Bechtolsheim: Erster Sendemast aus finnischem Holz
Vor 3000 Jahren siedelten Kelten in Bechtolsheim (Kreis Alzey-Worms) südlich von Mainz in Rheinland-Pfalz. Im Mittelalter führte der Biebelnheimer Pilgerpfad durch den Ort.
Viele Jahre später baute Vodafone auf dem Dach einer "Raiffeisen"-Scheune eine Mobilfunk-Sendeanlage. Dieser Mietvertrag lief aus, und mit dem bisherigen Vermieter konnte keine Einigung über eine Vertragsverlängerung erzielt werden. Also suchte die VantageTowers, die von Vodafone gegründete Turmgesellschaft, einen neuen Standort.
Vorübergehend wurde ein mobiler Sendemast (MRT) für Vodafone-Kunden aufgestellt. Die ebenfalls auf dem ehemaligen inzwischen komplett geräumten Standort über Vantagetowers eingemietete Telefónica schaltete erst einmal komplett ab. Betroffene Kunden müssen sich bis zum Herbst gedulden, oder haben bereits den Anbieter gewechselt, wie sie gegenüber teltarif.de berichteten.
Fällt gar nicht gleich als Sendemast auf: Ecopole rechts und mobiler Sendemast links
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Holz statt Beton?
Mit der Idee, einen 60 Meter hohen Schleuderbeton-Mast zu bauen, wurde die Gemeinde konfrontiert. Der Gemeinderat lehnte das Projekt zunächst ab: "Das geht so gar nicht". Man blieb aber im Gespräch. Irgendwann kam die Idee, einen Sendemast aus Holz zu verwenden, solche bietet das finnische Startup Ecotelligent. Dafür wurde schließlich ein Standort am Ortsrand gefunden, wofür ein nur 30 Meter hoher Mast ausreicht. Die Gemeinde stimmte sofort zu, der Mast ist bereits das neue Wahrzeichen im Ort.
Mast aus der Nähe
Bild: Valéry Kloubert / Vantage Towers
Keltische Funde unter dem Fundament
Was hat das nun mit den Kelten zu tun? Einiges, denn bei den Fundament-Arbeiten für den Mast wurden keltische Scherben gefunden, unter anderem ein Teil eines Tongefässes von 27 cm Durchmesser und ein Hüttenlehm, der dem zuständigen Archäologen verriet, wo das architektonisch durchdachte Gebäude damals gestanden hat.
Der neue Mast wurde mit einem Richtspruch feierlich eingeweiht und wird in wenigen Wochen mit der notwendigen Sendetechnik von Vodafone und später auch von Telefónica (o2) bestückt. Die Telekom betreibt in Sichtweite des Mastes einen eigenen Standort, der aber statisch ausgereizt ist und daher nicht für Vodafone und o2 infrage kam.
Ministerieller Segen
Digitalminister Alexander Schweitzer freute sich, dass der erste Mobilfunk-Holzmast in Rheinland-Pfalz steht
Foto: Vantage Towers
Zur Einweihung des Mastes war der rheinland-pfälzische Digitalminister Alexander Schweitzer gekommen, der sich freut, dass der erste Sendemast aus Holz in Rheinland-Pfalz aufgebaut wird. Schweitzer, der selbst vom Land kommt, betonte, wie wichtig die digitale Versorgung des ländlichen Raumes ist. Durch den Netzausbau im Land fällt der Zwang weg, in Ballungsgebiete umziehen zu müssen, wo die Wohnungen heute immer unbezahlbarer werden.
Kai Uebach, Geschäftsführer von Vantage Towers Deutschlands, ist stolz mit dem "Ecopol-Holzmast" des finnischen Unternehmens in Bechtolsheim einen neuen Weg eingeschlagen zu haben. Er sieht darin einen Weg, Mobilfunkinfrastruktur nachhaltig und gleichzeitig optisch ansprechend zu bauen. Man habe gezeigt, wie mehr Akzeptanz für den Mobilfunkausbau in Deutschland geschaffen werden könne."
Blick ins innere des Mastes. Hier kann ein Techniker nach oben zur Sendeplattform klettern
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Gyöngyi Mátray, ungarisch stämmige Chefin des finnischen Unternehmens Ecotelligent, verwies darauf, dass europaweit im Zuge des 5G-Ausbaus aktuell tausende von Funkmasten geplant und errichtet werden. Der zweite Holzmast soll im Späjahr im nördlichen Rheinland-Pfalz wieder durch Vantage Towers errichtet werden.
Ortsbürgermeister Dieter Mann räumte freimütig ein, dass der Holzmast am Ende zum Umdenken bewogen habe. Vielleicht werde Bechtolsheim das Vorbild für viele künftige Mastneubauten.
Welche Sendetechnik wird in Bechtolsheim verfügbar sein?
Die Fundamente für die Sendetechnik, links der "Stromanschlusskasten"
Foto: Henning Gajek / Teltarif.de
In Kürze wird folgende Technik verbaut, LTE700, NR700 (5G), LTE800, GSM900, LTE900, NR1800 (5G), LTE2100 und NR3500 (5G). Damit wird Bechtolsheim mobilfunkmäßig auf den neuesten Stand katapultiert.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Wenn ein Mobilfunkmast in die Landschaft gebaut werden soll, gab es bislang nur zwei Möglichkeiten: Einen weißgrauer Schleuderbetonturm oder ein Stahlgittermast aus dem Systembaukasten. Beide Varianten sehen je nach Umgebung nicht unbedingt schön aus.
Der Ecopol-Holzmast ist aus verleimtem Schichtholz gefertigt und wird in vorgefertigten 10 Meter langen Elementen angeliefert und im hohlen Mastinnern miteinander verschraubt. Wer nun Angst hat, dass der Mast sofort abbrennt, wenn sich nur ein Streichholz nähert, dem sei gesagt: Das Holz ist imprägniert. Falls die Außenhaut doch brennen sollte, soll die innere Schicht kühl genug bleiben, verrieten Vertreter vor Ort. Für den Mast spricht, dass die Farbe nach Wunsch vor Ort gewählt werden kann, in Bechtolsheim ist es ein angenehmer Erdton. Der Mast, so versicherte es die Chefin des Herstellers im Gespräch mit teltarif.de, hält mindestens 30 Jahre, bei guter Pflege auch deutlich länger.
Der Ecopol Holzmast von Ecotelligent wird im Werk in 10 Meter langen Elementen vormontiert
Bild: Valéry Kloubert / Vantage Towers
Wer noch ein Ziel für seinen Wochenendausflug sucht, könnte sich nach 55234 Bechtolsheim in Rheinland-Pfalz (1800 Einwohner) begeben und bei der Gelegenheit den örtlichen Rheinhessen-Wein genießen und sich (sobald fertig installiert) an der guten Netzversorgung erfreuen oder dem Heimatmuseum mit weiteren Funden bei der Mastgrabung einen Besuch abstatten. Am Mast selbst wird eine Infotafel auf die Geschichte des Ortes hinweisen.
An welchen Orten die Netzbetreiber aktuell gebaut haben, lesen Sie in einer weiteren News.