihre Finanz­lage mehr als mau aussieht.

Bei der Schufa kann man beispiels­weise sein Konto online einsehen. Unter dem Titel "Schufa­kom­pakt" kann ein 30-tägiger Test­zugang kostenlos auspro­biert werden, um die eigenen Schufa-Daten abzu­fragen. Wird nicht recht­zeitig gekün­digt, verwan­delt sich das in ein monat­liches Abo für 3,95 Euro. Eine einma­lige Boni­täts­aus­kunft mit Zerti­fikat, zum Beispiel zur Vorlage beim Vermieter, kostet einmalig 14,50 Euro.

Es geht auch kostenlos: Die "Daten­kopie nach Art 15 DSGVO" ist kostenlos und wird per klas­sischer Brief­post zuge­stellt. Das ist übri­gens bei allen Auskunf­teien der Fall.

Ab heute treten neue Regeln für Verbraucher­ver­träge in Kraft. Details lesen Sie in einem ausführ­lichen Bericht.

Mehr zum Thema Verbraucher